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ÖVP-Razzien: Inserate gegen positive Berichterstattung?

Die Vorfälle zwischen ÖVP und der Zeitung "Österreich" sollen bereits einige Jahre zurückliegen.
Die Vorfälle zwischen ÖVP und der Zeitung "Österreich" sollen bereits einige Jahre zurückliegen. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Im Umfeld von Bundeskanzler Kurz wurden am Mittwoch mehrere Raziien durchgeführt. Die Vorfälle, die die Sache ins Rollen gebracht haben, liegen allerdings einige Jahre zurück.
ÖVP-Zentrale durchsucht

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat ein neues Kapitel in ihren Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aufgeschlagen. Im Umfeld des Regierungschefs, der ÖVP-Zentrale sowie im Finanzministerium wurden am Mittwoch mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt. Diesmal geht es unter anderem um Umfragen, die aus Steuergeldern vom Finanzministerium über Scheinrechnungen zum Nutzen des späteren Kanzlers finanziert worden sein sollen.

Mehrere Hausdurchsuchungen

Schon seit Tagen waren - von der ÖVP selbst medial befeuert - die Hausdurchsuchungen in der Luft gelegen. Am Mittwoch war es dann so weit. Betroffen von den Razzien im Kanzleramt waren der Sprecher des Kanzlers, Johannes Frischmann, der Medienbeauftragte am Ballhausplatz Gerald Fleischmann und Berater Stefan Steiner. Dem Vernehmen nach wurden auch deren Privatwohnungen "besucht". Ebenfalls betroffen war die ÖVP-Bundesparteizentrale. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bestätigte, dass auch in seinem Ressort eine Durchsuchung stattgefunden hat.

Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung

Blümel ist allerdings in die Angelegenheit selbst nicht involviert. Die inkriminierten Handlungen liegen bereits einige Jahre zurück, der Großteil schon bevor Kurz die ÖVP übernommen und das Kanzleramt erobert hatte. Die Vorwürfe drehen sich um Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung. Ermittelt wird gegen Kurz selbst, die Adressaten der heutigen Hausdurchsuchungen, gegen die Mediengruppe "Österreich" sowie Helmuth und Wolfgang Fellner, den früheren Generalsekretär im Finanzministerium und späteren ÖBAG-Chef Thomas Schmid, einen Mitarbeiter des Finanzressorts sowie gegen zwei Meinungsforscherinnen, darunter Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP).

"Österreich"-Zeitung involviert

Im Wesentlichen geht es bei den Vorwürfen um die Zeit vor der ÖVP-internen Machtübernahme von Kurz im Jahr 2017. Damals war Reinhold Mitterlehner noch Chef der Volkspartei. Etwa sollen damals nach Ansicht der Ermittler Umfragen im Interesse von Kurz und dessen Umfeld per Scheinrechnungen als Leistungen für Studien des Finanzministeriums abgerechnet worden seien, also das Finanzministerium aus Amtsmitteln Umfragen für das "(partei)politische Fortkommen" Kurz bezahlt haben. Davon leiten die Ermittler das Delikt der Untreue ab.

Zudem hegt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft den Verdacht, dass von den handelnden Akteuren aus dem türkisen Umfeld im Finanzministerium ab etwa April 2016 "mehrere Inseraten- und Medienkooperationsvereinbarungen mit Medien der Fellner-Gruppe" geschlossen wurden, und zwar zum Vorteil von Kurz. Dabei geht es laut WKStA nicht nur um geschönte Umfrageergebnisse, sondern auch um eine "die Interessen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner Vertrauten fördernden Kommentierung durch Wolfgang Fellner oder andere Akteure". Die Gesamtkosten der Inserate, die keinen Bezug zur Tätigkeit des Finanzministeriums gehabt hätten, sollen dabei eine Million überstiegen haben. Dadurch sollen die Tatbestände Bestechung und Bestechlichkeit erfüllt sein.

Schmid als Verhandler?

Kurz persönlich wirft die WKStA vor, den damaligen Generalsekretär Schmid mit der Organisation und den Verhandlungen sowie mit der Kooperation mit der Mediengruppe beauftragt und sich regelmäßig berichtet haben zu lassen. Ferner soll der Kanzler die ehemalige Ministerin Karmasin überredet haben, sich an Tathandlungen zu beteiligen, indem er einzelne Fragestellungen in Auftrag gegeben und auf deren Veröffentlichung hingewirkt habe. Diese hätten aber "ausschließlich parteipolitischen Zwecken" gedient.

Um zu belegen, dass Kurz selbst von den Plänen gewusst haben soll, verweist die Staatsanwaltschaft auf einen Chatverlauf zwischen ihm und Schmid vom 15. März 2016. Schmid war sich demnach nicht sicher, ob Karmasin dabei ist, woraufhin Kurz schrieb: "kann ich mit ihr reden?" Schmid antwortet: "Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner, weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi (Spitzname von Ex-ÖVP-Chef und Kurz-Förderer Michael Spindelegger, Anm.) auf sie angesetzt. Wenn du ihr sagst dass jetzt nicht die Welt untergeht. Und das (sic!) Mitterlehner eben ein arsch (sic!) war usw. Hilft das sicher." "passt mach ich", lautet demnach die Antwort von Kurz.

