Pflegende Angehörige anstellen und versichern

Pflegende Angehörige leisten enorm viel. Das tun sie unbezahlt. Zu 73 Prozent verrichten Frauen die Dienste und müssen enorme berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Das will die AK nicht länger hinnehmen.
Sie schlägt ein ähnliches Modell vor, wie es seit genau einem Jahr im Burgenland erfolgreich durchgeführt wird. Dort haben sich inzwischen 167 pflegende Angehörige anstellen lassen. Sie sind durchschnittlich zwischen 50 und 55 Jahre alt, 20 Prozent sind Männer, jede zehnte betroffene Familie betreut ein Kind mit Behinderung. Burgenland steckt 13 Millionen Euro in das Pilotprojekt, das nach insgesamt zwei Jahren evaluiert wird. Die erste Resonanz zeichnet Brigitte Ohr von der AK Burgenland positiv. Mobile Pflegedienste – in Vorarlberg wären das Hauskrankenpflege und Mohis – begrüßen die Initiative und fühlen sich kein bisschen konkurrenziert, im Gegenteil: Sie sind eingebunden in Qualitätskontrolle, Anleitung und Urlaubsvertretung.
Verpflichtende Ausbildung
Die Vorarlberger Ausgangslage ist ident. Auch hier wollen 80 Prozent der Pflegebedürftigen daheim versorgt werden. Die AK Vorarlberg schlägt deshalb dem Land vor, pflegende Angehörige im erwerbsfähigen Alter über eine gemeinnützige Tochtergesellschaft des Hauskrankenpflegeverbands je nach Höhe der Pflegestufe in Vollzeit oder Teilzeit anzustellen. Bei Pflegestufe 3 umfasst das Anstellungsverhältnis 20 Wochenstunden, bei Pflegestufe 4 sind es 30 Stunden und ab Pflegestufe 5 erfolgt die Anstellung in Vollzeit mit 40 Wochenstunden. Eine Vollzeitanstellung wird mit 1700 Euro netto entlohnt. „Zur Abdeckung der Kosten behält das Land Vorarlberg die Pension des zu Pflegenden über dem Ausgleichszulagenrichtsatz (derzeit 918 Euro) und 80 Prozent des Pflegegeldes ein. Den Rest deckt das Land.“ Gegenüber einer stationären Pflege erspart es sich immer noch 1000 Euro pro Person.
Binnen eines Jahres nach Dienstantritt sieht das AK-Modell verpflichtend den Abschluss des Vorbereitungslehrgangs zur HeimhelferInnenausbildung (100 Stunden) vor. Freiwillig können die pflegenden Angehörigen auch die gesamte Ausbildung (400 Stunden) absolvieren. Die Ausbildung stellt das Land kostenlos zur Verfügung. „Damit können Betroffene nach beendeter Pflege ihres Angehörigen am Arbeitsmarkt Fuß fassen“, betont Hämmerle. Aufgrund des aktuellen und künftig zu erwartenden Personalmangels im Pflegebereich würde das Modell der AK Vorarlberg helfen, den Arbeitsmarkt zu entlasten.
Nach zwei Jahren evaluieren
Die AK schlägt ihr Pilotprojekt für zwei Jahre Laufzeit vor. Danach muss es evaluiert werden. Die Gesamtkosten belaufen sich bei 200 Teilnehmern auf 7,2 Millionen Euro. Die Ersparnis gegenüber einer stationären Pflege liegen bei 1,1 Millionen Euro.
Unter www.ak-vorarlberg.at finden Interessierte das AK-Pflegemodell zum Download
„Danke, dass die AK das zum Thema macht“
„Grundsätzlich ist die Pflege in Österreich eine große Baustelle.“ Der das sagt, kennt sich aus. Günter Lampert hat in Feldkirch und auf Landesebene eine ganze Reihe von Sozialinitiativen auf den Weg gebracht. Dafür wurde er u. a. 2009 mit dem Russ-Preis ausgezeichnet.
Lampert spricht das AK-Modell schon aus Prinzip an. „Ich danke der AK, dass sie gerade in dieser Zeit neben den enormen Herausforderungen der Arbeitswelt die gesellschaftliche Herausforderung der Pflege daheim zum Thema macht und aktiv wird.“
Denn „die Unterstützung der Familien und der erbrachten Pflegeleistung ist enorm wichtig“. In Vorarlberg werden rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen zuhause versorgt. „Das zu halten ist eine große Herausforderung.“ In der Debatte um eine „angemessene Vergütung“, die pflegenden Angehörigen in Lamperts Augen gebührt, „müssen wir auch den Generationenvertrag in Erinnerung rufen“. Der wird oft stillschweigend erfüllt. „Angehörige leisten viel, ohne, dass sie je etwas dafür bekommen haben.“ Sie tun das, „weil sie die Verpflichtung spüren, die Älteren aus dem Leben zu begleiten“. Dass das AK-Modell neben der Entlohnung eine verpflichtende Ausbildung vorsieht, „begrüße ich sehr“.
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