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ORF-Kampagne: Brisanter Vermerk über Kessler-Telefonat

Die Leiterin des ÖGK-Expertisezentrums für Öffentlichkeitsarbeit hat sich nach einem Telefonat mit dem damaligen ÖGK-Landesvorsitzenden Jürgen Kessler offenbar derart aufgeregt, dass sie einen fast zweiseitigen Aktenvermerk anlegte.
Kessler noch beim WB beschäftigt
Lukratives Inseratengeschäft

Von Güther Bitschnau (wpa)

Es ist in Vorarlberger Wirtschafts- und Politikkreisen kein Geheimnis, dass der zurückgetretene Vorarlberger Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler mitunter eine wenig zärtliche Vorgehensweise an den Tag legte, wenn es um die Durchsetzung seiner Interessen ging.

Seit Jahren kursieren deshalb nicht nur im Landhaus, sondern auch in der Wirtschaftskammer diverse Erzählungen über angebliche verbale Drohungen von Kessler gegenüber verschiedenen Personen. Wiederholt ist auch von Unter-Druck-Setzen die Rede.

Aktenvermerk über Telefonat mit Jürgen Kessler

Allerdings blieb es bis zum heutigen Tag immer nur bei der Erzählung am Telefon oder im Vier-Augen-Gespräch. Keine der betroffenen Personen wollte der Wirtschaftspresseagentur.com in der Vergangenheit dazu ein Interview geben, und konkretere Beweise gab es nicht. Jetzt allerdings hat mit etwas zeitlicher Verzögerung zumindest ein schriftlicher Aktenvermerk über ein Telefonat von Jürgen Kessler vom 4. September 2020 den Weg an die Öffentlichkeit gefunden. Der Aktenvermerk liegt der wpa in Kopie vor. 

ÖGK-Bereichsleiterin wollte Anweisungen schriftlich haben

Konkret dreht es sich um ein Telefongespräch zwischen Jürgen Kessler (Bild links, Copyright Wirtschaftsbund) in seiner damaligen - turnusmäßig wechselnden - Funktion als Dienstgebervertreter in der ÖGK Vorarlberg (Landesstellenleiter) und der damaligen Leiterin des Expertisezentrums für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing bei der Österreichische Gesundheitskasse ÖGK (Name der Redaktion bekannt). Die ÖGK-Bereichsleiterin hat in der Folge einen Aktenvermerk über dieses Telefonat angelegt. In dem laut Aktenvermerk rund 30-minütigen Telefonat ging es im Wesentlichen um zwei geplante Spots der ÖGK im ORF Vorarlberg um einen Betrag von 30.000 oder 35.000 Euro.

Kessler und die ÖGK-Bereichsleiterin hatten offenbar unterschiedliche Ansichten oder Informationen zu den ORF Spots und wer diese beauftragen sollte oder durfte und wie hoch der Betrag sein dürfe. Dabei regte sich Kessler angeblich auch über eine für Öffentlichkeitsarbeit und Inserate zuständige ÖGK-Mitarbeiterin in Vorarlberg auf. In dem Aktenvermerk der Bereichsleiterin steht zum Gesprächsverlauf unter anderem zu lesen:

"Kessler findet es unerträglich, dass Frau (.... in der Linie für Öffentlichkeitsarbeit in Vorarlberg zuständig), nicht ungefragt seine Aufträge ausführe und das nerve ihn schon unheimlich. Auf meinen Hinweis, dass Frau (...) bei dieser Linie mir unterstellt sei und ich wiederum meine Aufträge vom Generaldirektor bekomme, wurde ich recht unfreundlich darauf hingewiesen, ob ich denn wisse mit wem ich spreche und ich solle mich in meinem Ton mäßigen - das würde Konsequenzen für mich haben. Ich habe ihn mehrmals darauf hingewiesen, dass es eine Vorgabe des GD gäbe, die besagt, dass die lokalen Öffentlichkeitsarbeits-MitarbeiterInnen keine Weisungen der Selbstverwaltung entgegenzunehmen haben, er möge sich in solchen Fällen bitte an mich wenden, da Frau (...) sonst ständig in einen Konflikt komme."

