"Precious": Knallhartes Sozialdrama und modernes Märchen

Mo’Nique und Drehbuchautor Geoffrey Fletcher durften die Trophäen tatsächlich entgegennehmen. Am Freitag (26.3.) läuft das Sozialdrama “Precious” in Österreich an.

Claireece “Precious” Jones führt ein Leben, mit dem man wahrlich nicht tauschen möchte. Sie selbst, ein einziger Fettkloß, fühlt sich minderwertig, in der Schule und auf der Straße wird sie verachtet, vom Vater zu Hause vergewaltigt und von der Mutter verprügelt. Als die 16-Jährige zum zweiten Mal vom Vater schwanger ist, fliegt sie von der Schule – und wird auf wundersame Weise durch ein Sozialnetz und einige engagierte Menschen aufgefangen. Sie erhält die Chance, in einer Sonderschule ihre Schulausbildung weiterzuführen, und allmählich bekommen auch die zuständigen Betreuerinnen (Paula Patton als rehäugige Lehrerin Ms. Rain und eine erstaunlich unauffällige Mariah Carey als Sozialarbeiterin) eine Ahnung, welcher Hölle Precious zu Hause ausgeliefert ist.

Die Duelle voller Hass und Gewalt zwischen Precious und ihrer Mutter beschönigen nichts. Mo’Nique liefert großartige Beweise von Wandlungsfähigkeit, wenn sie versucht, bei ihren Kontakten mit dem Sozialsystem selbst in die Opferrolle zu schlüpfen. Während sich Precious in Tagträume flüchtet, in denen sie einen zwar beleibten, doch umschwärmten Showstar spielt (wobei die Newcomerin Gabourey Sidibe bei ihren jüngsten Erfahrungen wohl Vergleiche zu diesen Filmsequenzen anstellen kann), entwickelt sich trotz aller ungeschminkter Brutalität fast so etwas wie ein Märchen für Erwachsene. Precious findet in der Schule “Each One / Teach One” Freundinnen, und auch Pfleger John (mit Sänger Lenny Kravitz luxusbesetzt), der sich nach der Geburt um die junge Mutter kümmert, nimmt seinen Job keineswegs nur als routinierte Pflicht.

“Precious” besticht nicht nur durch seine intensiven und glaubwürdigen Darsteller. Lee Daniels gelingt es auch, die Waage zwischen knallharter Realität und moderner Aschenputtel-Version zu halten. Ungeschönt und ganz ohne Hoffnung wäre die von Oprah Winfrey produzierte Geschichte wohl auch kaum zu ertragen.

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