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Regierungs-Kritik am Sölden-Start - Jetzt wird der Weltcup-Auftakt politisch

Umweltministerin Gewessler zeigt sich skeptisch gegenüber dem anstehenden Ski-Weltcup-Auftakt in Sölden.
Umweltministerin Gewessler zeigt sich skeptisch gegenüber dem anstehenden Ski-Weltcup-Auftakt in Sölden. ©APA
Von Regierungsseite hat es Kritik am frühen Start in den Alpinski-Weltcup gegeben.

Sowohl Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) als auch ÖVP-Umweltsprecher Johannes Schmuckenschlager äußerten sich am Montag im Ö1-Journal skeptisch über die am Wochenende in Sölden angesetzten Rennen, die auf dem Rettenbachferner auf einem weißen Kunstschnee-Band über die Bühne gehen.

Das sagt die Umweltministerin

So meinte etwa Gewessler: "Wir haben im Oktober die heißesten Oktober-Tage gehabt, die bisher gemessen wurden. Da ist es für mich unverständlich, warum man auf Biegen und Brechen an einem Skistart im Oktober festhalten muss, weil das versteht wirklich keiner, warum jetzt in diesem Umfeld auf den letzten Gletscherresten schon Ski gefahren werden muss." Die FIS solle ihre Zeitpläne überdenken, forderte Gewessler.

Unverständnis auch bei der ÖVP

Unverständnis zeigte auch Schmuckenschlager, zumal die Bilder keine gute Werbung für den Tourismus seien. "Wenn dann die Bilder, die transportiert werden, auch keine Schneelandschaft transportieren, dann ist auch das natürlich zu hinterfragen. Ich glaube, wenn man ein bisschen nach hinten rückt und auch noch sozusagen vor den großen Ski-Openings dran ist, dann wären auch die Bilder entsprechend unterwegs", sagte Schmuckenschlager.

Ski-Legende Felix Neureuther spricht Klartext

Felix Neureuther (39) kritisiert den frühen Start in den Ski-Weltcup, weiß aber auch um die Problematik der Sportler. Sölden sie als Austragungsort und von der Organisation her perfekt, der Termin allerdings zu hinterfragen, so Neureuther im Interview.

Sölden und seine wiederkehrende Umweltdebatte

Das weiße Band in karger Geröll-Landschaft scheidet die Geister. Auch heuer könnte es beim traditionellen Start in den Ski-Weltcup in Sölden Ende Oktober zu sehen sein. Viral gingen im extrem heißen Sommer 2023 Bilder von Baggerarbeiten am schmelzenden Rettenbachgletscher. Notwendig und sogar nachhaltig sagen die einen, eine Katastrophe und Naturzerstörung die anderen.

Nicht zuletzt Greenpeace hatte den Skiort im Tiroler Ötztal, der sich selbst als "Herzschlag der Alpen" bezeichnet, scharf kritisiert. Der Vorwurf: Wegen des alpinen Skiweltcups würde der Gletscher abgetragen und so in eine fragile Natur eingegriffen. Der frühere Ski-Star Felix Neureuther etwa sprach von einer "Katastrophe für die Glaubwürdigkeit des Sports" und nannte die Bilder "sehr verstörend und einfach nicht mehr zeitgemäß".

Jakob "Jack" Falkner, der Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden und Chef des Weltcup-Organisationskomitees, nannte die Greenpeace-Vorwürfe im APA-Gespräch "böswillig". Es handle sich um normale und behördlich genehmigte Sanierungsarbeiten aufgrund des Rückgangs des Rettenbachgletschers, für eine auch dem normalen Wintersportler zugängliche Piste.

Ski-Stars mit Kritik an der Kritik

Zuletzt ergriffen auch aktuelle Skistars für Sölden Partei. "Ich finde es schwach, wie einseitig in gewisser Hinsicht berichtet wurde, weil nie hinterfragt wurde, warum es gemacht wurde", kritisierte Manuel Feller und lieferte seinen Erklärungsansatz gleich mit. Es habe sich um Instandhaltungsarbeiten gehandelt, damit Sölden in den nächsten Jahren weniger Schnee und Energie braucht, um die Piste zu füllen. "Es geht also um Nachhaltigkeit. Der Blick von Sölden ist weiter nach vorne gerichtet, auch wenn es natürlich katastrophal ausschaut", sagte Feller. Andererseits ist das Rückzugsgefecht der Gletscher laut dem Tiroler nicht mehr aufzuhalten. "In zehn Jahren wird es das Eis sowieso nicht mehr geben."

Der deutsche Abfahrer Thomas Dreßen widersprach den Vorwürfen der Zerstörung ebenfalls. Der von Sölden gesponserte Athlet wehrte sich dagegen, den Skisport als großen Umweltsünder darzustellen. "Wenn Kinder heimkommen aus dem Skiurlaub, dann werden die hingestellt als Klima-Kaputtmacher oder wie man das alles nennt. Das kann es nicht sein", sagte Dreßen. Flugreisen etwa seien deutlich klimaschädlicher. "Da sollten sich eher mal die hinterfragen, die einfach mal so für zwei Tage zum Saufen an den Ballermann fliegen", sagte Dreßen.

Tourismus vs. Umweltschutz

Touristische und kommerzielle Gründe werden auch für den frühen Saisonstart in Sölden angeführt. Wintertourismus und die Sportartikel- und Ski-Industrie kommen mit ihren Themen aus der Sommerpause retour in die mediale Öffentlichkeit. "Das sind die ersten Bilder des Schnees. Bilder erzeugen Emotion, Emotion ist Urlaub und insofern ist der Auftakt für uns immer wichtig", sagte Falkner, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Ötztal Tourismus und Mitglied der Adlerrunde ist, eines einflussreichen, ÖVP-nahen Unternehmerverbunds. Der Wintertourismus in Österreich erwirtschaftet etwa 15 Milliarden Euro, das Vorjahr schloss die Branche mit 69,3 Mio. Nächtigungen ab.

Sendet ein schmales Pistenband in grauer Landschaft aber tatsächlich Bilder, um Winterlust zu entfachen? So manche Skifirma pocht offiziell nicht (mehr) auf den Oktober-Start. "Wenn der Auftakt eine Woche oder zwei Wochen später ist, dann ist es vielleicht einfacher und mit weniger Aufregung verbunden", sagte Atomic-Geschäftsführer Wolfgang Mayrhofer. Falkner betonte, dass die Wetterverhältnisse im Oktober am Rettenbachferner stabiler als zu einem späteren Zeitpunkt seien. Zum Termin meint er: "Alternativlos ist gar nichts. Aber: Solange wir gute Rennen durchführen können, sehen wir keinen Grund, ihn nicht zu wählen."

Seit 1993 ist Sölden - zunächst unregelmäßig, seit 2000 jährlich - dazu auserkoren, auf 2.670 m (Ziel) Seehöhe den Winter einzuläuten. Mit der Temperaturabkühlung der letzten Tage liefen die Beschneiungsanlagen auf Hochtouren, zuvor karrten die Organisatoren wieder Schnee aus Depots, um eine erste Auflage und Sturzräume zu schaffen, wo bis vor Kurzem Geröll lag.

(APA)

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