Österreich seit 70 Jahren UNO-Mitglied
"Aufnahme Oesterreichs in die Vereinten Nationen in heutiger Abendsitzung der Generalversammlung einstimmig beschlossen. Stop", telegrafierte der damalige österreichische Beobachter bei den Vereinten Nationen, Kurt Waldheim, in der Nacht auf den 15. Dezember 1955 nach Wien. Genau dieses Gremium sollte Waldheim 15 Jahre später zum UNO-Generalsekretär wählen, weitere neun Jahre später wurde Wien dann zum dritten UNO-Sitz.
Die UNO-Mitgliedschaft war zentraler Bestandteil des österreichischen Strebens nach Selbstbestimmung nach dem Zweiten Weltkrieg. Gut zwei Jahre dauerte es, dass die Besatzungsmächte dem Land im September 1947 einen eigenen Beobachter am UNO-Hauptsitz in New York zugestanden. Eine Beobachtermission durfte das Land dann im Juni 1953 eröffnen.
"Schlusspunkt im Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit"
Während Vizekanzler Adolf Schärf (SPÖ) die am 14. Dezember 1955 beschlossene Aufnahme als "Schlusspunkt im Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit" bejubelte, sprach UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld von einem "historischen Tag für die Vereinten Nationen". Die Äußerung des Schweden hatte freilich nur am Rande mit Österreich zu tun. Schließlich markierte das Votum das Ende einer fünfjährigen Aufnahmeblockade in der jungen Weltorganisation. Ausgestattet mit ihren Vetorechten hatten die USA und die Sowjetunion nämlich die Aufnahme von der anderen Seite nahestehenden Staaten verhindert.
Besondere Verdienste um den Durchbruch hatte sich der damalige kanadische Gesundheitsminister Paul Martin erworben, der monatelang zwischen den beiden Blöcken vermittelt hatte. Er konnte eine Enthaltung der USA zu einer von der Sowjetunion eingebrachten Sicherheitsratsresolution erreichen, mit der neben Österreich auch Italien, Spanien, Portugal, Irland und Finnland sowie Ungarn, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Kambodscha, Nepal, Laos, Sri Lanka, Libyen und Jordanien in die UNO aufgenommen wurden. Die Mitgliederzahl der zehn Jahre zuvor gegründeten Organisation wuchs damit von 60 auf 76.
Mit Blauhelm-Missionen zum UNO-Musterschüler
Das frisch gebackene Mitglied Österreich profilierte sich als "UNO-Musterschüler". Schon im Jahr 1960 beteiligte sich das Bundesheer erstmals an einem Blauhelm-Einsatz, indem es Sanitäter in den Kongo schickte. Den Höhepunkt erreichte das diesbezügliche Engagement Österreichs im Jahr 1989, als Österreich der drittgrößte Truppensteller war. Heute ist das Bundesheer nur noch an der UNIFIL-Mission im Libanon mit einem nennenswerten Kontingent (159 Soldatinnen und Soldaten) beteiligt, dazu kommt eine Handvoll Verbindungsoffiziere im Kosovo (UNMIK), der Westsahara (MINURSO), auf Zypern (UNFICYP) sowie in Nahost (UNTSO).
Mehrere Österreicher erklommen Spitzenpositionen in den Vereinten Nationen. So war der spätere Bundespräsident Waldheim von 1971 bis 1981 UNO-Generalsekretär. Seit September 2022 hat der Spitzendiplomat Volker Türk das einflussreiche Amt des UNO-Menschenrechtskommissars inne und ist damit der aktuell einflussreichste UNO-Diplomat. Sein Amt wurde übrigens in Wien geschaffen, und zwar bei der Weltkonferenz über Menschenrechte im Juni 1993.
Und während die Hälfte der UNO-Mitglieder noch nie im Weltsicherheitsrat vertreten waren, strebt Österreich aktuell schon seine vierte Mandatsperiode im mächtigsten UNO-Gremium an. Für die Jahre 1973/74, 1991/92 und 2009/10 war Österreich von der UNO-Generalversammlung auf einen von zehn wechselnden Plätzen im Rat gewählt worden. Kommenden Juni entscheidet sich, ob "Austria" ab Jänner 2027 neuerlich am Tisch der mächtigsten Staaten der Welt sitzen darf.
