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Rätselraten über Blochers Konkordanzfähigkeit

Auch nach seinem Aufstieg in die Schweizer Regierung wird Christoph Blochers „Konkordanzfähigkeit“ angezweifelt. Jedenfalls muss der „Volkstribun“ für sich eine neue Rolle finden.

Er, der die gesamte „politische Klasse“ durch den Kakao gezogen habe, sei jetzt selber Teil davon. Je nach dem Ressort, das er Anfang nächsten Jahres zugeteilt erhalte, könne der neue Bundesrat mit seiner eigenen Schweizerischen Volkspartei (SVP) oder seiner „Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz“ (AUNS) in Konflikt kommen, meinen die Politologen.

„Blocher ist ein erfahrener Politiker und erfolgreicher Unternehmer“, seine neuen Ministeraufgaben werde er durchaus meistern, sagt Claude Longchamp vom GfS-Forschungsinstitut. Zweifel an der Konkordanzfähigkeit des SVP-Politikers hegen dagegen die Politologen Regula Stämpfli und Pascal Sciarini.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die ihren zweiten Bundesratssitz an die SVP verloren hat, könnte sich jetzt einerseits als „unkonventionelle Vordenkerpartei“ profilieren, andererseits zum „sozial-liberalen Gewissen“ des Landes werden. Gelinge ihr das nicht, würde sie als ländlich-konservative Interessenpartei nur mehr eine sekundäre Rolle auf nationaler Ebene spielen.

Welchen Weg die CVP auch wähle, wichtig sei eine Neuorientierung, sagt Longchamp. Dazu gehöre, dass sie ihr katholisch-konservatives Image ablege. Parteichef Philipp Stähelin, dem ein Looser-Image anhaftet, hat bereits seinen Rücktritt angekündigt. Der Lausanner Politikwissenschaftler Pascal Sciarini sieht langfristig für die CVP eine Chance, wenn sich die Polarisierung zwischen Links und Rechts weiter verstärkt. Dann könne sie sich als Zentrumspartei profilieren.

SVP und Sozialdemokraten (SP) dürften künftig noch mehr mit dem Instrument des Referendums Politik machen. Das politische System der Schweiz lässt es zu, dass Regierungsparteien bei bestimmten Themen eine andere Haltung als die Regierung einnehmen, so Longchamp. Problematisch werde dies bloß dann, wenn eine solche Politik darauf abziele, das System aus den Angeln zu heben. Für die SP könnten Referenden ein geeignetes Mittel sein, den rechtsbürgerlichen Kurs der Regierungsmehrheit zu korrigieren.

Einig sind sich die eidgenössischen Politologen in der Diagnose, dass die Bundesratswahl einen gesellschaftspolitischen Rückfall in die Sechzigerjahre darstellt. Für Longchamp sind die Frauen die eigentlichen Verliererinnen, nicht nur wegen der Abwahl der CVP-Justizministerin Ruth Metzler. Diese sei von der Rechten „abserviert“ worden. Ein solches Vorgehen sei umso schwerer zu verdauen für die Frauen, weil diese in den kantonalen und kommunalen Exekutiven in letzter Zeit eher Fortschritte erzielt hätten.

Nach der Wahl Blochers habe die Rechte Morgenluft gewittert. So sei es möglich geworden, dass auch die Freisinnige Christine Beerli eine Niederlage habe einstecken müssen; nicht sie, sondern der rechtsgerichtete FDP-Ordnungspolitiker Hans-Rudolf Merz wurde (als Nachfolger von Kaspar Villiger) in den Bundesrat gewählt. Theoretisch hätten SP und CVP die Kür von Merz verhindern können, sagt Andreas Ladner, Politologe an der Universität Bern. SVP und FDP waren aber in der Bundesversammlung geschlossener aufgetreten.

Für die Sozialdemokraten könne der Rechtsruck letztlich von Vorteil sein, glaubt Ladner. Sie könnten die Bürgerlichen für künftige Regierungsentscheide verantwortlich machen und damit bei der Wählerschaft punkten. Überraschend sei angesichts des Rechtsrucks die „Botschaft“ der Bürgerlichen an die SP: Sie wollten in Finanzfragen einen rechtsbürgerlichen Kurs einschlagen, die Sozialdemokratie aber als Vertreterin der anderen Seite im Bundesrat wissen. Ob daraus etwas Neues entstehe, müsse sich erst weisen.

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