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Persönliche Wurzeln

"Respektvoll und modern zwischen Weinberg und Ortsmitte, zwischen Vergangenheit und Zukunft" (Gerald Amann, Architekt)
"Respektvoll und modern zwischen Weinberg und Ortsmitte, zwischen Vergangenheit und Zukunft" (Gerald Amann, Architekt) ©Christian Grass
Was für ein aufregendes Leben – die Urlaubszeit der Kleinen bei der Oma in einem der schönsten Winzerdörfer des St. Galler Rheintals.
Haus Handke in Berneck

Hart war die Arbeit im Weinberg, hoch ging’s her bei den Festen, die der Kultivierung der Früchte folgten, gesellig und offen war das Haus. Immer wieder taucht in Filmen der 30er- und 40er-Jahre die Oma auf, die aus dem Dorfleben nicht wegzudenken war – mit dem Opa, der als Schuhmacher und Metzger die Haushaltskasse aufbesserte. All das und viel mehr geschah im Haus, das dann doch nicht zu halten war. Und doch lebt es im Neubau fort.

Rund ein Dutzend Winzer pflegen noch den Weinbau an Hängen, die heute beliebte Ziele für Naherholung sind. Unterhalb des Weinbergs steht der Neubau in einer verkehrsruhigen Gasse, von Bauern- und Handwerkerhäusern gesäumt, darunter mit mehr als 200 Jahren die ältesten der Ortschaft. Eine schützenswerte Zone, die eine konstruktive Unterstützung des Denkmalamts mit sich brachte beim Entwurf, der die Erinnerung der Bauherrin bewahrt.

Der Eingang etwa: tief unters Haus gezogen mit viel geschütztem Vorraum und steinerner Treppe. Darüber das Satteldach des Hauptbaus wie einst der markante Quergiebel, der die Mitte des Hauses markierte. Linkerhand, einige Stufen erhöht, die Wohnküche, die die Straße überblickt und einen Anbau an dieser Stelle aufgreift. Davon getrennt, ebenfalls dem Vorbild folgend, der Wohnraum, der sich in die Tiefe des Grundstücks entwickelt und einen Garten um einen alten Nussbaum einfasst – ruhig und zurückgezogen.

Klar geschieden: Privater und mehr öffentlicher Raum, etwa der Essbereich, der in die noch immer belebte Gasse und Dorfmitte blickt. Darunter: der alte, teilweise gewölbte Natur-Keller des Vorgängerbaus aus Feldstein. Er soll einmal wie- der einer der Gasträume für das örtliche Torkelfest werden. Der Übung der alten Bauernhäuser folgend verschwindet die Garage unter dem großen Dach zur Straße.

Die naturbelassene Fichtenschalung der Gebäudehülle findet sich in der Umgebung wieder, doch die Ausführung mit un- terschiedlichen Deckbreiten ist so ungewöhnlich, wie sich die Gesamtform als zeitgemäße zu erkennen gibt: knappe Konturen, freie Anordnung der Fenster, entschiedene Verteilung offener und geschlossener Flächen. Weiße Räume innen mit Böden aus Kunststein oder Eichendielen, raumhohe Verglasung zum introvertierten Garten, präzise gesetzte Fenster, wie Bilder, etwa mit Blick auf den Weinberg.

Das Obergeschoß ist dem Schlafen vorbehalten, klar gegliedert beidseitig der querliegenden Treppe in Eltern und Kinderbereich mit eigenem Bad. Dazu kommt ein Raum mit eigenem Dachgarten für einen regelmäßigen, verweilenden Hausgast. Ein Fensterband belichtet die Schlafzimmer nach Westen, während der östliche Flur dank hoch liegendem Fensterschlitz sich der Morgensonne und nahe gerückten Nachbargiebeln zuwendet.

Der Bau ist ein moderner Holzelementbau auf betonierter Bodenplatte mit den Vorzügen präziser Konstruktion, energetischer Optimierung, kurzer Bauzeiten, preiswerter Ausführung. Das Haus erreicht ohne Mühe Niedrigenergiestandard, die Gastherme mit Solarunterstützung speist eine Fußbodenheizung, von Be- und Entlüftung wurde abgesehen.

Ein Haus, das mit ganz persönlichen Geschichten zu tun hat und in fast privater Beziehung zwischen den Bauherrn Handke und Architekt Gerald Amann (querformat, Dornbirn) Gestalt angenommen hat. „Das frühere Bauernhaus, der Steinkeller, der ehrwürdige Nussbaum – Alt und Neu ergänzen und befruchten sich dank intensiver Anregung der Bewohner.“ Mit den Bauernmöbeln, die aus dem alten Haus kamen, ist gar ein wenig die Oma mit eingezogen.

Daten & Fakten


Objekt:
Haus Handke, Berneck (Schweiz)

Bauherren:
Katja und Bernhard Handke

Architekt:
Querformat ZT GmbH, DI Gerald Amann, Dornbirn.

Bauphysik:
PML Ingenieurbüro, Rebstein (Schweiz)

Planung:
2010

Ausführung:
09/2011–05/2012

Wohnfläche:
174 m²

Keller:
44 m² (bestehender Keller)

Grundstück:
1300 m²

Bauweise:
Holzelementbauweise mit natur- belassener Fichtenschalung; Keller Trockenmauerwerk, teilweise Bestand; Kellersanierung mit Stahlbeton, Stahlbetonfundament, teilweise Sichtbeton im Garagenbereich; Fußböden im Haus geöltes Eichenparkett; Fußbodenheizung, Gastherme, Solaranlage; Innenwände Gipskarton; Holzfenster Lärche    
Besonderheiten: Der alte Steinkeller (z. T. mit Tonnengewölbe) mit Stampfboden wurde genutzt und ein Teil des Gebäudes darauf errichtet.

Ausführung:
Generalunternehmer: Berchtold Holzbau, Wolfurt; Baumeister: Spitz Bau, Lüchingen (Schweiz); Zimmerer: Berchtold Holzbau, Wolfurt; Fenster: Sigg, Hörbranz; Böden: Pötz, Hohenems, Küche: Frick, Dornbirn

Baukosten:
ca. € 450.000
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg, Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten.
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