Privatinsolvenzen: Vorarlberg trauriger Spitzenreiter

Wie der KSV1870 am Mittwoch bekannt gab, wirken sich vor allem die teils massiv gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Miete und Strom auf die finanzielle Situation der Vorarlberger Haushalte aus.
Fast 43% Steigerung bei Privantinsolvenzen
Insgesamt 241 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres in Vorarlberg verzeichnet. Das ergibt eine Steigerung zum Vorjahr von 42,6 Prozent. Im Vergleich zum letzten Vorkrisenjahr 2019 wo noch 270 Privatkonkurse eröffnet worden sind, ist dies zwar ein kleiner Rückgang, dies liegt aber laut KSV in erster Linie daran, dass viele Menschen in Krisenzeiten an allen Ecken und Enden sparen. "Die Menschen gehen vorsichtiger mit ihrem Geld um, dennoch werden bei der aktuellen Kostenpolitik eher heute als morgen die privaten Reserven vieler Menschen aufgebraucht sein", erklärt Regina Nesensohn vom KSV1870 in Feldkirch

Lebensmittel-, Miete- und Strompreise sorgen für Probleme
Die Kosten für Lebensmittel, Miete und Strom sind nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau und bereiten immer mehr Vorarlbergern Probleme. "Wenn das so weiter geht werden die privaten Reservern vieler Menschen aufgebraucht sein", so Nesensohn.
Wir brauchen zielgerichtete Lösungen
"Auch wenn der aktuelle Anstieg im Rahmen ist, braucht es zielgerichtete Lösungen, um die Menschen in Österreich nachhaltig zu entlasten", fordert die Leiterun deS KSV1870 Büros in Feldkirch. Vor allem für jene Menschen die bereits vor der Teuerungswelle Probleme hatten finanziell über die Runden zu kommen, habe sich die Situation massiv verschärft. Wenn hier von Seiten der Politik nichts unternommen wird, wird sich die Rechnung für viele nicht mehr allzu lange aufgehen und die Zahl der Privatkonkurse wird weiter steigen, fürchtet Nesenohn.
Starke Schwankungsbreite in den Bundesländern
Auf Bundesebene sei insgesamt die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren leicht gestiegen, allerdings ist das Bild in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Während Vorarlberg bei den eröffneten Privatkonkursen trauriger Spitzenreiter ist weist die Steiermark einen Rückgang zum Vorjahr von rund 14,5% aus.
Ausblick: Weiterer Anstieg steht bevor
Da aus heutiger Sicht nicht damit zu rechnen sei, dass sich an den hohen Lebenshaltungskosten allzu schnell spürbar etwas ändert, geht der KSV1870 davon aus, dass die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren von Privatpersonen im Jahresverlauf weiter steigen wird. Man rechne realistischerweise mit rund 400 Pleiten in Vorarlberg bis Jahresende. Dies wäre zwar immer noch weniger als im Vorkrisenjahr 2019, wo noch 500 Schuldenregulierungsverfahren verzeichnet worden sind, allerdings eine deutliche Steigerung zum Vorjahr.
Schwierige Situation auch für die Wirtschaft
Angesichts der weiterhin hohen Kosten sei klar, dass es mehr denn je eine wirtschaftliche Ausgewogenheit zwischen Privaten und Unternehmen brauche. Denn, wenn sich die Menschen in Vorarlberg nichts mehr leisten können, werden auch die Unternehmen mittelfristig in finanzielle Schieflage geraten. "Gleichzeitig kann es jedoch auch nicht sein, dass die Liquidität der Betriebe deshalb gefährdet wird, weil Privatpersonen aufgrund der hohen Preise Schulden anhäufen, die sie in weiterer Folge im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens nur zu einem Bruchteil zurückzahlen und die Unternehmen deshalb auf einem Großteil der Kosten sitzen bleiben", warnt Nesensohn. Hier brauche es eine wirtschaftliche Balance, die allen Beteiligten helfe.
Steigerung auch bei Unternehmensinsolvenzen
Nicht nur bei den Privatinsolvenzen, auch bei den Unternehmen steigt die Zahl der finanziellen Schieflagen. So verzeichnet der KSV1870 im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 51 Unternehmen die von einer Insolvenz betroffen sind. Dies entspricht einem Anstieg von 10,9% zum Vorjahr. Auch hier ist die Zahl niedriger als noch im letzten Vorkrisenjahr 2019, wo es 71 Insolvenzen waren. Was auffällt ist zusätzlich das aufgrund fehlender Kostendeckung viele Insolvenzen gar nicht erst eröffnet werden können. Allein in Vorarlberg waren das im ersten Halbjahr 22 Fälle. Der KSV fordert hier ein Umdenken, dass künftig auch abgewiesene Fälle eröffnet werden sollen. "Es muss verhindert werden, dass finanziell gesunde Unternehmen aufgrund eines insolventen Geschäftspartners selbst ins straucheln geraten", so Nesensohn.
Insolvenztreiber Tourismus, Gastronomie, Handel Bauwirtschaft
Wie die aktuelle KSV Hochrechung belegt, sind vor der Bereich Tourismus/Gastronomie (14 Fälle), der Handel (12 Fälle) und die Bauwirtschaft (6 Fälle) jene Branchen, in denen sich die meisten Insolvenzen ereignen. Diese drei Branchen sind für über 60% der Vorarlberger Firmenpleiten verantwortlich. Darüber hinaus verzeichnen diese Branchen auch die meisten abgewiesenen Fälle. "Es ist nach wie vor so, dass Insolvenzanträge häufig zu spät gestellt werden. Und zwar erst dann, wenn überhaupt keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung stehen und nicht einmal mehr das Verfahren bei Gericht selbst finanziert werden kann. Das ist auch insofern dramatisch, weil dadurch weitaus mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als eigentlich notwendig wäre", mahnt die Leiterin des KSV1870 Büros abschließend.
(VOL.AT)
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