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Polen: Neuwahlen nur Frage der Zeit

Keine 100 Tage nach der Bildung der polnischen Regierung scheinen Neuwahlen nahezu unausweichlich. "Die Frage ist nicht, ob es Wahlen gibt, sondern wann". In den kommenden Tagen will Staatspräsident Lech Kaczynski sondieren.

Dass es für den konservativen Ministerpräsidenten Kazimierz Marcinkiewicz nicht einfach sein würde, ohne eine Mehrheit seiner Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Parlament zu regieren, war von Anfang an klar. Nun aber ist ihm auch die Unterstützung der Populisten, die bisher mit der Regierung stimmten, nicht mehr sicher. Scheitert der Haushalt in der kommenden Woche, stehen Neuwahlen an.

Zunächst aber will Staatspräsident Lech Kaczynski versuchen, die Wogen zu glätten. Am Donnerstag begann er Gespräche mit den politischen Parteien. In den kommenden Tagen will er so sondieren, ob eine stabile Mehrheit für eine PiS-Regierung erreicht werden kann – entweder in Form einer Regierungskoalition oder inhaltlicher Zusammenarbeit im Parlament. Andernfalls wolle er das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Dabei wird in Polen seit Tagen über Koalitionsmodelle geredet. Die stets bekundeten Einigungschancen werden jedoch regelmäßig von neuen Ereignissen überholt. Dazu hat vor allem Jaroslaw Kaczynski beigetragen, Zwillingsbruder des Staatspräsidenten und Vorsitzender der PiS. In der vergangenen Woche war er mit Donald Tusk zusammengetroffen, dem Vorsitzenden der liberalen Bürgerplattform (PO), um eine Wiederaufnahme der Koalitionsgespräche zu sondieren.

Die Hoffnung, es werde doch noch zu der von einem Viertel der Polen erhofften PiS-PO-Koalition kommen, erwies sich als trügerisch. Nur Stunden nach dem ersten Gespräch sickerte durch, die PiS wolle den Bauernparteien eine Koalition anbieten. Tatsächlich kam es am Mittwoch zu ersten Gesprächen, nach denen der Vizechef der radikalen Bauernpartei Samoobrona zufrieden von konkreten Vorschlägen und einer guten Chance auf eine schnelle Koalition sprach.

Wenig später zeigte sich aber: Der Samoobrona-Mann hatte sich gründlich getäuscht. Denn Jaroslaw Kaczynski erklärte, so eilig sei es ihm nicht mit einer Koalition. Er schlage vielmehr einen Stabilisierungspakt vor: Sechs Monate lang soll die Opposition für die Gesetzesvorhaben der Regierung stimmen, in dieser Zeit wird nach einem Koalitionspartner gesucht. Außerdem betonte er, niemand in der Regierung dürfe eine Vorstrafe haben – eine klare Absage an den Samoobrona-Vorsitzenden Andrzej Lepper, der mehrmals wegen Beleidigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt wurde. Die Bedingungen seien unannehmbar, empörte sich daraufhin die Bauernpartei.

Einen Blankoscheck willfähriger Möchtegern-Koalitionäre will auch die PO keinesfalls ausstellen. Die PiS sei nur auf die absolute Macht aus, und die Drohung mit vorzeitigen Wahlen sei ein Versuch, die kleineren Parteien zu erpressen, zürnte Tusk. Denn Umfragen zufolge drohen sowohl die nationalistische Liga polnischer Familien wie auch die gemäßigte Bauernpartei PSL am Wiedereinzug ins Parlament zu scheitern. Stattdessen stehen die Chancen für eine stabile Mehrheit der PiS nicht schlecht. Die Liga erklärte prompt ihren Willen, über inhaltliche Zusammenarbeit zu diskutieren.

Die bei den Wahlen im Herbst schwer angeschlagenen Linksparteien setzen derweil auf Überwindung alter ideologischer Gräben und den ehemaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski. Eine breite Koalition von Mitte-Links-Parteien soll dem Rechtsruck in Polen Einhalt gebieten und der bei der Bevölkerung beliebte Kwasniewski als Symbolfigur das neue Bündnis stützten. Der ehemalige Innenminister Ryszard Kalisz ist angeblich bereits in geheimer Mission unterwegs in Kwasniewskis Schweizer Urlaubsquartier, berichtete die Zeitung „Nowy Dzien“ am Donnerstag. Er solle das ehemalige Staatsoberhaupt zur Rückkehr in die Politik überreden.

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