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Regierung will Besserstellungen von Behinderten abblasen

Erwachsenenschutzgesetz soll nicht wie geplant in Kraft treten
Erwachsenenschutzgesetz soll nicht wie geplant in Kraft treten ©APA (Archiv)
Mit 1. Juli 2018 sollte ein Gesetz in Kraft treten, das Menschen mit Behinderung mehr Autonomie und Selbstbestimmung bringen sollte. Wie am Montag bekannt wurde, plant die Regierung eine Verschiebung dieses Erwachsenenschutzgesetzes mit der Begründung, dass dafür das Geld fehlt. Behindertenorganisationen und die SPÖ sind empört.

Für die Volksanwaltschaft ist eine Verschiebung der Umsetzung des Erwachsenenschutzgesetzes nicht vorstellbar. “Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist nicht nachvollziehbar”, sagte Volksanwältin Gertrude Brinek im Gespräch mit der APA am Montag.

“Die Finanzierung wurde vor einem Jahr zugesichert. Ich gehe davon aus, dass das gesetzeskonform umgesetzt wird”, so Brinek. Das Erwachsenenschutzgesetz, mit dem die pauschale Besachwalterung von Menschen mit Beeinträchtigungen durch abgestufte Formen der Vertretung mit mehr Autonomie und Selbstbestimmung ersetzt wird, “war das größte gesellschaftspolitische Projekt der vergangenen Legislaturperiode im Justizbereich”.

Österreich sei vom Ausland kritisiert worden, weil hierzulande zu viele Menschen besachwaltet und damit entmündigt seien. Das Gesetz müsse wie geplant am 1. Juli in Kraft treten. “Auf eine andere Variante will ich mich gar nicht einlassen”, sagte Brinek.

Das Gesetz, das im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen wurde, sollte das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Damit sollte die Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Es sind abgestuft Formen der Vertretung vorgesehen, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt. Die Kosten dafür hätten heuer 9,5 Mio. Euro betragen und wären in den nächsten Jahren kontinuierlich gesunken, 2019 auf acht Mio., 2020 auf sieben und 2021 auf nur mehr zwei Mio. Euro. Die Anfangskosten ergeben sich durch den Personalmehrbedarf, der allerdings bis 2022 durch den Abbau von gerichtlichen Erwachsenenvertretungen weitgehend zurückgehen wird, heißt es im Vorblatt zum Gesetz.

Die Behindertenvertreter sollen dem Vernehmen nach Montagfrüh von der Regierung darüber informiert worden sein, dass das Gesetz aus Geldmangel um zwei Jahre verschoben werden soll. Im Bundeskanzleramt und im zuständigen Justizministerium war für die APA vorerst niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

“Das angebliche Hinausschieben auf den St. Nimmerleinstag des Erwachsenenschutzgesetzes ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und jener, die seit Jahren für dieses Recht auf selbstbestimmtes Leben gekämpft haben”, kritisierte Ulrike Königsberger-Ludwig, SPÖ-Sprecherin für Menschen mit Behinderung. “Diese Menschen haben offenbar keinen Stellenwert mehr für diese Bundesregierung.” Mit ihrem Vorhaben lege die Bundesregierung “gesellschaftspolitisch wieder den Rückwärtsgang ein”, so die Abgeordnete.

“Was in den letzten Tagen die Runde macht, erschreckt uns nachhaltig”, zeigte sich Monika Schmerold vom Verein “Selbstbestimmt Leben Österreich” entsetzt. Mit einer Verschiebung des Gesetzes “blieben rund 60.000 Personen im alten System der Sachwalterschaft gefangen”, so Schmerold, die nachdrücklich auf Österreichs Verpflichtung im Rahmen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hinweist.

Bei der Staatenprüfung Österreichs zur Einhaltung der Konvention, im Jahr 2013, sei das System der Sachwalterschaft massiv kritisiert worden. Wenn das so bliebe, würde sich Österreich bei der nächsten Staatenprüfung 2019 “vollends blamieren”. Zuerst werde von der Regierung der Ausbau der Sonderschulen angekündigt und nun die Beibehaltung der Sachwalterschaft, zeigt man sich bei “Selbstbestimmt Leben” empört und fordert, “von dieser unsinnigen Idee Abstand zu nehmen und diese Menschenrechtsverletzungen nicht zu prolongieren”.

(APA)

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