Inserate im Wert von 116.000 Euro netto

Die Staatsanwaltschaft glaubt außerdem anhand von Chatprotokollen, dass es bereits im April 2016 "Vereinbarungen" zwischen Schmid und den Fellners gegeben habe und zitiert dazu folgenden Nachricht Schmids an Wolfgang Fellner: "Lieber Herr Fellner! Mit Ihrem Bruder einen Teil der Vereinbarung erledigt. Ich bin gespannt wie das Schelling Budget morgen bei euch berichtet wird. LG Thomas". Außerdem verweist die Staatsanwaltschaft auf eine Nachricht von Pressesprecher Frischmann an Schmid vom 27. Juni 2016: "Fellner hat sich an keine Abmachung gehalten. (...)" Schmid beschwert sich daraufhin bei Karmasin über den "Vertrauensbruch" und bei den Fellners über die "echte Frechheit" - Fellner soll sich daraufhin "einsichtig" gegeben haben, wie es die Staatsanwaltschaft ausdrückt. Wenige Tage später berichtet demnach Frischmann von der zweimaligen Schaltung einer Inseraten-Doppelseite in der Zeitung um insgesamt 116.000 Euro netto.

Die Kooperation wurde laut Staatsanwaltschaft weiter ausgebaut, im September 2016 schrieb Schmid an Kurz: "Hab echt coole News! Die gesamte Politikforschung in Österreich wird nun zur Beinschab wandern. Damit haben wir Umfragen und Co im besprochenen Sinne :-))". Im Jänner 2017 schrieb Frischmann demnach an Schmid, er habe B. "noch angesagt was sie im Interview sagen soll". "So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen", freut sich Schmid, "Geniales investment". Schmid fügt noch an: "Und Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt schafft an. Ich liebe das."

Das türkise "Projekt Ballhausplatz"

Unter dem Titel "Projekt Ballhausplatz" hat der nunmehrige Kanzler Sebastian Kurz mit seinen Vertrauten die Übernahme der ÖVP-Parteiführung von Reinhold Mitterlehner, den Umbau zur türkisen "Neuen Volkspartei" und die ersten 100 Tage nach dem Einzug ins Kanzleramt minutiös geplant. Nach dem Bekanntwerden hatte die ÖVP noch massive Zweifel an der Echtheit der Papiere angemeldet. Später war sie auf die Erklärung umgeschwenkt, dass Teile des Strategiepapiers doch echt seien.

Das 200-seitige angebliche Strategiepapier war im Nationalratswahlkampf 2017 aufgetaucht. Es soll bereits 2016 - und damit lange vor dem Rücktritt von Ex-ÖVP-Chef Mitterlehner und vor Kurz' Wahl zum ÖVP-Chef und Spitzenkandidaten - von Kurz-Mitarbeitern erstellt worden sein. Auch in der Anordnung zu den heutigen Hausdurchsuchungen in der ÖVP und dem Bundeskanzleramt bezieht sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) darauf.

Pressekonferenz einen Tag vor der Hausdurchsuchung

Die WKStA hatte die Hausdurchsuchungen am 23. September beantragt, wie aus der Anordnung hervorgeht. Bewilligt hat sie am 29. September jener Richter, der Anfang des Monats die richterliche Einvernahme von Kurz durchgeführt hatte. Die WKStA erlangte am 4. Oktober Kenntnis von der Bewilligung. Am 28. September hatte ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gabriela Schwarz noch in einer Pressekonferenz über Journalisten-Anfragen zu Hausdurchsuchungen in ihrer Parteizentrale geklagt und eine Klarstellung von den "zuständigen Stellen" verlangt.

ÖVP erbost

In der ÖVP reagierte man erbost. Die Hausdurchsuchung fand just vor dem Ministerrat statt, dem aber der Kanzler wegen seiner Slowenien-Reise zum Westbalkan-Gipfel nicht beiwohnte. Zu einem kurzen Medien-Statement ohne Fragemöglichkeit ausgesandt wurde daraufhin Klubchef August Wöginger (ÖVP). Es gebe immer die gleichen konstruierten Vorwürfe, die einzig als Ziel hätten, der Volkspartei und Kanzler Kurz zu schaden. Die ÖVP werde dem politisch wie juristisch entgegentreten, so der Fraktionschef, ohne sich in Details zu ergehen.

Grüne kritisch

Dem Koalitionspartner passten die neuen Angriffe der ÖVP, die unter anderem auch von Showeffekten gesprochen hatte, nicht. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) wandte sich nach dem Ministerrat gegen pauschalierende Attacken gegen die Justiz. Seine Partei werde dazu beitragen, dass unabhängig ermittelt werden könne, blieb man beim schon bekannten Stehsatz. Auswirkungen auf die Regierungszusammenarbeit sah der Grünen-Chef nicht. Der Maßstab sei die Handlungsfähigkeit der Regierung und die halte er für "voll gegeben".

Opposition erfreut

Weniger gnädig reagierte die Opposition. Für FPÖ-Obmann Herbert Kickl ist der Rücktritt des Kanzlers "überfällig". "Das türkise Kartenhaus bricht krachend zusammen", findet SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, und NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos verlangte von der ÖVP, ihr "unwürdiges Beschädigen des Rechtsstaates umgehend einzustellen und zur Aufklärung beitragen."

(APA/red)

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