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„Priester zu werden bedeutet ‚ All in‘ – ganz oder gar nicht“

Mathias Bitsche im Oster-Sonntags-Talk über Kirche und Jugend sowie kleine und große Sünden.
Mathias Bitsche im Oster-Sonntags-Talk über Kirche und Jugend sowie kleine und große Sünden. ©Sams
Der Bludenzer Kaplan Mathias Bitsche (28) im österlichen Sonntags-Talk über Glaube, Jugend und das Zölibat.

WANN &WO / Lisa Purin

WANN & WO: Gibt es in Vorarlberg einen Priester, der jünger ist als du?

Mathias Bitsche: Nein, tatsächlich bin ich mit meinen 28 Jahren derzeit der Jüngste.

WANN & WO: Wie hast du als Kind Ostern verbracht?

Mathias Bitsche: In meiner Familie war das wie in jeder anderen: Es gab ein Frühstück mit der ganzen Familie und dann wurden die Osterneste gesucht. Eventuell stand dann noch ein Besuch in der Kirche an, aber das war kein Muss. Man ist eben gegangen. Ab und zu mal mehr, manchmal auch weniger. Mir hat das aber immer gefallen. Ich bin als Kind auch alleine oder mit meinem Opa hingegangen.

WANN & WO: Ostern: Was machst du am Kirchen-Fest des Jahres?

Mathias Bitsche: Das kann man so sagen! Einerseits gibt es immer viel zu tun, man muss Gottesdienste vorbereiten, proben und sich absprechen, damit jeder zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Es stehen schließlich große Feierlichkeiten an. Andererseits ist Ostern für mich jedes Jahr auch inhaltlich sehr spannend. Das nimmt mich emotional mit. Ich reiße meine Predigt nicht einfach nur runter, damit es erledigt ist. Es soll tiefgründig sein und die Menschen ansprechen. Aber genau das macht das Priester-Sein auch aus.

WANN & WO: Wann hast du dich dazu entschieden, den Weg als Priester einzuschlagen?

Mathias Bitsche: Das ist durch die Jahre hindurch gereift. Ich bin in Thüringen in die Volksschule und Musikhauptschule gegangen, in der HAK Bludenz habe ich dann die Matura gemacht. Gleich darauf bin ich in das Priesterseminar eingetreten – diese Entscheidung fiel bereits im Maturajahr. Gleich darauf absolvierte ich ein Vorbereitungsjahr in Niederösterreich. Das muss jeder in Österreich machen, der sich für diesen Weg entscheidet.

WANN & WO: Wusstest du immer schon, dass du genau das machen möchtest?

Mathias Bitsche: Es war zumindest immer eine Option, aber ich hatte auch andere Ideen, wie Lehrer oder Jurist. Schon als Kind war ich in der Kirche Ministrant. Es war ein gewohntes Lebensumfeld für mich. Die Zeit, in der ich mich dafür entschieden habe, gehört zu den spannendsten Phasen meines Lebens. So nahm alles seinen Lauf – zwei Jahre lang studierte ich in Wien Theologie, lebte danach drei Jahre in Rom und kam dann wieder zurück nach Vorarlberg. In Götzis und Altach war ich dann für ein Jahr in der Pfarre und wurde im Juni 2016 zum Priester geweiht.

WANN & WO: Derzeit lebst du aber wieder in Rom?

Mathias Bitsche: Momentan wohne ich in Rom, wo ich ein Vertiefungsstudium in Psychologie mache. Die Kombination ist spannend für mich, ich bekomme einen neuen Blick auf den Menschen.

WANN & WO: Wie ist es, als Priester in Rom studieren zu können? Bist du dem Papst schon begegnet?

Mathias Bitsche: Rom ist für mich als Priester eine besondere Chance, weil man dort Menschen aus der ganzen Welt kennenlernt. Ich habe gelernt, welche Fragen den Leuten auf der ganzen Welt gerade auf der Seele brennen und wie schwer es sein kann, alles auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Dem Papst bin ich natürlich auch schon einmal begegnet (lacht).

WANN & WO: Wie hat deine Familie auf deine Berufswahl reagiert?

Mathias Bitsche: Sie fanden es spannend. Die Unterstützung war immer da und sie haben sich mit mir gefreut. Es war klar, dass jeder machen darf, was ihn glücklich macht. Ich habe noch zwei Brüder – wir alle führen ganz unterschiedliche Tätigkeiten aus. Ich bin Priester, mein mittlerer Bruder arbeitet als Techniker und der jüngste in einem Hotel. Meine Mutter, die leider schon vor meiner Weihe verstorben ist, hat vor allem eine Frage beschäftigt: Wie kann ein Sohn aus einer funktionierenden und glücklichen Familie auf die Idee kommen, dass er ohne eigene Familie glücklich wird? Später hat sie sich dann damit angefreundet, als sie gesehen hat, dass ich glücklich bin.

