Regierung entlassen? Diese Befugnisse hat der Bundespräsident

Sollte ein Bundespräsident diesen Schritt tatsächlich setzen, so könnte das zu einer "Regierungskrise" führen, sagte Verfassungsrechtler Gerhard Muzak zur APA.
Bundespräsident kann Regierung entlassen
Bereits im Jahr 2016 bezeichnete der emeritierte Verfassungsrechtler Theo Öhlinger Gedankenspiele über die Entlassung der Regierung oder die Auflösung des Nationalrates durch den Bundespräsidenten als "Machtfantasien, die keinen realen Hintergrund haben". Muzak, Professor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, pflichtete dieser Einschätzung im aktuellen APA-Gespräch bei.
BP-Kandidaten Grosz und Wallentin liebäugeln mit der Möglichkeit
Im Wahlkampf zur kommenden Präsidentschaftswahl am 9. Oktober hatten mehrere Kandidaten (im Falle ihrer Wahl) die Entlassung der gesamten Regierung ins Spiel gebracht - ein Vorgang, der bisher noch nie vorgekommen ist. Jedenfalls so vorgehen würde etwa Kandidat und Ex-FPÖ/BZÖ-Politiker Gerald Grosz. Auch FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz liebäugelte wiederholt mit dieser Möglichkeit. Und Kandidat und Rechtsanwalt Tassilo Wallentin wies zumindest wiederholt auf diese Kompetenz des Präsidenten hin - auch wenn er anfügte, dass er zuvor der Regierung noch die Chance geben würde, Lösungen anzubieten.
Die Befugnisse des Bundespräsidenten in Österreich
Die Kompetenzen des Bundespräsidenten waren im Jahr 1929 mittels Verfassungsnovelle erweitert worden. Diese brachte eine von vier auf sechs Jahre verlängerte Amtsperiode und eben die Möglichkeit, die Regierung zu entlassen sowie (auf Vorschlag der Regierung) den Nationalrat aufzulösen.
"Man muss dazu sagen, dass das Befugnisse sind, deren Ausübung wahrscheinlich zu einer Regierungskrise führen würde", sagte Muzak zur Möglichkeit der Regierungsentlassung. Ein verantwortungsvoller Bundespräsident würde das wohl nicht leichtfertig tun, so der Wissenschaftler.
Wie funktioniert die Entlassung einer Regierung?
Eine Entlassung der gesamten Regierung (nicht aber einzelner Minister, dies geht nur auf Vorschlag des Kanzlers) könne der Präsident jederzeit veranlassen, er brauche keinen besonderen Grund dazu. Allerdings gelte es auch die Folgen eines solchen Aktes zu bedenken: "Wenn der Bundespräsident eine Regierung entlässt, braucht man eine neue Bundesregierung - die muss er ernennen." Wichtig sei, dass die Bundesregierung das Vertrauen des Nationalrates genießt - "und in dieser Situation wird das nicht der Fall sein, das würde also zu gröberen politischen Differenzen führen. Es ist zu erwarten, dass der Nationalrat dieser (vom Präsidenten gebildeten, Anm.) Bundesregierung das Misstrauen aussprechen wird." Dadurch wäre dann der Bundespräsident wiederum verpflichtet, diese neuen Regierung - die er gerade erst angelobt hat - wieder ihres Amtes zu entheben."
Auch Bundespräsident könnte abgesetzt werden
Außerdem könnte ein solches Vorgehen in weiterer Folge zur Absetzung des Bundespräsidenten führen, gab Muzak zu bedenken. Dieser Vorgang wäre freilich nicht allzu einfach. Notwendig dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, um die Bundesversammlung einzuberufen. Diese kann dann eine Volksabstimmung über die Absetzung des Bundespräsidenten beschließen.
Das Volk würde dann über die Absetzung des Präsidenten abstimmen. Freilich ist dieses Vorgehen ein für die Abgeordnete sehr riskanter Weg: Denn sollte das Volk die Absetzung des Präsidenten ablehnen, gilt der Nationalrat als aufgelöst, Neuwahlen im Bund wären die Folge. Darüber hinaus gilt dies als Neuwahl des Präsidenten (wobei insgesamt eine Amtsperiode von zwölf Jahren nicht überschritten werden darf).
Neben der Möglichkeit über einen Volksabstimmung sieht die Verfassung noch eine zweite Möglichkeiten für die Absetzung des Bundespräsidenten vor, nämlich eine Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung der Bundesverfassung.
Ernennung des Bundeskanzlers und der Minister
Zur ebenfalls immer wieder diskutierten Ablehnung von einzelnen Ministern durch den Bundespräsidenten bei der Angelobung sagte Muzak, dass man hier natürlich schon im Vorfeld verhandle. Rein rechtlich ist es so, dass der Bundespräsident zuerst den Bundeskanzler ernennt - rechtlich ist er dabei frei, "politisch ist es allerdings ratsam, jemanden zu nehmen, der das Vertrauen des Nationalrates genießt". Der Bundeskanzler schlägt dann die weiteren Minister vor. "Es kann natürlich die Situation entstehen, das der Bundeskanzler wirklich jemanden vorschlägt, mit dem der Bundespräsident nicht einverstanden ist." Er muss diesen Minister auch nicht ernennen, braucht aber einen neuen Vorschlag - oder kann den Bundeskanzler wieder entlassen. "Szenarien, die im normalen politischen Alltag nicht eintreten", so Muzak.
Im Jahr 2000 zeigte sich, wie eingeschränkt der Einfluss des Präsidenten bei der Regierungsbildung de facto ist: Während der von Bundespräsident Thomas Klestil präferierte Sozialdemokrat Viktor Klima "Sondierungsgespräche" führte, verhandelte die ÖVP nach der 1999er Wahl mit der FPÖ und stellte Klestil schließlich vor vollendete Tatsachen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die schwarz-blaue Koalition im Februar 2000 gegen seinen Willen anzugeloben. Klestil blieb es nur noch vorbehalten, zwei Freiheitliche von der Ministerliste zu streichen.
De facto kann der Präsident bei der Regierungsbildung nicht gegen den Willen der Parlamentsmehrheit agieren, da der Nationalrat jede Regierung mit einfacher Mehrheit kippen kann (mittels Misstrauensantrag).
Ibiza-Affäre: Entlassung von Innenminister Kickl
Als "einzigartig" in der Zweiten Republik bezeichnet Muzak die Vorgänge in Folge der Ibiza-Affäre. Bundespräsident Alexander Van der Bellen folgte 2019 dem Vorschlag des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zu entlassen. In Folge baten dann auch alle FPÖ-Minister um ihre Amtsenthebung.
Eine der zentralen Funktionen des Bundespräsidenten neben dem Abschluss von Staatsverträgen ist die Überprüfung des verfassungsmäßigen Zustandekommens der Bundesgesetze, wobei hier keine inhaltliche Beurteilung vorgesehen ist. Darüber hinaus obliegt dem Bundespräsidenten u.a. die Vertretung der Republik nach außen, er ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres und ist zuständig für Begnadigungen.
(APA/Red)
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