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Polnische Regierung hat nach Präsidentenwahl mehr Macht

Nach dem Sieg von Bronislaw Komorowski bei der polnischen Präsidentschaftswahl hat die Regierung nun einen größeren Gestaltungsspielraum: Die Kohabitation an der Staatsspitze ist beendet, weil das künftige Staatsoberhaupt aus der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk stammt.
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Experten sind jedoch skeptisch, inwieweit die Regierung ihre Reformversprechen umsetzen wird. Denn erstens sind im kommenden Jahr Parlamentswahlen, und zweitens könnte sich der kleine Koalitionspartner, die gemäßigte Bauernpartei PSL, künftig stärker profilieren wollen.

Die politischen Gegner versuchten schon am Wahlabend, Donald Tusk unter Druck zu setzen. “Die Bürgerplattform übernimmt nicht nur die Macht zu 100 Prozent, sondern auch die ganze Verantwortung”, erklärte Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski dem Fernsehsender Polsat. Seiner Ansicht nach stehe der “Bürgerplattform” nun eine “Bewährungsprobe” bevor. Mariusz Blaszczak, Abgeordneter der PiS, erklärte am Montag im Radio TOK FM, Tusk habe jetzt “keine Ausreden mehr” und könne die von seiner Partei vorgeschlagenen Reformen umsetzen.

Nach ihrer Amtsübernahme 2007 sah sich die Regierung von PO und PSL in vielen Fragen mit dem Widerstand des inzwischen verstorbenen Präsidenten Lech Kaczynski konfrontiert. Kaczynski legte gegen mehrere beschlossene Gesetze sein Veto ein und brachte sie so letztendlich zu Fall. So scheiterte die geplante Neuorganisation von öffentlichen Spitälern als Unternehmen und eine Reform der öffentlichen Medien, die diese dem politischen Einfluss entziehen sollte. Andere Vorhaben wie eine umfassende Pensionsreform packte die Koalition unter Hinweis auf das zu erwartende Kontra des Präsidenten nicht an.

Auch außenpolitisch zankten sich Präsident und Regierung häufig. So wartete Lech Kaczynski trotz eines entsprechenden Parlamentsbeschlusses fast zwei Jahre, bis er den Lissabon-Vertrag unterzeichnete.

Komorowski machte schon im Wahlkampf deutlich, dass er nach einem Sieg eine größere Verantwortung seiner Partei PO für das Land sah. “Die Zeit für einen großen Aufbau kommt”, erklärte er bei einer Parteiversammlung nach dem ersten Wahlgang und bat seine Wähler um “500 Tage Ruhe”, um das Land “auf direktem Weg in die Moderne” zu führen.

Experten blicken eher skeptisch auf dieses lautstarke Versprechen. “Niemand hat davon gehört, dass die Schubladen der PO voller fertiger Projekte sind”, sagte der Politologe Artur Wolek der Zeitung “Rzeczpospolita”. Deshalb erwarte er nicht, dass die Regierung im kommenden Jahr grundlegende Reformen anpacken werde. Dafür spricht nach Ansicht von Experten auch, dass Polen in drei Monaten landesweite Kommunalwahlen und im kommenden Jahr eine Parlamentswahl erwartet. Da wolle keine Partei die Wähler mit unpopulären Maßnahmen verschrecken, heißt es in Warschau.

Als weiterer Hemmschuh für von der PO angestrebte Reformen könnte sich der Koalitionspartner PSL erweisen. Deren Vorsitzender und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak erzielte als Kandidat bei der jüngsten Präsidentenwahl im ersten Wahlgang das für ihn enttäuschende Ergebnis von 1,8 Prozent. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass die PSL nun ihr Profil in der Koalition schärfen wolle, um auch bei der kommenden Parlamentswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. So verzichtete Pawlak schon darauf, vor der Stichwahl eine Wahlempfehlung für Komorowski abzugeben. Konfliktpotenzial birgt unter anderem die Pensionsreform: Die PSL ist gegen die Absicht der PO, die Privilegien für Bauern aufzuweichen, für die es in Polen eine eigene Pensionskasse gibt.

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