WANN & WO: Hattest du nie vor, eine eigene Familie zu gründen?

Mathias Bitsche: Doch, klar. Ich bin der Überzeugung, dass jemand, der keine Beziehung führen könnte, oder keine Familie haben will, nicht Priester werden sollte. Man muss beziehungsfähig sein. Jemand, der sich keine Familie vorstellen kann, ist dafür nicht geeignet. Für mich war es nie eine Entscheidung gegen Familie oder Partnerschaft. Ich wollte einfach Priester werden und der Zölibat – der Verzicht auf eine eigene Familie und Sex – gehört da dazu. Das ist kein Job, sondern eine Lebensentscheidung. Priester zu werden bedeutet „All in“! Ganz oder gar nicht. Aber wenn ich darüber nachdenke, was mir wirklich Sorgen macht, dann ist der Zölibat nicht mein größtes Problem (lacht).

WANN & WO: Was bereitet dir die größten Sorgen?

Mathias Bitsche: Ich frage mich, wie die Kirche gut in die Zukunft gehen kann. Wir müssen mit den Menschen in Kontakt sein, um Ansprechpartner zu bleiben. Darüber denke ich viel nach. Im Prinzip haben sich die tiefgründigen Fragen nicht verändert. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was ist der Sinn des Lebens? können und präsent bleiben. Die Erwartung, dass Leute am Sonntag zu mir in die Kirche kommen, weil es „normal“ ist, reicht schon lange nicht mehr.

WANN & WO: Wie schwierig ist es, Jugendliche heute noch für die Kirche zu begeistern?

Mathias Bitsche: Das ist etwas, was mich sehr beschäftigt, weil es genau meine Generation betrifft. Ich erlebe eine große Spannung. Im Alltag spielt der Glaube für viele keine Rolle mehr, auf der anderen Seite erlebe ich, wie es ist, wenn ich mit jungen Menschen im Gespräch bin – Taufvorbereitung mit jungen Eltern, Hochzeitsplanung mit Paaren, das eine oder andere Beichtgespräch. Es ist keine Massenbewegung mehr, aber man kann nicht sagen, dass der Glaube für die Jugend egal ist. Die Frage ist: Wie schaffen wir das als Kirche? Wir müssen junge Menschen in einer anderen Art und Weise ansprechen können. Da hängt natürlich viel an der Sprache. Bei einer Predigt darf man, glaube ich, auch mal sagen: „Ab und zua laufts im Leba scheiße!“. Sprache muss ehrlich und nachvollziehbar sein.

WANN & WO: Ein Priester unterliegt dem Beichtgeheimnis – gibt es noch etwas, das dich schockiert?

Mathias Bitsche: Mich kann man nicht mehr so leicht schocken (lacht). Also wenig, es gibt viele krasse Lebensgeschichten. Aber es passiert mir selten, dass mich etwas tagelang beschäftigt. Im Gegenteil: Wenn jemand zu mir kommt und mir von einem Fehler erzählt, dann habe ich großen Respekt und sehe in erster Linie, dass diese Person das einsieht. Dazu braucht es viel Mut. Das Ziel ist, Vergebung zu erfahren und es loslassen zu können. Das gilt für mich genauso, wie für die Person, die erzählt. Wir lassen das gemeinsam los. Zum Teil sind es wirklich tragische Geschichten, das berührt mich natürlich schon, aber es belastet mich nicht. Sonst würde man verrückt werden. Verschwiegenheit und Diskretion sind für Priester entscheidend.

WANN & WO: Hast du als Priester auch einmal Zeit nur für dich?

Mathias Bitsche: Mein Terminkalender ist gut gefüllt, aber ich nehme mir auch Zeit für mich, treffe Freunde, gehe abends ein Bier trinken oder bin unterwegs. Ganz normal, wie jeder andere auch! Heute am Ostersonntag ist wieder viel los. Gottesdienste, Mittagessen mit der Familie. Aber ich mag diese Feiertage sehr! Im Sommer, an Weihnachten und zu Ostern bin ich in Vorarlberg und das schätze ich sehr. Ich wünsche allen ein frohes und gesegnetes Osterfest!

WORDRAP
Glaube: Grundlage für Hoffnung. Vorarlberg: Heimat. Rom: Mega spannende Stadt. Ostern: Höhepunkt des Jahres. Jugend und Religion: Großes Zukunftsthema.
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