"Unsere westlichen Kollegen denken immer noch in Kategorien des vergangenen Jahrhunderts, sie behandeln andere Länder wie Kolonien", sagte Putin und betonte, nichts in der internationalen Politik werde so sein, wie es einmal gewesen sei.
Trotz beispielloser westlicher Sanktionen gegen Russland sieht Putin die Rohstoffgroßmacht auf einem Erfolgskurs. Die 2020er-Jahre sollten zu einer Zeit der "Festigung der wirtschaftlichen Souveränität für Russland" werden, schrieb Putin zuvor in einem Grußwort an die Teilnehmer des 25. St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum. Wegen eines Hackerangriffs auf das Wirtschaftsforum verzögerte sich die geplante Rede Putins zu Sanktionen am Freitag, teilte der Kreml mit.
Russland spricht von Hackerangriff
Es habe eine Cyberattacke auf das Einlasssystem gegeben, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die für 13.00 Uhr MESZ geplante Rede wurde demnach um eine Stunde nach hinten verlegt. Es habe eine sogenannte "Denial-of-Service"-Attacke auf des Akkreditierungssystem gegeben, wie der Kreml mitteilte. Bei dieser Art von Hackerangriffen wird ein Server gezielt mit so vielen Anfragen bombardiert, dass das System die Aufgaben nicht mehr bewältigen kann.
Putin gibt Westen Schuld an Inflation
Am Freitag will der russische Präsident erklären, wie es angesichts der Sanktionen, die der Westen wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine verhängt hat, weitergehen soll. "Das Jubiläumstreffen läuft in einer nicht einfachen Zeit für die Weltgemeinschaft", meinte Putin. Der Westen sieht den 69-Jährigen verantwortlich für zahlreiche Krisen sowie die hohen Preise für Energie und Lebensmittel.
Der Kreml-Chef wies das zurück: "Jahrelange Fehler der westlichen Staaten in der Wirtschaftspolitik und die unrechtmäßigen Sanktionen haben zu einer Welle der globalen Inflation geführt, zur Zerstörung gewohnter Liefer- und Produktionsketten und zu einem starken Anstieg der Armut und zum Defizit bei Lebensmitteln."
Orientierung Richtung Asien
Putin hat immer wieder deutlich gemacht, dass sich Russland von den Sanktionen der EU und der USA nicht beeindrucken lasse. Zugleich meinte er, die Lage biete neue Perspektiven. Unter dem Motto "Neue Welt - neue Möglichkeiten" werden in St. Petersburg Vertreter aus mehr als 100 Ländern erwartet. Russland orientiert sich angesichts der massiven Spannungen mit dem Westen wirtschaftlich zunehmend nach Asien, vor allem nach China und Indien, aber auch nach Afrika und Südamerika.
Russland leitet etwa seine Öl- und Gaslieferungen zunehmend von der EU in andere Weltregionen um. Das Land erzielt wegen der hohen Preise für Öl und Gas auf dem Weltmarkt gerade besonders hohe Einnahmen. Auch die nationale Währung hat sich nach einem Wertverlust gegenüber dem Dollar und Euro zu Beginn des Krieges vor fast vier Monaten nun deutlich erholt. Der Rubel ist inzwischen so stark wie seit Jahren nicht mehr.
Russland will Optimismus verbreiten
Wegen der Sanktionen hatten sich zahlreiche westliche Firmen, darunter deutsche Unternehmen, aus Russland verabschiedet. Putin erklärte dazu, dass andere Unternehmen die Lücken füllten. So wurden etwa nach dem Abschied der US-Kette McDonald's gerade in den Filialen neue Burgerrestaurants unter dem Namen Wkusno i Totschka - Deutsch: Köstlich und Punkt - eröffnet. In Moskau bilden sich bereits seit Tagen Schlangen an den Lokalen.
Trotz der umfangreichen Sanktionen des Westens sahen Vertreter der russischen Führung für die Wirtschafts- und Inflationsentwicklung im eigenen Land nicht mehr ganz so schwarz. Es gebe Grund zu einem "gewissen Optimismus", sagte Russlands Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow beim Wirtschaftsforum. "Die Ergebnisse des ersten Quartals und die vorläufigen Einschätzungen für April und Mai zeugen davon, dass es besser wird" als bisher in den Prognosen erwartet. Die Inflation werde zum Jahresende "deutlich" niedriger ausfallen als die zuletzt prognostizierten 17,5 Prozent, sagte Reschetnikow. Zudem nannte er eine Begrenzung des Rückgangs beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf fünf bis sechs Prozent "absolut erreichbar". Im Mai hatte das Ministerium den voraussichtlichen BIP-Einbruch noch auf 7,8 Prozent beziffert.
Umstrittene Ehrengäste
Die Organisatoren des Wirtschaftsforums sprechen von Teilnehmern aus 115 Ländern in diesem Jahr. Im Rekordjahr 2020 waren es demnach 19.000 Teilnehmer aus 145 Staaten. Eine Teilnehmerzahl wurde diesmal nicht genannt. Unternehmer haben in diesem Jahr die Möglichkeit, anonym an dem Forum teilzunehmen, um nicht im Zuge der Sanktionspolitik des Westens mit Strafen belegt zu werden. Medien zufolge sind auch Teilnehmer aus Frankreich, Italien, Kanada und den USA angemeldet.
Ehrengäste heuer sind etwa der Präsident Kassym-Schomart Tokajew der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik Kasachstan, die Taliban aus Afghanistan und die als Terroristen von der Ukraine verfolgten Separatistenführer aus den von Russland anerkannten "Volksrepubliken Luhansk und Donezk". Ägyptens wegen Menschenrechtsverletzungen kritisierter Präsident Abdel Fattah al-Sisi soll per Video zugeschaltet werden. Treffen wird sich Putin auch mit russischen Medienvertretern, darunter mit Kriegsreportern.
(APA/dpa/Reuters)
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