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Olmert: Annullierung der Hamas-Charta

Israelis amtierender Ministerpräsident Ehud Olmert verlangt die Annullierung der Hamas-Charta, in der die Zerstörung Israels als Ziel festgeschrieben ist.

Die israelische Regierung hat die aus den palästinensischen Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangene Hamas aufgefordert, ihre Charta zu annullieren, in der die Zerstörung Israels als Ziel festgeschrieben ist. Die Hamas, die im neuen Parlament über die absolute Mehrheit verfügt, lehnt die von Israel verlangte Entwaffnung bisher ab. Auch internationale Drohungen, dringend benötigte Hilfsgelder zu streichen, würden daran nichts ändern, sagten führende Vertreter der radikalen islamischen Organisation am Wochenende in Gaza. Man erwäge, arabische Staaten um Hilfe zu bitten. Mitglieder der abgewählten Fatah besetzten am Wochenende aus Wut über ihre Niederlage kurzzeitig Amtsgebäude.

„Wir verlangen, dass die Hamas ihre Charta annulliert und das Recht Israels anerkennt, in sicheren und anerkannten Grenzen zu leben, sowie alle Verträge, Vereinbarungen und Verpflichtungen, die von der palästinensischen Behörde eingegangen worden sind“, sagte Interims-Premier Ehud Olmert am Sonntag zu Beginn einer Ministerratssitzung in Jerusalem. „In diesen Forderungen werden wir nicht nachgeben, und die internationalen politischen Verantwortlichen, mit denen ich darüber gesprochen habe, stimmen mit uns überein“, betonte Olmert in seiner vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragenen Rede. Verteidigungsminister Shaul Mofaz sagte, die Hamas bleibe auch als Wahlsiegerin eine Terrororganisation. Solange sie ihre Entwaffnung ablehne, werde Israel nicht mit ihr verhandeln.

Der Hamas-Anführer im Gaza-Streifen Mahmoud Zahar hat eine Anerkennung Israels abgelehnt. Seine Organisation sei aber bereit, über einen dauerhaften Waffenstillstand zu verhandeln, sagte Zahar dem britischen „Sunday Telegraph“. Er forderte zugleich die internationale Gemeinschaft auf, die Hamas nach ihrem Wahlsieg anzuerkennen. Der politische Führer der Hamas, Khaled Mechaal (Mashaal), hatte zuvor in Syrien eine Fortsetzung des Widerstands gegen Israel angekündigt. Führende Hamas-Politiker sind nach Informationen des israelischen Rundfunks an einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel interessiert. Merkel begibt sich am Sonntag zu einem zweitägigen Besuch nach Israel und Palästina; sie ist die erste ausländische Politikerin, die nach dem Hamas-Wahlsieg die Region besucht. Ein Treffen mit Hamas-Vertretern sei nicht vorgesehen, hatte der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin gesagt.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas (Abu Mazen) hat am Sonntag in Ramallah das Fatah-Zentralkomitee zu einer Sondersitzung einberufen, um das Wahlergebnis zu analysieren und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Wie aus Fatah-Führungskreisen verlautete, dürfte die große Mehrheit der Mitglieder des Zentralkomitees jede Form einer Beteiligung an einer Hamas-geführten Regierung strikt ablehnen. Am morgigen Montag wird Abbas zu Gesprächen mit der Hamas-Führung in Gaza erwartet. Wann er den Wahlsiegern den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilt, ist derzeit nicht bekannt.

Das palästinensische Grundgesetz stattet den Präsidenten mit umfangreichen Exekutivvollmachten aus, die Richtlinienkompetenz in der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik liegt ganz bei ihm. 2003 war auf Druck der USA, die die Machtkonzentration in den Händen des damaligen Präsidenten Yasser Arafat heftig kritisiert hatten, das Amt eines Premierministers eingeführt worden. Man orientierte sich dabei an den Verfassungen Ägyptens und Frankreichs, wo die jeweiligen Premierminister Assistenten des Präsidenten sind, der selbst den Vorsitz im Kabinett führt und das letzte Wort hat. Vertragspartner Israels im Oslo-Prozess ist ohnehin nicht die Selbstverwaltungsbehörde, sondern die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), deren Vorsitzender Abbas ist, unterstrichen politische Beobachter.

Likud-Chef Benjamin Netanyahu hat die israelische Regierung aufgefordert, Transferzahlungen in Millionenhöhe an die Palästinenser einzustellen. Bei der Hamas handle es sich um einen „erbitterten Feind“, der vom Iran unterstützt werde, deshalb müsse Israel Härte zeigen. Der rechtskonservative Oppositionsführer forderte den amtierenden Premier Olmert am Sonntag im Rundfunk auf, den Palästinensern zustehende Steuer- und Zolleinnahmen in Millionenhöhe einzubehalten. Diese treibt Israel auf der Grundlage des Oslo-Abkommens ein, um sie an die palästinensische Regierung weiterzuleiten. Der israelische Rundfunk hatte berichtet, die Gelder sollten ungeachtet des Wahlergebnisses weiter fließen.

Der scheidende palästinensische Wirtschaftsminister Mazen Sunukrot hatte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die Befürchtung geäußert, der palästinensischen Selbstverwaltung drohe der wirtschaftliche Kollaps, sollte Israel die Gelder von monatlich 40 bis 50 Millionen Euro nicht auszahlen. Auch EU-Politiker und die USA haben den Palästinensern mit Einstellung der Finanzhilfen gedroht, sollte die für zahlreiche Terrorakte verantwortliche Hamas-Bewegung nicht der Gewalt abschwören und Israels Existenzrecht anerkennen.

Der israelische Friedensaktivist und ehemalige Knesset-Abgeordnete Uri Avnery erklärte, Israel müsse mit jeder palästinensischen Führung verhandeln, die vom palästinensischen Volk gewählt worden sei. „Obwohl der Hamas-Sieg wie ein Rückschlag für den Frieden aussieht, kann das wirkliche Ergebnis ganz anders aussehen“, kommentierte der Gründer der Friedensbewegung „Gush Shalom“ und Träger des Alternativen Friedensnobelpreises das Wahlergebnis. Nach den israelischen Parlamentswahlen Ende März, „nachdem beide Völker ihre neuen Regierungen aufgestellt haben, werden sie mit einander reden müssen.“

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