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Pakistan verbietet Taliban-Organisation

Die pakistanische Regierung hat eine Taliban-Gruppe verboten, die für zahlreiche Anschläge mit Hunderten von Todesopfern verantwortlich gemacht wird.

Islamabad könne mit dem islamistischen Bündnis “Tehrik-e-Taliban” (TTP) unter dem Stammeschef Baitullah Mehsud keinen Dialog mehr führen, erklärte Innenminister Rehman Malik am Montag. Bei einem Überfall von Extremisten auf das Haus eines Parlamentariers im unruhigen Nordwesten sind unterdessen mindestens zehn Menschen getötet worden. Präsidentschaftskandidat Asif Ali Zardari warnte vor einer Niederlage im Krieg gegen den Terrorismus. “Es ist ein Aufstand”, sagte der Witwer der ermordeten Ex-Regierungschefin Benazir Bhutto der BBC. Derzeit hätten die Taliban eindeutig die Oberhand.

Die TTP sei “wegen ihrer Beteiligung an mehreren Selbstmordattacken” für illegal erklärt worden, gab der Innenminister in Islamabad bekannt. Die Konten und Bankguthaben der in dem autonomen Stammesgebiet Süd-Waziristan operierenden Organisation wurden eingefroren. Unter dem zurückgetretenen Staatschef Pervez Musharraf hatte die pakistanische Armee mit dem Islamistenanführer Baitullah Mehsud Gespräche aufgenommen. Dieser wird von den USA beschuldigt, enge Verbindungen zum Terrornetz Al-Kaida zu unterhalten und die Taliban bei Angriffen in Afghanistan zu unterstützen. Am Wochenende dauerten die heftigen Kämpfe im Nordwesten an. Bei den Gefechten im Swat-Tal wurden nach offiziellen Angaben mindestens 50 Extremisten und zehn Soldaten getötet. Im Swat-Tal wollen Anhänger des radikalen Predigers Maulana Fazlullah eine theokratische Herrschaft errichten. Fazlullah selbst hatte in einer Fatwa zum Heiligen Krieg gegen die Armee aufgerufen.

Die Entscheidung zum TTP-Verbot erfolgte 24 Stunden nach der Ablehnung eines Waffenstillstandsangebots der Islamisten in der nordwestlichen Region Bajaur. Zuvor hatten sich die Taliban zu den verheerenden Anschlägen auf eine Waffenfabrik unweit von Islamabad am vergangenen Donnerstag bekannt. Dabei waren 67 Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt worden. Dass das Verbot nicht schon früher erfolgte, führte der Minister darauf zurück, dass die Regierung der Nordwestprovinz eine Verhandlungslösung zur Beendigung der Gewalt angestrebt habe.

Bei einem Überfall auf das Haus eines Politikers in der Nordwestprovinz sind am Montag zehn Menschen getötet worden. Unter ihnen ist nach Polizeiangaben auch der Bruder des Provinzabgeordneten Waqar Ahmed Khan von der Nationalen Awami-Partei. Außerdem kamen zwei Neffen des Politikers und mehrere Wachmänner ums Leben. Bevor die Angreifer verschwanden, setzten sie das in der Gegend von Shah Dheri im Swat-Tal gelegene Anwesen in Brand.

Der Oberkommandierende der NATO-geführten ISAF-Schutztruppe in Afghanistan, US-General David McKiernan, hatte vergangene Woche die Schwäche der pakistanischen Regierung und die fehlende Kontrolle Islamabads über die Stammesgebiete von Waziristan für die sich ständig verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan verantwortlich gemacht. Die Kämpfer der Taliban hätten in den praktisch unkontrollierten Gebieten eine sichere Rückzugsbasis und planten von dort immer größere Angriffe in Afghanistan. Unter Musharraf hatte Pakistan von den USA seit 2001 Zuwendungen von mehr als zehn Milliarden Dollar erhalten, um den Terrorismus von Al-Kaida und Taliban zu bekämpfen.

Die Taliban, deren islamisch-fundamentalistisches Regime in Afghanistan durch eine US-geführte Militärintervention 2001 entmachtet worden waren, haben ihre Offensiven gegen die pro-westliche Kabuler Regierung des Präsidenten Hamid Karzai und die ausländischen Truppen seit Jahresbeginn massiv verstärkt. Experten haben auch auf die starke Unterwanderung des mächtigen pakistanischen Geheimdienstes ISI durch Islamisten aufmerksam gemacht. 1996 waren mit Hilfe des ISI die Taliban in Kabul an die Macht gekommen. Bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA wurden sie von Musharrafs Regime unterstützt. Dann wurde Pakistan, das 1998 zur Atommacht aufgestiegen war, Verbündeter der USA, die in Afghanistan intervenierten und das Taliban-Regime stürzten.

Ein Großteil der milliardenschweren US-Hilfe, die Musharraf bekam, war für die Bekämpfung des Terrors bestimmt. Das änderte aber nichts daran, dass die Taliban in den Stammesgebieten von Waziristan an der Grenze zu Afghanistan ihre Rückzugsgebiete und Ausbildungslager haben. Ein festgenommener Taliban-Funktionär hatte nach Angaben des afghanischen Geheimdienstes eingestanden, dass der untergetauchte oberste Taliban-Chef Mullah Omar in Pakistan vom ISI geschützt wird. Politische Beobachter in Islamabad meinten auch, Pakistan lasse den Taliban freie Hand, um den Amerikanern seinen Anspruch auf eine wichtige Rolle in Afghanistan vor Augen zu führen. Musharraf habe damit außerdem auf die Annäherung zwischen den USA und Indien reagiert.

In Pakistan wird nach dem erzwungenen Rücktritt Musharrafs, der damit einem Amtsenthebungsverfahren zuvorkam, demnächst ein neuer Präsident gewählt. Das am 6. September zusammentretende Elektorenkollegium ist aus den Mitgliedern der beiden Häuser des Bundesparlaments und der vier Provinzparlamente zusammengesetzt. Die stärkste Partei, die Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Benazir Bhutto, hat deren Witwer Asif Ali Zardari für das höchste Staatsamt nominiert.

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