In fast allen 10.000 Wahllokalen hatten deutlich mehr Bürger ihre Stimme abgegeben als vor vier Jahren, so dass eine Beteiligung von mehr als 80 Prozent erwartet wurde.
Der scheidende Ministerpräsident Wim Kok rief die zwölf Millionen Wahlberechtigten in einem letzten Appell dazu auf, die Leistungen der Regierung zu würdigen, die den Niederlanden acht Jahre lang Wachstum und Wohlstand beschert hätten. Der Sozialdemokrat erklärte die Wahl zur Abstimmung über sein politisches Erbe.
Für die Koalitionsparteien der Mitte-links-Regierung wurde jedoch eine klare Niederlage erwartet. Hingegen konnte die Liste des fremdenfeindlichen Politiker Fortuyn nach letzten Meinungsumfragen auf Anhieb zur zweitstärksten politischen Kraft aufsteigen. Angeführt wurden die Umfragen vom Christlich-Demokratischen Appell (CDA), für den 35 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt wurden. Dahinter folgen die Liste Pim Fortuyn (LPF), Koks Partei der Arbeit (PvdA) und die liberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Diese drei Parteien können mit jeweils 24 bis 26 Sitzen rechnen. Für die dritte Partei in der bisherigen Regierungskoalition, die linksliberalen Demokraten ’66 (D66) wurden etwa acht Mandate erwartet. Insgesamt bewarben sich Kandidaten aus 15 Parteien um den Einzug ins Parlament.
Bei einem solchen Ergebnis stehen den Niederlanden schwierige Koalitionsverhandlungen bevor. Nur ein Bündnis von drei Parteien hätte im 150-köpfigen Parlament eine tragfähige Mehrheit. Die besten Aussichten auf das Amt des nächsten Ministerpräsidenten haben der CDA-Vorsitzende Jan Peter Balkenende und VVD-Vorsitzender Hans Dijkstal. Der 46-jährige Balkenende ist ehemaliger Professor für christliche Philosophie und wurde erst im Oktober vergangenen Jahres an die Spitze der Christdemokraten gewählt. Koks gewählter Nachfolger in der PvdA, Ad Melkert, steht hingegen in den eigenen Reihen unter Druck, da er für den starken Rückgang der Partei in den Meinungsumfragen verantwortlich gemacht wird.
Überschattet wurde die Wahl vom Mordanschlag auf Fortuyn am 6. Mai. Nach dem von allen Parteien verurteilten Attentat wurde der Wahlkampf weitgehend eingestellt. Politiker der Fortuyn-Liste machten jedoch die linken Parteien für ein Klima verantwortlich, das die Bluttat erst ermöglicht habe. Als Tatverdächtiger wurde der Umwelt- und Tierschutzaktivist Volkert von der Graaf festgenommen.
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