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Rechtsextreme Szene formiert sich neu

Österreich - Die rechtsextreme Szene in Österreich dürfte sich neu formieren. Laut Rechtsextremismus-Experte und Buchautor Wolfgang Purtscheller gruppiert sich eine Kommandostruktur.   | Hintergründe

Nach Jahren der Agonie durch die Zerschlagung der neonazistischen Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) und der Inhaftierung ihrer führenden Mitglieder zeigen sich auf mehreren Ebenen wieder intensive Aktivitäten. Laut Rechtsextremismus-Experte und Buchautor Wolfgang Purtscheller gruppiert sich eine Kommandostruktur, zu deren harten Kern etwa 15 Personen zu rechnen sind, um den früheren VAPO-Chef Gottfried Küssel. Darunter gibt es mehrere Organisationen, die für verschiedene Teilbereiche der politischen Agitation zuständig sein dürften.

An seiner Wohnadresse in einem Haus am Donaukanal in Wien-Leopoldstadt, das dem ebenfalls bekannten Rechtsextremisten Willi E. gehört, hält Küssel regelmäßig Treffen seiner Kaderorganisation ab. „Sängerbund das Reich“ oder „Ferialverbindung das Reich“ wird diese genannt. „Das Reich“ war auch der Name einer NS-Wochenzeitung sowie einer Division der Waffen-SS.

Regelmäßig sollen an den Treffen der Organisator der Demo gegen die Wehrmachtsausstellung 2002, Clemens O., weiters die bekannten Aktivisten Christoph B. und Marcus V. teilnehmen. Gelegentlich sollen sich auch Küssels um rund fünf Jahre jüngerer langjähriger Kompagnon Hans Jörg Sch. und ein erst kürzlich durch seinen verlorenen Rechtsstreit gegen die Besetzer des Ernst Kirchweger-Hauses (EKH) bekannt gewordener Inhaber einer Security-Firma dazu gesellen.

„Definitiv haben auch die Führungskader der Vorarlberger Nazi-Skinhead-Sektion von ’Blood and Honour’ Zugang“, so Purtscheller im Gespräch mit der APA. „Küssel hat die Personen mit Zugang zu diesem Kreis, anders als früher, diesmal sehr stark selektiert.“ Diese Zusammenkünfte dürften nach APA-Informationen auch die Verfassungsschützer beunruhigen.

Drei Organisationen dürften diesem inneren Kreis nachgeordnet sein: der vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes als neonazistisch eingestufte Bund freier Jugend (BfJ) in Oberösterreich, der Nachwuchs rekrutieren soll, dessen Mutterorganisation, die für die Ideologie zuständige Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP), und das vor allem in Vorarlberg stark vertretene „Blood and Honour“-Netzwerk, in dem die militant-neonazistische Skinheadszene organisiert ist. Vor allem der BfJ ist allerdings in jüngster Zeit ins Visier der Verfassungsschützer geraten.

Im März sind drei führende Kader des BfJ in Oberösterreich verhaftet worden, nachdem der von der Organisation veranstaltete „Tag der Volkstreuen Jugend in Salzburg“ aufgelöst worden war. Gegen sie läuft eine Voruntersuchung des Landesgerichtes Wels. „Da zeigt sich eine neue Qualität: Früher wären solche Organisationen durch die Verhaftung dreier führender Köpfe erledigt gewesen. Der BfJ blieb aber handlungsfähig, wie man durch diverse Flugblattaktionen (vor allem gegen das Verbotsgesetz, Anm.) gesehen hat“, erläuterte Purtscheller.

Unter Mitwirkung des BfJ soll unter dem Motto „Gesinnungsterror“ auch eine Homepage gegen das Verbotsgesetz entstanden sein. Deren Besitzer ist ein Mitinhaber eines rechtsextremen Internet-Versandes in Nordrhein-Westfalen. Zudem soll es Purtscheller zufolge personelle Überschneidungen mit dem Ring Freiheitlicher Jugend in Oberösterreich geben.

Der BfJ gilt als Jugendorganisation der AFP. Zunächst hieß er auch AFP-Jugend. Die Arbeitsgemeinschaft selbst gibt es Purtscheller zufolge seit 40 Jahren und dürfte für das ideologische Unterfutter in der Arbeitsteilung zuständig sein. Doch sie dürfte jetzt ebenfalls im Zuge der Ermittlungen gegen den BfJ in das Visier der Verfassungsschützer geraten sein. Auf einer rechtsextremen Homepage wird von mehr als 20 Hausdurchsuchungen bei AFP-Aktivisten gesprochen, darunter auch bei dem Vorsitzenden Horst L.

Die dritte Schiene ist das „Blood and Honour“-Netzwerk. In der österreichischen Division ist vor allem die Vorarlberger Sektion stark. Sympathisanten-Gruppen gibt es in Wien und Tirol, so Purtscheller. Ein Versuch, in Wien eine Sektion aufzubauen, sei vor zwei Jahren gescheitert. Nach heftigen Querelen gebe es jetzt neue Ansätze dazu. Treffen beinahe aller beteiligter Organisationen sollen weiterhin in Wien-Ottakring im AFP-Heim stattfinden.

Im Innenministerium sieht man die Entwicklungen in der Szene eher gelassen: „Wir glauben, dass wir die Szene ganz gut im Überblick haben“, sagte Innenministeriums-Sprecher Oberst Rudolf Gollia auf APA-Anfrage. Details wollte er nicht nennen.

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