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Rat von Anwältin Eva Müller: "Brechen Sie das Schweigen!"

Dr. Eva Müller vertrat die junge Pflegemutter, die über VOL.AT mit einer erschütternden Geschichte über Gewalt an Frauen an die Öffentlichkeit trat.
Dr. Eva Müller vertrat die junge Pflegemutter, die über VOL.AT mit einer erschütternden Geschichte über Gewalt an Frauen an die Öffentlichkeit trat. ©Müller
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Anwältin Dr. Eva Müller vertrat jene junge Frau vor Gericht, die - wie berichtet - jahrelang mit einem drogensüchtigen Gewalttäter eine Beziehung führte. Im VOL.AT-Gespräch spricht Müller über das vermeintlich milde Urteil und ermutigt Frauen, denen es ähnlich ergeht, ihr Schweigen zu brechen.
"Er wird es wieder tun"

"Der Beschuldigte wurde wegen Körperverletzung sowie Hausfriedensbruch verurteilt. Im konkreten Fall war die Tat mit einer maximalen Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Das Urteil – Freiheitsstrafe von sechs Monaten (unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen) sowie Geldstrafe von 480 Tagessätzen (im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 240 Tagen) – ist rechtskräftig", erklärt Rechtsanwältin Eva Müller von der Frastanzer Kanzlei Dr. Ettefagh & Dr. Müller gegenüber VOL.AT.

Bei „Beziehungsgewaltdelikten“ sei es oft so, dass nur die Spitze des Eisbergs zur Anklage käme, sei es, weil länger Zurückliegendes nicht mehr nachweisbar sei oder das Opfer der Gewalt nicht alles angebe. "Für das Opfer ist es dann schwer verständlich, dass nur ein bestimmter Vorfall verhandelt wird und die Strafe aus Sicht des Opfers zu mild ausfällt. Im konkreten Fall hätte ich mir jedoch aufgrund der Vorstrafenbelastung des Verurteilten auch ein strengeres Urteil gewünscht", übt die Strafverteidigerin Kritik an der Justiz.

Spürbare Verschärfung der ausgesprochenen Sprachen

Die Vielzahl der Gewaltverbrechen gegenüber weiblichen Opfern hat in den vergangenen Jahren im Allgemeinen zu einer spürbaren Verschärfung der ausgesprochenen Strafen geführt, laut meinen Erfahrungen speziell bei jüngeren Strafrichter/Innen. Auch die Opferrechte wurden sukzessive ausgebaut und ganz viele Bestimmungen helfen den Opfern, das Strafverfahren als weniger belastend zu erleben. Speziell die Opferschutzeinrichtungen stärken die Opfer unmittelbar nach der Tat und sind eine große Hilfe für diese, sowohl vor, während als auch nach dem Strafverfahren. Wenn es zu einem Strafverfahren kommt, werden in der Regel Anwälte von der Opferschutzeinrichtung beauftragt, die das Opfer rechtlich beraten und begleiten, ohne dass für dieses Kosten anfallen.

APA.

Lücken im Strafrecht?

Nach wie vor gebe es aber auch Bereiche mit Verbesserungsbedarf. So biete das Strafrecht keine ausreichende Möglichkeit, die psychische Gewalt zu sanktionieren. "Die Folgen der psychischen Gewalt sind für ein Opfer in den meisten Fällen aber schlimmer als die Folgen der körperlichen Gewalt. Auch bei der Bemessung des Schmerzengeldes werden die psychischen Folgen viel zu wenig beachtet bzw. bagatellisiert. Eine Sanktionierung von psychischer Gewalt durch das Strafrecht wäre ein wichtiges Signal, sowohl für die Opfer als auch für die Täter", führt Anwältin Eva Müller fort.

Dr. Eva Müller vertrat das Opfer, das über VOL.AT an die Öffentlichkeit trat. ©Müller

Rechtlichen Rat einholen und Anzeige erstatten

Außerdem richtet sie einen dringenden Appell an alle Betroffenen: "Ich kann Opfern von Gewalt nur raten, das Schweigen zu brechen und sich mit professioneller Hilfe zur Wehr zu setzen, das heißt, Opferschutzeinrichtungen aufzusuchen, rechtlichen Rat einzuholen und möglichst ohne Verzug eine Anzeige zu erstatten. Schweigen verlängert das Leiden des Opfers und je länger jemand in der Opferrolle bleibt, desto schlimmer wird diese Situation."

Explosive Situation hat sich nach der Klage oft beruhigt

Außerdem möchte die ambitionierte Juristin den Betroffenen Mut machen: "Die Angst der Opfer, dass sich der Täter für die Anzeige oder nach einer Verurteilung revanchieren könnte, sei emotional nachvollziehbar, war aber in keinem der Fälle, die ich bearbeitet habe, begründet. Ganz im Gegenteil war es vielfach so, dass sich durch die Anzeige explosive Situationen beruhigt haben, weil den Tätern der Ernst der Situation bewusst wurde und auch nach dem Urteil die Verbrecher auf Distanz zu den Opfern blieben."

(VOL.AT)

Kontaktinfos für Betroffene

ifs Gewaltschutzstelle,
Johannitergasse 6, Feldkirch
Telefonnummer: 05-1755-535
Web: www.ifs.at

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