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Regierung über E10 uneinig

Die Diskussion über den umstrittenen deutschen Treibstoff E10 ist nun auch in Österreich angekommen. Die Regierung ist sich über die weitere Vorgangsweise uneinig.
Während Landwirtschafts- und Umweltminister Niki Berlakovich (V) den “Benzin mit Ackerfrüchten” bereits im Herbst 2012 einführen will, hat es die SPÖ nicht eilig. Verkehrsministerin Doris Bures (S) betonte, aus ihrer Sicht gehörten Lebensmittel auf den Teller und nicht in den Tank. Ein klares Nein zur E10-Einführung vermied sie aber nach dem Ministerrat. Zurückhaltend gab sich auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V).

Klare Worte hingegen kamen von den Grünen: “Die Ankündigung von Minister Berlakovich vor dem Ministerrat, dass E10 ab Herbst 2012 auch in Österreich auf dem Markt sein soll, klingt wie eine gefährliche Drohung für die Umwelt und darf auf keinen Fall umgesetzt werden”, fordert Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber. Der Anbau von Energiepflanzen führe zu industriellen Monokulturen, zu einem massiven Einsatz von Düngemitteln und zu einer weiteren Verteuerung der Lebensmittelpreise – während gleichzeitig eine Milliarde Menschen hungere.

Berlakovich wiederum sieht das anders. Hier würden “Horrorszenarien” gezeichnet, um die Menschen zu verunsichern. Öl stehe vor einer Preisexplosion und komme aus Krisenregionen, gab er zu bedenken. Biosprit hingegen würde stabile Preise und mehr Klimaschutz garantieren. “Ich lasse mir nicht die Menschen von der Öl-Lobby verängstigen – damit muss Schluss sein”, so der Minister zur APA.

Mineralölindustrie und Autofahrerclubs erinnerten am Dienstag an die Mehrkosten, die beim Zusatz von Nahrungs- und Futtermitteln entstehen würden. Diese Mehrkosten könnten, wie schon jetzt auch, durch eine steuerliche Erleichterung aufgefangen werden. Die Kosten dafür landen dann aber bei den Steuerzahlern und nicht nur den Autobesitzern. Der ARBÖ warnte außerdem vor Plänen, Eurosuper nach der Einführung von E10 in Österreich nicht mehr anzubieten. Wer E10 nicht tanken könne oder möchte, müsse dann zum teureren Super Plus greifen. Der ÖAMTC regt in diesem Zusammenhang an, dass es künftig E5 und E10 geben solle.

Der “Biosprit”, der schon jetzt im Ausmaß von fünf (Benzin) bzw. sieben Prozent (Diesel) in Österreich zugesetzt wird, steht nicht nur wegen der Mehrkosten, sondern auch wegen dem umstrittenen ökologischen Nutzen in der Kritik. Befürworter hatten hier immer betont, dass die Rohstoffe für Ethanol in Österreich ohnehin im Inland nach strengen Kriterien hergestellt werden. Auf APA-Nachfrage hieß es vom wichtigsten Ethanol-Produzenten Agrana, dass 60 Prozent des Mais und Weizen aus Österreich kommen und 40 Prozent aus dem Ausland, primär aus den osteuropäischen Nachbarstaaten. Gleichzeitig exportiert die Agrana Ethanol nach Deutschland oder Rumänien.

Für den Anbau in Österreich werden – ohne den Biospritanteil beim Diesel – rund 50.000 Hektar Ackerfläche vewendet (Anm.: 1 Hektar entspricht 10.000 Quadratmeter). Laut Agrana sind etwa 75 Prozent der gesamten Fläche für den Rohstoffbedarf nutzungsneutral, da auf diesen 75 Prozent statt Ethanolgetreide Eiweißfutterpflanzen (zB. Soja) angebaut werden müssten, um die gleich Menge Eiweißfutter, die in der Bioethanolherstellung als Nebenprodukt erzeugt wird, zu produzieren.

Die heimische Mineralölindustrie plädierte heute auf Anfrage der APA für eine spätere Einführung von E10 in Österreich. “Der Einführungszeitpunkt von E10 könnte problemlos vom 1. Oktober 2012 auf 1. Oktober 2014 verschoben werden”, hieß es vom Fachverband der Mineralölwirtschaft. Autofahrern, die in Deutschland unterwegs sind, empfiehlt der Verband eine Rückfrage beim Autohersteller oder beim Händler, ob der Motor E10 verträgt.

Kritik an den Agrotreibstoffen kommt aktuell von der UNO. Die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hat in ihrem am gestrigen Montag veröffentlichten Ernährungs- und Landwirtschaftsreport (SOFA) festgehalten, dass die Produktionskosten in der Landwirtschaft aufgrund gestiegener Nachfrage durch die Schwellenländer und den Biosprit gestiegen sind. Dadurch würden sich die Lebensmittelpreise im nächsten Jahrzehnt weiter erhöhen. Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der deutschen Commerzbank, wiederum gab in einem Gespräch mit dem deutschen Nachrichtensender n-tv zu bedenken, dass jetzt schon 40 Prozent der US-Maisproduktion in der Ethanolerzeugung landen.

Einmal mehr hat sich auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) kritisch zum Sprit vom Acker geäußert. Studien zeigten, dass “Biofuels” in ihrer Gesamtbilanz sogar klimaschädlicher sein können als herkömmliche Treibstoffe. Eine Studie des Instituts für Europäische Umweltpolitik zeige, dass für die Herstellung dieser Spritmenge eine zusätzliche Anbaufläche für Energiepflanzen im Ausmaß von 41.000 bis 69.000 Quadratkilometer nötig wäre.

Egal wie sich die Regierung festlegt, am Ende des Tages bleibt der Autofahrer über. Der deutsche Automobilclub ADAC warnt jedenfalls, dass für Motorschäden durch E10 der Fahrzeugbesitzer verantwortlich ist. Zudem müssten Autofahrer wegen der E10-Verunsicherung mit einem höheren Benzinpreis rechnen. Hintergrund ist, dass in vielen Raffinerien wegen der Kaufzurückhaltung Kosten entstehen – etwa für Lagerhaltung und Überstunden der Mitarbeiter. Die dürften letztlich auf die Autofahrer abgewälzt werden, vermutet der ADAC. (APA)

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