Reinhard Bösch: Europa könnte Flüchtlingslager in Nordafrika mit Militär erzwingen

Die “Neue am Sonntag” interviewte den ehemaligen Landesparteivorsitzende und amtierenden Nationalratsabgeordnete der Vorarlberger FPÖ Reinhard E. Bösch zu den kommenden Landtagwahlen in Bayern und Vorarlberg, Brexit – und die Fluchtbewegungen aus Nordafrika nach Europa. Sein Lösungsvorschlag: “Wenn es nicht gelingt, Anlandeplattformen in Libyen oder anderen nordafrikanischen Ländern zu errichten, muss ein Raum in Besitz genommen werden.”
Militärische Besetzung auf Zeit
Umgangssprachlich gesagt: Wenn die Herkunftsländer die Flüchtlinge nicht aufnehmen wollen, müssten europäische Soldaten ein Gebiet in Nordafrika erobern, um dort Flüchtlingslager aufzubauen und zu bewachen. Dies bestätigt der Offizier der Reserve auf die Rückfrage der “Neuen”, ob er hier an europäischen Boden dachte: “Oder in Nordafrika. Dort könnte mit militärischen Kräften ein Raum in Besitz genommen werden. Dieser muss gesichert werden. Es braucht Versorgungseinrichtungen für die Flüchtlinge, die dann von dort in ihre Heimatländer zurückgebracht werden.” Bösch spricht damit von einem offensiven Vorgehen europäischer Truppen, was als Angriffskrieg verstanden werden könnte.
Rahmenbedingungen unklar
Unter welchen Voraussetzungen die europäischen Länder oder die Europäische Union selbst in Nordafrika militärisch aktiv werden sollte, bleibt dabei unklar. Derzeit sind europäische Soldaten, auch aus Österreich, in Nordafrika im Einsatz. Sie konzentrieren sich auf die Ausbildung von einheimischen Militäreinheiten, beispielsweise zum Anti-Terror-Einsatz. Die EU hätte mit den Battlegroups, gestellt von den Mitgliedsländern, theoretisch die erforderlichen militärischen Fähigkeiten für eine solche Mission. Gedacht ist sie jedoch in erster Linie nach Kapitel sieben der UN-Charta für friedenserhaltende Missionen, nicht für einen Krieg der EU.
Irritierte Reaktionen online
Auf den Vorschlag des Vorarlberger Abgeordneten der FPÖ gibt es zumindest in den sozialen Netzwerken erste Reaktionen. Bei den NEOS zeigen sich Landesvorstand Johannes Gasser und Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker irritiert, bei den Vorarlberger Grünen Klubobmann Adi Gross:
Fordert die FPÖ jetzt wirklich dass wir in Nordafrika einmarschieren? pic.twitter.com/dMwKX43i41
— Johannes Gasser (@derGasser) 3. September 2018
Weder die Grünen noch die Oppositionspartei SPÖ sparen inzwischen mit Kritik an den “Okkupationsfantasien”, wie es der ehemalige Grüne Nationalrat Harald Walser aus Vorarlberg bezeichnet.
Der Teutone Reinhard Bösch will also Nordafrika militärisch besetzen. Ein neuer Rommel ist das allerletzte, was wir brauchen und haben wollen. Soll seine kranken Okkupationsfantasien zu Hause im Keller ausleben. Sofortiger Rücktritt! https://t.co/e4ddZRQCpP
— Harald Walser (@haraldwalser) 3. September 2018
Noch ein Rücktritt wäre heute angebracht. FPÖ-Wehrsprecher Reinhard #Bösch möchte afrikanische Länder militärisch besetzen. https://t.co/HX15bvnO7H
— Daniel Steinlechner (@steinlechnerdan) 3. September 2018
Der extrem rechte FPÖ-Abg Bösch fordert den Einmarsch und Besatzung von Gebieten in Nordafrika durch europäische Truppen.
Sie reden jetzt wirklich vom Angriffskrieg. pic.twitter.com/dm9R1q3trM— Michel★Reimon (@michelreimon) 3. September 2018
Der Vorarlberger Schriftsteller André Pilz äußert sich ebenfalls zu dem Interview. Ähnlich kritisch nimmt Daniela Kickl, politisch aktive Cousine des Innenministers, die Meldung auf:
Der Vorarlberger #FPÖ-Nationalabgeordnete #ReinhardBösch will Krieg https://t.co/PHybJG8oXF
— André Pilz (@Andre_Pilz) 3. September 2018
Weil mir gerade Reinhard Bösch mit seinem Vorschlag zu Nordafrika untergekommen ist:
“Die Burschenschaft Teutonia, der er auch selbst angehört, hatte festgestellt, Deserteure seien ‘keine Helden, egal wie viele Denkmäler die rotgrüne Stadtregierung bauen’ lasse” (wikipedia) https://t.co/Vw4OFmuMNo
— Daniela Kickl (@Daniela_Kickl) 3. September 2018
Auch andere Nutzer der sozialen Netzwerken zeigen sich wenig begeistert von dem Vorschlag, Gebiete in Nordafrika militärisch zu besetzen. Die Vorarlberger Freiheitlichen wurden von VOL.AT um eine Stellungnahme angefragt.
Was haben solche Leut’ in der österreichischen Politik verloren?#FPÖ-NR Reinhard Bösch will “Raum Nord-Afrika mit militärischen Kräften in Besitz nehmen, um von dort aus zu operieren”.
Was meinen Sie dazu, Herr @sebastiankurz? Oder Sie Herr @vanderbellen?#TürkisBlau pic.twitter.com/AFabeG3uaX
— Sonja M. Lauterbach (@SolautSonja) 3. September 2018
Kritik aus dem Europaparlament
Kritik an den Vorschlägen kam aus dem Europaparlament. Michel Reimon, Mitglied des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Straßburger Parlament und Co-Delegationsleiter der österreichischen Grünen erklärte in einer Aussendung: “Hier träumt eine Regierungspartei vom militärischen Einmarsch in Nordafrika. Wie Putins Truppen auf der Krim sollen europäische Soldaten ein Gebiet in Nordafrika besetzen und Völkerrecht brechen. Die extreme Rechte ist jetzt rhetorisch nicht mehr bei der Abwehr von Menschen, sondern beim Angriffskrieg.” Bösch habe einen Eid auf die österreichische Verfassung und die Neutralität geschworen, “hat aber offensichtlich Rommel im Kopf”. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) und “Schweigekanzler” Sebastian Kurz (ÖVP) sollten klarstellen, dass dies nicht die Linie der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sei.
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