Und weiter: "Kessler beharrte darauf, dass er die Öffentlichkeitsarbeit in Vorarlberg steuern und beauftragen darf - weil von der "Zentrale" höre man ja nichts und er sei der einzige Garant, dass die Marke ÖGK in Vorarlberg hochgehalten werde. Er habe weiters die Genehmigung von ÖGK Generaldirektor Wurzer, dass er Inserate in Vorarlberg einbuchen und beauftragen dürfe. Auf meinen Hinweis, dass wir das bereits jetzt über die Medienagentur HAVAS abwickeln und ab dem 1. Jänner 2021 sogar ausschließlich mit der Medienagentur - (...) meinte er, dass er das ganz bestimmt nicht machen werde und drohte mir in diesem Fall mit Konsequenzen für mich. Ich solle mir nochmals überlegen wer er sei und ob ich mir tatsächlich anmaße ihm solche Dinge zu sagen."

Kessler habe zudem gesagt: "Generaldirektor Wurzer und sein (....) seien geradezu erfreut, dass er so agiere (...). Bei jedem Gespräch würde ihm versichert, wie großartig er das mache und ohne sein Zutun wäre die ÖGK in Vorarlberg nicht präsent. Ich habe dann festgehalten, dass ich zur Kenntnis nehme, dass er die Medienarbeit in Vorarlberg eingeständig ausführt - habe aber betont, dass ich das gerne schriftlich hätte bzw. dass dies in einem Gespräch mit dem Generaldirektor geklärt werden muss."

Abschließend berichtete die Bereichsleiterin der ÖGK in ihrem Vermerk: "Gegen Ende des ca. 30-minütigen Gesprächs lenkte er dann sichtlich ein, nachdem ich weiterhin darauf beharrte, dies alles schriftlich festzuhalten. Ich solle die ersten fünf Minuten des Gesprächs vergessen, ich wisse ja, wie das so laufe - aber das könne er am Telefon aus verständlichen Gründen nicht aussprechen. (....) Wir würden da schon eine gute Lösung finden, aber darüber wolle er aus nachvollziehbaren Gründen (!) nicht am Telefon sprechen, sondern nur persönlich."

(C) WPA

Kessler bestätigt "intensive Diskussion"

Jürgen Kessler ließ der wpa auf Anfrage folgende Stellungnahme zu dem Telefonat zukommen: "Die dem ÖGK-GD Bernhard Wurzer dienstzugeteilte Mitarbeiterin hat über ein Telefonat mit mir, das vor zwei Jahren stattgefunden hat, einen Vermerk erstellt, den ich nur auszugsweise kenne. Ich habe meine eigenen Wahrnehmungen über das Gespräch. Eine persönliche Drohung kann ich ausschließen, eine intensive Diskussion in einem internen Telefonat bestätigen."

In der Sache sei es um eine langjährige Kooperation mit dem ORF gegangen, die schon zu Zeiten der VGKK bestanden habe. "ORF Landesdirektor Markus Klement hat sich persönlich für die Fortsetzung der Kampagne stark gemacht. ÖGK-Generaldirektor Wurzer hat zuständigerweise Monate davor entschieden, dass die Landesstelle der ÖGK die Kooperation mit dem ORF fortführen solle", so Kessler.

Interventionen wurden schon im Herbst 2020 bekannt

Die wpa berichtete bereits im September 2020, also zu jener Zeit, als das obgenannte Telefonat stattfand, dass es angeblich direkte Interventionen von Kessler in seiner Doppelfunktion als ÖGK-Landesvorsitzender und damals größter Mitinhaber der Anzeigenagentur Media Team rund um ÖGK-Inserate in der WKV-Zeitung gegeben haben soll. Es gab zu jener Zeit auch bereits Informationen über angebliche Aktenvermerke von ÖGK-Mitarbeiterinnen, die sich damals nicht beweisen ließen. 

Damals sagte Kessler in einem Statement der wpa: "Klar ist, dass die ÖGK-Landesstelle in Fragen bezahlter Öffentlichkeitsarbeit seit 1. Jänner 2020 kein formales Mitspracherecht mehr hat, da die ÖGK jetzt ein bundesweiter Träger ist. Manfred Brunner und ich können in diesen Fragen gar nicht formal mitwirken." Ihre Rolle beschränke sich jetzt auf das Nachfragen.

Warum es dann zu dieser Zeit ein solch intensives Telefonat mit der Leiterin der Expertisezentrums für Öffentlichkeitsarbeit gegeben hat, bleibt zumindest derzeit noch offen.

(Wirtschaftspresseagentur)

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