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Prozess zu Anschlag am Wiener Zentralfriedhof im Dezember

Angeklagter bestreitet Brandstiftung und rechtsextreme Schmierereien
Angeklagter bestreitet Brandstiftung und rechtsextreme Schmierereien ©APA/GEORG HOCHMUTH
Ab 9. Dezember wird am Wiener Landesgericht vor einem Schwurgericht über einen Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs verhandelt. Einem bisher unbescholtenen 27-Jährigen wird vorgeworfen, in der Nacht auf den 1. November 2023 den Vorraum der Zeremonienhalle mit einem Brandbeschleuniger abgefackelt zu haben, nachdem er über eine eineinhalb Meter hohe Außenmauer geklettert und in einen Nebenraum des Kuppelhauses gelangt war.

Der Vorraum der Zeremonienhalle beim Tor IV brannte aus. Der Angeklagte soll davor oder danach auch die Außenmauern mit Hakenkreuzen und rechtsextremen Schriftzügen verunstaltet haben. Der Sachschaden belief sich der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) zufolge, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hat, auf eine hohe sechsstellige Summe. Die Vorhalle wurde komplett zerstört und musste wiederhergestellt, die Innenauskleidung der Zeremonienhalle instandgesetzt werden. Unter anderem verbrannten ein Thoraschrein ohne Thorarollen sowie wertvolle, zum Teil sehr alte Bücher, die unwiederbringlich verloren gingen.

Angeklagter hat bisher Tatbeteiligung bestritten

Die Hauptverhandlung ist vorerst auf zwei Tage anberaumt, wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn am Wochenende auf APA-Anfrage bestätigte. Das Urteil soll am 17. Dezember fallen. Der 27-Jährige hat bisher jedwede Beteiligung am nächtlichen antisemitischen Brandanschlag bestritten. Er wird jedoch von am Tatort sichergestellten Spuren, einem DNA-Gutachten und den Ergebnissen einer Rufdatenauswertung belastet. Die Anklage bezieht sich auf § 3 f Verbotsgesetz (VbtG) - dem Mann werden somit schwere Straftaten - konkret Brandstiftung und schwere Sachbeschädigung - als Mittel nationalsozialistischer Betätigung angelastet. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung droht ihm somit eine Haftstrafe zwischen zehn und 20 Jahren. Der 27-Jährige befindet sich auf freiem Fuß.

Der Österreicher türkischer Abstammung, der bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, wurde nach umfangreichen Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) und des Wiener Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) ausgeforscht. Die Verfassungsschutzbehörden hatten den Mann nach gesicherten APA-Informationen bis dahin nicht am Radar. Er dürfte nicht in einschlägigen antisemitischen bzw. rechtsextremen Kreisen verkehrt haben.

Penible Polizeiarbeit führe zu Anklage

Es war penible Polizeiarbeit, die am Ende zur Anklage gegen den Beschuldigten führte. Im ausgebrannten Vorraum der Zeremonienhalle konnten Spurenträger sichergestellt werden, die kriminaltechnisch untersucht wurden. Über die Chargennummern eines Schutzoveralls und einer Spraydose, die nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden dem Angeklagten zugeordnet werden können, kam man auf den 27-Jährigen. Weiters soll eine Stoff-Spur einer DNA-Analyse zufolge die genetischen Merkmale des 27-Jährigen aufweisen. Anhand von Login-Daten seines Handys soll überdies belegt sein, dass sich der Mann kurz nach Mitternacht im Sendebereich des jüdischen Teils des Zentralfriedhofs befunden hat.

Bei dem Brandanschlag könnte es einen zweiten, bisher nicht bekannten Mittäter oder einen Mitwisser gegeben haben. Darauf lässt jedenfalls eine am Tatort zurückgelassene Flasche schließen. An dieser ließen sich die genetischen Merkmale eines weiteren Mannes nachweisen.

Der jüdische Friedhof am Tor IV des Wiener Zentralfriedhofs ist mit mehr als 241.000 Quadratmetern eine der größten jüdischen Ruhestätten Mitteleuropas. Er wurde ab 1916 belegt, nachdem die jüdische Abteilung am Tor I zu klein geworden war.

(APA)

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