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Rauhnächte

Adelheid Mutterblick hatte ein News-Manko. Sie war am Neujahrsnachmittag um 17 Uhr mit FreundInnen zur Resterljause geladen. Es gab trockenen Kuchen vom Vortag, kalten Braten und Keksreste des Sylvesterbuffetts. Vorsorglich hatte die Gastgeberin Heike Schwinghammer die zerknitterten Rostbratwürstl in Rädchen aufgeschnitten und sie unter die italienischen Salatreste gemischt, dazu etwas Tommy Mayonnaise und viel Schnittlauch. Aufgeblähte Semmel aus der Tiefkühltruhe ließen vergessen, dass nicht alles Servierte frisch war. Auch die Frauenrunde war nicht mehr ganz frisch. Frau interessierte sich nicht mehr für sich selbst sondern vor allem für die Andern. Ausgetauscht wurden Neuigkeiten, infiziert mit eigenen Vermutungen. Adelheid Mutterblick war es leider nicht gelungen herauszubringen, wie es Franz Herbert geht, dafür wusste Barbara Fleischer, dass die über 50-jährige Valeska Meier bereits mehrmals mit einem jungen Mann gesehen worden, der am Hals tätowiert ist. Von Tätowierungen hielten sie alle nichts. „Wie kann man sich am Hals tätowieren lassen“ erregte sich Monika Humpeler-Öksel, seit kurzem geschieden, sie könne sich da höchstens einen Lutschfleck vorstellen. Damen-Lachsalve.

Jetzt kompensierte Adelheid Mutterblick ihre Newsnot mit einem gewagten Natursektwitz. Der kam an. Spitzes Gekicher. Dann wechselte das Thema auf den schon so früh verstorbenen Chef des Bioladens, auf die Beziehungskrise von Danka Kleinbrod, zuletzt auf die Erbschaft der noch immer alleinstehenden Kirsten Metzler. Wer einen Sohn mit Karriere hatte, erzählte ganz beiläufig davon, wer keinen solchen hatte, brachte die Rede rasch auf das Wetter oder den fehlenden Schnee. Dann kam, weiß Gott wie, das Thema auf den Zanzenberg, auf dem, erzählte Claudia Anita Mader, in der Sylvesternacht eine Erscheinung gewesen sei. Kurz nach Mitternacht sei dort, sie habe grad auf der Terrasse Walzer getanzt mit ihrer Freundin, weil ihr Freund Karl Anton Hotzle grad von seinen Kindern, die heuer bei seiner Ex Margret Bächle feierten, angerufen worden war, ein gespenstisches Licht erschienen. Binnen 10 Sekunden sei daraus ein weithin sichtbarer dreigliedriger Kaktus aus grünen Neonröhren gewachsen.

Heike Schwinghammer, deren Ehemann erfolgreich Kettensägen verkauft und Barbara Fleischer, die seit kurzem den Aging-services-management-FH-Bachelor innehat, schüttelten den Kopf und sagten „Ah komm hör uf!“ und „Etzt mach abor an Punkt!“.

Claudia Anita Mader machte ihn, entpuppte sich vor allen binnen Sekunden zum Schmetterling und flatterte der Frauenrunde als Schwalbenschwanz davon. Wo sie gesessen stand in Blütenstaub geschrieben: “My life doesn’t please me, so I create my life” (Coco Channel). Die Zurückgebliebenen empfanden das als ein unmögliches Benehmen von Claudia Anita.

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