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Pressestimmen zu deutscher Bundespräsidentenwahl

Mit dem sich offenkundig manifestierenden Vertrauensverlust in die Politik vor dem Hintergrund der morgigen Bundespräsidentenwahl befassen sich deutsche Pressekommentare:

“Süddeutsche Zeitung” (München):

“Die schwarz-gelbe Regierungskoalition verfügt über eine ausreichende Mehrheit – und alles andere als ein Sieg im ersten Wahlgang wäre eine faustdicke Überraschung. Warum also diese ganze Aufregung, dieser auch von den Medien angefachte Zweikampf Wulff gegen Gauck, der am Ende die Politikverdrossenheit im Volk nur verstärken wird, weil der vermeintlich bessere Kandidat einem blassen Parteipolitiker unterliegt? Weil die Wahl eines Bundespräsidenten immer auch zu durchsichtigen taktischen Spielchen genutzt wird – auf beiden Seiten. Und deshalb schickt der Alt-68er (Ex-Umweltminister Jürgen) Trittin mit seinen Grünen einen unverständigen Anti-68er ins Rennen, der seine arrogant-pathetische Überlegenheit für jene ausspielt, die ihn eigentlich nie mochten. (…) Auch wenn Wulff es schafft, wird seine Wahl den erhofften Befreiungsschlag für Merkel nicht bringen.”

“Berliner Zeitung”:

“Das große Problem der herrschenden Politik ist mangelnde Bereitschaft zur Wahrhaftigkeit und mangelnder Sinn (oder auch Bereitschaft) für Gerechtigkeit. Wer den Menschen nicht zu erklären vermag, weshalb Milliardenbürgschaften für Banken oder Partnerländer auch im Interesse der normalen Bundesbürger liegen, weshalb die Bundeswehr wirklich in Afghanistan kämpft, oder wer nicht den Mut hat, den Besserverdienenden in kritischer Haushaltslage mehr abzuverlangen, der hat das Vertrauen der Bürger nicht verdient. Er verspielt das Vertrauen in die Demokratie, die nur so gut funktionieren kann, wie die Bürger an ihr mitwirken. Vielleicht könnte die direkte Wahl des Staatsoberhauptes dazu beitragen. Doch glaube niemand, ein solcher Wahlkampf wäre frei von parteipolitischen Machtkämpfen, ein hehrer Wettbewerb der Freien und der Besten…”

“Berliner Morgenpost”:

“Die Kandidaturen Wulffs und Gaucks, zweier Männer mit großen Erfahrungen, großer Leidenschaft und großer Räson, sind die besten Argumente gegen eine Veränderung des Verfahrens zur Wahl des Bundespräsidenten. Sie sind in der Lage, die Bundesversammlung von sich zu überzeugen, ohne laute Töne, mit großem gegenseitigem Respekt. Wäre das auch so in einer Direktwahl? Die Vermutung, dass beide auf diese leise Weise keinen Stich hätten gegen den vielzitierten ‘Günther Jauch’ liegt nahe, also gegen einen Populisten, einen, der gekonnt nach dem Munde reden kann. Es liegt eine große Chance auf Weisheit in den Regeln einer repräsentativen Demokratie. Diesen Vorteil sollte man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, auch wenn der Ruf nach einer Direktwahl immer eine Versuchung ist für diejenigen, die in der Bundesversammlung in der Minderheit sind.”

“die tageszeitung” (taz) (Berlin):

“Allein die Vorgeschichte seiner Kandidatur scheint Gauck zum idealen Bundespräsidenten zu machen. Denn der Inhaber diese Amtes wirkt nach landläufigem Verständnis vor allem durch seine Reden. (…) Heute, wo längst nicht mehr die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft, sondern die Einschläferung des politischen Gegners als Ausweis höchster Staatskunst gilt, kurz: wo jeder Parteipolitiker einen kleinen Präsidenten gibt – da wird es für ein Staatsoberhaupt schwierig, sich als Kraft der Mäßigung davon noch abzusetzen. Der Ausweg, einer präsidialen Kanzlerin als Polarisierer entgegenzutreten, darf mit Horst Köhlers Scheitern als versperrt gelten. Es ist insofern nur konsequent, dass die Kanzlerin den konsensorientiertesten aller Ministerpräsidenten, Wulff, zum neuen Staatsoberhaupt machen will. (…) Dass die Begeisterung für Gauck einem höchst konservativen Amtsverständnis entspricht, steht ebenfalls außer Frage. Es ist die Sehnsucht nach einem weisen und gütigen älteren Herrn, der aus der Kraft seiner Lebenserfahrung schöpft und dabei über den Parteien steht. Dieser apolitische, ja antipolitische Impetus vieler Unterstützer scheint dem Kandidaten mittlerweile selbst peinlich zu sein.”

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