Reinhold Messner nach Unglück in Dolomiten: "Grund ist Erderwärmung"

Update 13.53 Uhr: Ein Österreicher soll sich unter den Vermissten befinden. Weitere Informationen waren bis dato nicht bekannt.
"Diese fressen die Gletscher weg", sagte der 77-Jährige der Deutschen Presse-Agentur nach dem Unglück vom Sonntag. Mindestens sechs Alpinisten waren von einem gewaltigen Gletscherbrocken und einer Lawine erfasst und getötet worden. Etwa ein Dutzend Menschen wurde verletzt, weitere Opfer wurden unter den Eis-, Schnee- und Felsmassen befürchtet.
Eistürme groß wie Wolkenkratzer
Messner erinnerte daran, dass von Gletschern immer größere Gefahr ausgehe, denn wegen der ungewöhnlich warmen Temperaturen in diesen Zeiten werden sie immer instabiler. Just an den Abbruchkanten bilden sich dann sogenannte Eistürme - Seracs genannt - "die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen", erklärte Messner.
Vorfälle wie dieser künftig häufiger
Der Südtiroler, der als erster Alpinist alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hatte, kennt Seracs, etwa aus dem Himalaya. Er mahnt, Touren auf Eis nur mit Bergführer zu machen. Vorfälle wie an der Marmolata "werden wir häufiger sehen", prognostizierte er. "Heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher."
"Sehen seit 30 Jahren, wie die Gletscher schmelzen"
"Die globale Erwärmung kommt aus den Ballungszentren und Städten, von den Autobahnen und Fabriken", sagte Messner. "Aber wir in den Bergen merken sie, schon seit 30 Jahren sehen wir mit bloßem Auge, wie die Gletscher schmelzen. Dazu muss man kein Wissenschaftler sein."
Vier Todesopfer identifiziert
Nach dem Gletscherbruch an der Marmolata (Marmolada) in den Alpen des norditalienischen Trentino mit mindestens sechs Toten sind vier Todesopfer inzwischen identifiziert worden. Dabei handelt es sich um drei Italiener und einen Tschechen. Ein Mann und eine Frau müssen noch identifiziert werden. Zu den 20 Vermissten zählen auch deutsche und rumänische Staatsangehörige, teilten die Rettungseinheiten mit.
Geborgene Leichen zerstückelt
Die Identifizierung könnte länger dauern, eine Obduktion könnte notwendig werden. Die Zahl der Opfer der Marmolata-Tragödie wird wahrscheinlich noch steigen. Die geborgenen Leichen sind nach dem Gletscherbruch mit Eis, Steinen und Geröll zerstückelt, daher sei es schwierig, die genaue Zahl der Todesopfer zu erkennen. Aus diesem Grund sind am Montag DNA-Tests vorgesehen: Die genetischen Daten werden mit denen von Familienmitgliedern und Verwandten abgeglichen.
16 abgestellte Fahrzeuge gefunden
Kontrollen auf den Straßen des Fedaia-Passes und auf den Parkplätzen rund um den Fedaia-See, von wo aus die Wanderwege zur Marmolata beginnen, ergaben, dass bei 16 Fahrzeugen die Besitzer noch nicht erreicht werden konnten. Somit versuchen die Carabinieri und die Rettungskräfte, die vermissten Bergsteiger zu identifizieren, indem sie die Nummernschilder mit den Buchungen der Unterkünfte in der Gegend abgleichen.
Wenig Hoffnung auf Überlebende
"Im Moment wissen wir nicht, ob die Autos den sechs Toten oder den Vermissten gehören. Das werden wir heute anhand der Berichte erfahren, die uns erreichen werden", erklärte der Präsident des Trentino, Maurizio Fugatti. Auch auf der Seite des Berges in der Provinz Belluno werden Kontrollen durchgeführt, da möglicherweise auch von diesem Hang Personen aufgestiegen sind. "Wir haben wenig Hoffnung, die Vermisste lebend zu finden", gab der Leiter des Trentiner Zivilschutzes, Raffaele De Col, zu.
Die Such- und Bergungsarbeiten an der Marmolata waren am Sonntagabend unterbrochen worden, weil die Gefahr bestand, dass weitere Eisblöcke abgehen könnten. Das gesamte Gebiet rund um den Gletscher wurde für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Suche nach den Vermissten wurde mit Drohnen fortgesetzt. Ministerpräsident Mario Draghi drückte den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid aus und ließ sich über die Rettungsmaßnahmen und die Ermittlungen auf dem Laufenden halten.
Masse stürzte mit 300 km/h auf Wanderer
Die vom Marmolata-Gletscher abgelöste Masse stürzte mindestens 500 Meter mit einer Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde auf zwei Seilschaften von Bergsteigern, berichteten die Experten der Alpinen Rettung. Die abgelöste Masse erstreckt sich über eine zwei Kilometer lange Front auf einer Höhe von etwa 2.800 Metern.
Temperaturrekord auf dem Gipfel
Die hohen Temperaturen der vergangenen Wochen könnten für das Unglück verantwortlich sein, vermuten Experten. Am Samstag war auf der Marmolata ein Temperaturrekord von zehn Grad am Gipfel gemessen worden, die Durchschnittstemperatur der vergangenen Jahre lag etwa bei sieben. Der Marmolata-Gletscher ist der größte in den Dolomiten und befindet sich auf der Nordseite der Marmolatagruppe. Diese liegt in den Provinzen Trient und Belluno.
(APA)
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.