Ein Vierteljahrhundert nach Beitritt wurde Wien zum UNO-Sitz
24 Jahre nach der Aufnahme Österreichs in die Vereinten Nationen wurde Wien zum dritten UNO-Sitz - neben dem Hauptquartier New York und dem Sitz der UNO-Vorläuferorganisation Völkerbund, Genf. Die Etablierung des Wiener UNO-Sitzes fiel in die politische Blütezeit des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky (SPÖ), der sich auch international als Friedensvermittler zu positionieren versuchte. Er hatte den Bau der Wiener UNO-City gegen heftige innenpolitische Widerstände durchgesetzt. Im Jahr 1979 eröffnet, ist die UNO-City für einen symbolischen Schilling (13 Eurocent) auf 99 Jahre an die Vereinten Nationen vermietet.
Den Bau eines solchen Internationalen Zentrums hatte bereits die ÖVP-Vorgängerregierung im Jahr 1967 der UNO angeboten. Zu diesem Zeitpunkt hatten zwei wichtige UNO-Organisationen - die Internationale Atomenergieorganisation (IEAO) seit 1957 und die Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO) seit 1967 - bereits ihren Sitz in Wien. Später kamen noch das UNO-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), das UNO-Büro für Weltraumfragen (UNOOSA), das Büro für Abrüstungsfragen (UNODA) sowie die Organisation des Vertrags über einen umfassenden Stopp von Atomversuchen (CTBTO) hinzu.
Mit seinen rund 5.000 Mitarbeitern aus 150 Nationen ist die UNO-City ein wesentlicher wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Faktor in Wien. Die Rolle Wiens als UNO-Sitz wird immer wieder als Argument angeführt, warum Österreich seine Neutralität nicht aufgeben könne.
Abzug von Golan-Höhen sorgte für Kopfschütteln am East River
Während sich das Land in einigen Tätigkeitsbereichen der Vereinten Nationen federführend engagiert - insbesondere in Abrüstungsfragen und dem Verbot von bestimmten inhumanen Waffengattungen wie Anti-Personen-Minen, Streumunition oder Atombomben - ist die Zusammenarbeit mit der UNO nicht immer friktionsfrei.
So sorgte der überstürzte Abzug der österreichischen Blauhelme von den Golan-Höhen im Wahlkampfjahr 2013 für Kopfschütteln in der UNO. Der damalige Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete es später als einen der wenigen Fehler seiner zwölfjährigen Amtszeit, dass er der rot-schwarzen Koalitionsregierung damals nicht explizit vom Abzug abgeraten habe. Begründet wurde der Rückzug mit Sicherheitsproblemen nach dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs. Mit 39 Jahren handelte es sich um den längsten Blauhelm-Einsatz Österreichs.
Geradezu feindselig gegenüber der UNO wurde es während der zweiten schwarz-blauen Regierung, als der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einen kritischen Bericht der damaligen UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet am Asylsystem mit öffentlicher Kritik konterte. Er lasse "es als Bundeskanzler nicht zu, Österreich schlechtzureden", sagte Kurz im Mai 2019. Die UNO-Experten hatten Mängel bei der Rechtshilfe für Asylbewerber sowie die Schubhaft für Kinder kritisiert.
Dem Ansehen Österreichs und seiner Diplomaten in der UNO tat diese Episode aber keinen Abbruch: Schon wenige Monate später wurde die Diplomatin Elisabeth Tichy-Fisslberger zur Vorsitzenden des UNO-Menschenrechtsrates gewählt. Der damalige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach im Dezember 2019 von einem "Zeichen der Anerkennung für das jahrzehntelange und unermüdliche österreichische Engagement für Menschenrechte innerhalb der Vereinten Nationen".
(APA)
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