AA

Polen: Konservative zielen auf linke Wähler

Die konservative Partei des Warschauer Bürgermeisters Lech Kaczynski, PiS, möchte drei Tage vor der polnischen Parlamentswahl am Sonntag vor allem linksorientierte Wähler für sich gewinnen.

Lech Kaczynski, Anwärter für das Präsidentenamt, erklärte nun in einem Zeitungsinterview, die kommunistische Volksrepublik Polen habe auch ihre guten Seiten gehabt. Er könne einen Staat nicht hassen, in dem er “40 Jahre gelebt und gearbeitet“ habe und dabei glücklich gewesen sei. Außerdem verstehe er das Anliegen von Feministinnen, dass Gewalt in der Familie seit vielen Jahren ein vernachlässigtes Problem sei.

Die eigentlich nationalkonservative PiS hatte den Wahlkampf mit der Forderung begonnen, mit der kommunistischen Vergangenheit Polens abzurechnen. Inzwischen sieht sie aber offenbar die Chance, die enttäuschten Wähler der Noch-Regierungspartei SLD auf ihre Seite zu ziehen. Besonders bei der Präsidentenwahl braucht der PiS-Kandidat Lech Kaczynski die Stimmen des inzwischen zurückgetretenen Wlodzimierz Cimoszewicz (SLD), wenn er gegen den Favoriten Donald Tusk (PO, Bürgerplattform) bestehen will.

Selbst seine Abneigung gegen Homosexuelle, deren Parade er als Warschauer Bürgermeister verboten hatte, schwächte Kaczynski inzwischen ab. Er habe nicht keinesfalls vor, Homosexuelle nicht zum Schuldienst zuzulassen, ließ er sich jüngst zitieren. Bei der liberalkonservativen PO, mit der die PiS nach bisherigem Stand koalieren möchte, stößt dieser Linksruck auf Hohn. Kaczynskis Aussagen seien seiner nicht würdig, sagte der PO-Spitzenkandidat für die Parlamentswahl Jan Rokita. Kaczynski ziele nicht einmal auf die linke, sondern bereits auf die kommunistische Wählerklientel.

Die PiS liegt derzeit gleichauf mit der PO, für beide Parteien sprechen sich in Umfragen zwischen 30 und 35 Prozent der Wähler aus. Für die Präsidentenwahl favorisieren die Umfrageinstitute jedoch eindeutig den PO-Bewerber Donald Tusk, der bereits im ersten Wahlgang deutlich über 40 Prozent der Stimmen bekommen dürfte.

PO und PiS – Freunde auf Kriegspfad

Die Auseinandersetzung zwischen den rechten Parteien Polens, die eigentlich nach der Wahl eine Koalition gründen wollen, ist in einen offenen Krieg übergegangen. Die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) benutzt zu allem Übel auch noch intensiv den Radiosender „Radio Maryja“, um das Wirtschaftsprogramm der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) zu geißeln. In der PO werden Befürchtungen laut, die PiS könne sich nach einem anderen Koalitionspartner im rechten Parteienspektrum umsehen. Zur Verfügung stünden dort sicher die nationalkatholische LPR und die populistische Bauernpartei Samoobrona.

Der PO-Premierkandidat Jan Rokita beklagte sich am gestrigen Mittwoch über die negative Kampagne gegenüber der PO, die seit einigen Tagen von der PiS betrieben wird. Die Emotionen heizte am Mittwoch die Pressekonferenz des PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski auf, der über das Wirtschaftsprogramm der PO, oder eigentlich das Fehlen eines solchen, spottete. Der nervös gewordene Rokita bezeichnete die Kampagne der „Freunde aus der PiS“ als „aggressiv und voller Lügen“. „Man kann nicht in vier Tagen gemeinsam eine Regierung bilden und gleichzeitig den Plan einer Versenkung der PO realisieren“, sagte er.

„PO versenken“ ist ein Slogan der Tagung der Freunde des national-katholischen Radiosenders „Radio Maryja“, die am Samstag in Tschenstochau stattgefunden hatte. Der Radio-Direktor Pater Rydzyk appellierte an die Zuhörer, ihre Stimmen zu Gunsten der PiS, der Liga Polnischer Familien oder der Patriotischen Bewegung abgeben. Rokita beantwortete die Frage, ob er die Bildung einer Koalition PiS-LPR-Samoobrona unter der Schirmherrschaft von Rydzyk fürchte, mit „ja“.

Kaczynski unterstrich, dass eine Koalition mit der Samoobrona unmöglich ist. „Die Samoobrona wünscht sich, dass wir alle unsere Errungenschaften der letzten Jahre verlieren und uns wieder nach Osten ausrichten“, argumentierte Kaczynski. Im Falle der LPR war er aber nicht mehr so eindeutig. „PiS hat die Chance, die rechte Wählerschaft von Radio-Maryja-Anhängern bis zur national-demokratischen, also der LPR, zu vereinen“, sagte der PiS-Chef. Die Möglichkeit einer Koalition mit der PiS lehnte aber am Donnerstag der LPR-Chef Roman Giertych ab.

Der offene Krieg zwischen PO und PiS lässt sich wahrscheinlich nicht mehr stoppen. Die beiden Parteien können nach Umfragen mit ähnlicher Unterstützung rechnen. Es lässt sich nicht voraussehen, welche Partei die Wahl gewinnt und dann den Regierungschef nominieren wird. Deshalb werden die Parteien bis zum Schluss um jeden Prozentpunkt miteinander kämpfen.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Welt
  • Polen: Konservative zielen auf linke Wähler