Das Publikum lacht, Maria Zardzielewicz lächelt. Sie ist Putzfrau. Polnische Putzfrau. Gemeinsam mit drei Kolleginnen steht sie seit gestern auf der Bühne des Wiener Koproduktionshauses brut und ist Mitwirkende einer außergewöhnlichen Produktion: Der in Wien lebende polnische Regisseur Cezary Tomaszewski hat Franz Lehars “Die lustige Witwe” als Folie genommen, die Lebenswelt von polnischen Reinigungsdamen auf die Bühne zu bringen. Wer Peinlichkeiten oder Sozialkitsch befürchtet hatte, wurde angenehm überrascht.
“Unsere Männer gelten als Autodiebe, aber uns vertraut man”, versichert eine aus dem Quartett, “Ich bekomme immer gleich den Wohnungsschlüssel.” Die vier Frauen, von denen zwei über Bühnen- bzw. Gesangsausbildung, aber keineswegs über Profi-Erfahrung verfügen, erobern die Sympathien des Publikums im Sturm. Die Nervosität ist ihnen anzumerken, wenn sich der pompöse rote Vorhang hebt und sie in Pelzmänteln auf die fast leere Bühne trippeln müssen.
Rasch wird klar, dass es hier nicht um eine Trash-Version der Lehar-Operette geht, und die Musik, die gelegentlich vom Band oder via Schallplatte dazu gespielt wird, ist Nebensache. Dennoch zählt es zu den Höhepunkten, wenn sich Agnieszka Malek und Halina Graser angeblich Träume erfüllen und wirklich zu singen beginnen (niemand lacht, wenn die Töne nicht richtig getroffen werden), oder Alicja Soszynska versichert: “Ich hab’ nie davon geträumt, den ‘Reitersmann’ aus der ‘Lustigen Witwe’ zu singen. Trotzdem mach’ ich das jetzt!”
Viel mehr als über Hannas sozialen Aufstieg vom armen Mädel vom Land zur reichen Witwe erfährt man von Alicjas, Halinas, Agnieszkas und Marias Leben. Die Autorin Rosemarie Poiarkov ist ihnen bei der Texterstellung zur Seite gestanden. Auf Verschneidung oder Kontrastierung ihrer Geschichten mit der Operetten-Handlung wird dabei fast gänzlich verzichtet (schade, eigentlich), dafür steht Authentizität im Vordergrund. “Ich bin keine gute Hausfrau, denn ich kann überall gut putzen, nur nicht zu Hause”, heißt es einmal. Auch bei den Problemen mit faulen Männern, die sich mit dem Geld der Frauen Leben und Haus finanzieren lassen, und dann plötzlich eine Jüngere nach Hause bringen, nehmen sie sich kein Blatt vor den Mund.
Selten wurde diese Wiener Parallelwelt zwischen Arbeitsmigration, Entwurzelung und Prekariat so witzig und dennoch keineswegs oberflächlich auf die Bühne gebracht. Am Ende war die Erleichterung der Darstellerinnen ebenso groß wie der Applaus des Publikums. Diese “Lustige Witwe” ist weder Kitsch noch Klischee. Diese “Lustige Witwe” ist Kult.
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