Ofczarek brilliert als verrätselter "Richard III."
Ursprünglich hätte Menardi lediglich das Bühnenbild für Johan Simons' "Richard III."-Deutung verantworten sollen, doch dann musste der Niederländer die Regie im Sommer aus gesundheitlichen Gründen abgeben. So nahm der 48-jährige Tiroler, der im Vorjahr am Volkstheater mit "Heit bin e ned munta wuan" eine Würdigung der Wiener Gruppe herausbrachte, die Herausforderung an und lieferte am Freitagabend damit sein Regiedebüt am Haus. Aufgrund seiner Vergangenheit als Schauspieler sehe er das Bühnenbild als "Mitspieler, der Dinge beeinflusst und an denen man sich abarbeiten muss", wie er vorab im APA-Interview erläuterte.
Keiner kommt hier lebend raus
Und welch Raum hat Menardi geschaffen! Aus diesem die Bühne ausfüllenden, mit vergilbten Kacheln ausgekleideten Bunker gibt es keinen Ausweg. "No one here gets out alive", hört man im Kopf Jim Morrison raunen. Doch bis hier so ziemlich alle tot sind, dauert es drei intensive, schmerzvolle Stunden, in denen Menardi den Kern des menschlichen Strebens nach Anerkennung mehr herausarbeitet als das bloße Streben nach Macht. Zu verdanken ist das dem gewohnt überkörperlichen Spiel Ofczareks, der als klumpfüßiger und buckliger Usurpator in Dörte Lyssewski als Buckingham einen treuen Komplizen für den Blutrausch gefunden hat. Die Beflissenheit, mit der sie seine Anweisungen ausführt, steht dabei im starken Kontrast zu Ofczareks wilder Missmutigkeit.
Ordentlich kontra bekommt er nur von den Königswitwen Margaret (Dorothee Hartinger) und Elisabeth (herrlich bissig und Ofczarek in Missmut nicht nachstehend: Sarah Viktoria Frick), während Katharina Lorenz die an Richards Seite verblassende Lady Anne hinreißend verletzlich verkörpert. Auch Sylvie Rohrer als Clarence trägt wie alle ihre Mitspielerinnen die große Last, auch noch zahlreiche weitere Rollen zu spielen, vom Boten bis zum Prinzen, vom Mörder bis zum Gerichtsschreiber. Dafür hat Kostümbildnerin Katrin Aschendorf kleine, aber wirkungsvolle Akzente gesetzt. All das führt in der stark verdichteten Fassung von Chefdramaturg Thomas Jonigk dennoch zu einem kaum zu entwirrenden Chaos, das von einzelnen starken Szenen lebt und am Ende keinen Halt bietet.
Alles nur eine wahnhafte Versuchsanordnung?
Zwischen einem Haufen weißer Tierkadaver, einem munteren Roboterhund, der Richard als Einziger treu bleiben wird, und einer lebensgroßen Ofczarek-Replikation als König Edward, dessen Text ihm über eine Haussprechanlage eingeflüstert wird, lässt Menardi den Eindruck entstehen, dass es sich hier vielleicht doch nur um die wahnhafte Versuchsanordnung eines verlorenen Verrückten handelt, der diese Mauern nie verlassen wird können. Doch mit wahnhaften Verrückten in freier Wildbahn haben wir es heute wie damals zu genüge zu tun. Es gibt sie. Und oft genug hält sie keiner auf. Lang anhaltender Applaus für das bis zur absoluten Erschöpfung spielende Ensemble beendete einen Abend, über den man lange nachdenken kann. Gefühlt hat man ihn in jeder Sekunde.
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - "Richard III." von William Shakespeare im Akademietheater, Regie und Bühne: Wolfgang Menardi, Kostüme: Katrin Aschendorf. Mit Nicholas Ofczarek, Dörte Lyssewski, Dorothee Hartinger, Sarah Viktoria Frick, Katharina Lorenz und Sylvie Rohrer. Weitere Termine: 25. und 28. November, 7., 15. und 26. Dezember. )
(APA)
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