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Österreich hat sich von Deutschland abhängen lassen - OeNB besorgt

Nowotny: Wegen Rückstands Arbeitsgruppe eingesetzt.
Nowotny: Wegen Rückstands Arbeitsgruppe eingesetzt. ©APA/Archivbild
Die Notenbank-Spitze macht sich Sorgen um den Wirtschafts- und Industriestandort Österreich - konkret, weil die Alpenrepublik immer stärker gegenüber ihrem Haupthandelspartner Deutschland zurückfällt.

“Es ist eine wirtschaftspolitische Herausforderung, dass Österreich als Industriestandort weiter erhalten bleiben muss”, betonte OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny am Montag.

Das “Nachhinken” der österreichischen Entwicklung gegenüber Europa bzw. der Eurozone und “schon seit einiger Zeit auch hinter den Deutschland-Zahlen beschäftigt uns doch massiv”, verhehlte Nowotny nicht. Daher habe man in der OeNB “eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich damit beschäftigt”.

prognose
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Seit 2008 Marktanteile verloren

Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 habe Österreich Marktanteile verloren – etwa im Kfz-Zuliefer-Bereich -, unsere Nachbarn dagegen dazugewonnen, sagte Nowotny bei der Vorlage der jüngsten Konjunkturprognose der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Dabei stelle sich die Entwicklung Österreichs weniger als reines Kostenproblem als vielmehr ein Strukturproblem dar, da viele Märkte, speziell in Osteuropa, nicht mehr so stark wuchsen und Konkurrenten in Europa viel stärker geworden seien.

wachstum
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Autozuliefer-Sektor schwächelt

Wegen des langfristigen Strukturwandels in der Industrie, dem Österreich ausgesetzt ist, stehe unser Land “vor strategischen Entscheidungen”, etwa was einen Nachfolger für den schwächelnden Autozuliefer-Sektor betreffe, “dessen quantitative Wachstumsaussichten ausgelaufen sein dürften”, wie Nowotny meinte. Ansiedlungen wie seinerzeit des BMW-Motorenwerks in Steyr seien heute nicht mehr so einfach.

Für den Notenbank-Chef steht fest, dass “Österreich bei der Struktur wieder mehr auf zukunftsträchtige Bahnen kommen muss”. Denn im Zeitraum 2013 bis 2015 werde Österreich “deutlich von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt – das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen”.

BIP: Nur von Ländern wie Irland oder Niederlande übertroffen

Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liege Österreich zwar nach wie vor sehr gut, “eindeutig in der Spitzengruppe” – nur noch übertroffen von Ländern wie Irland oder die Niederlande, die stark von Dividendenzahlungen profitieren. Deutschland, beim Pro-Kopf-BIP hinter Österreich, werde hier wegen einer Abwärts-Revision der Einwohnerzahl um 1,25 Millionen jedoch einen höheren Wert aufweisen.

Marktanteil: Fünf Prozent Verlust seit 2007

“Seit 2007 hat Österreich zirka 5 Prozent Marktanteil verloren”, brachte die Chefökonomin der OeNB, Doris Ritzberger-Grünwald, die Exportschwäche Österreichs auf den Punkt, die sich überwiegend durch eine schwache Entwicklung des Güterhandels mit Deutschland, aber auch Italien, erklären lasse. 30 Prozent der Güter und 40 Prozent der Dienstleistungen gingen üblicherweise nach Deutschland, doch habe Österreich seit 2011 allein gegenüber dem Haupthandelspartner 3,3 Prozent Marktanteilsverluste hinnehmen müssen. Dagegen konnten die Slowakei, Polen, Ungarn und Tschechien ihre Exportanteile in Deutschland in diesen drei Jahren zum Beispiel dank der Kfz-Industrie spürbar erhöhen, wenngleich teils auch von recht niedrigen Niveaus aus.

Besonders stark von Marktanteilsrückgängen heimischer Produkte in Deutschland betroffen war der Sektor “Maschinen und Fahrzeuge” mit 2,9 Prozent Minus, auf den knapp 40 Prozent der Güterausfuhren entfallen. Bei “Bearbeiteten Waren” mit 23,5 Prozent Anteil betrug der Rückgang 0,4 Prozent, bei “Sonstigen Fertigwaren” (Anteil 12,3 Prozent) machte das Minus von 2011 bis 2014 immerhin 9,9 Prozent zu. Bei Nahrungsmitteln (7,1 Prozent) wurde zwar ein Plus von 6,2 Prozent erzielt, insgesamt stand aber das besagte Minus von 3,3 Prozent.

Rückgang: Straßenfahrzeuge, Kfz-Teile und Zubehör

Sieht man sich die Daten noch detaillierter an, zeigt sich, dass der Rückgang bei “Maschinen und Fahrzeugen” im Zeitraum 2011-14 vor allem Straßenfahrzeuge (9,4 Prozent Anteil) um 11,9 Prozent sowie Kfz-Teile und Zubehör (5,2 Prozent Anteil) um sogar 14,5 Prozent betraf. Ritzberger-Grünwald: “Die Kfz-Zulieferindustrie geht zum Teil jetzt von Osteuropa nach Deutschland und nicht mehr von Österreich.”

Wegen der seit 2013 nur zaghaft anspringenden Exporte – die realen Ausfuhren bleiben dabei durchwegs hinter der Importnachfrage der Handelspartner zurück -, werden selbst im Prognose-Zieljahr 2017 die realen Exporte Österreichs nur um 4,8 Prozent klettern, nimmt die OeNB an. Damit bleibt das Exportplus deutlich hinter dem Schnitt der Jahre 1999-2008 von 6,2 Prozent p.a. zurück.

“Strukturelle Probleme der österreichischen Güterexportindustrie führen zu einem weiteren Verlust von Marktanteilen”, so Ritzberger-Grünwald. Zudem habe Deutschland wesentlich stärker in den Nicht-Euro-Raum expandiert als Österreich – und: “Deutschland ist breiter aufgestellt als Österreich. Deutschland wächst wieder, aber dort verdrängen uns andere vom Markt.”

Arbeitskosten hoch, aber nicht die höchsten

Ja, Österreich weise hohe Arbeitskosten auf, räumte Nowotny vor Journalisten ein – aber nicht die höchsten, und sie lägen auch unter jenen Deutschlands. Der Anstieg der Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren sei stark gewesen – in mehreren Ländern, auch bei uns. Aber mit Marktanteilsverlusten verbunden gewesen seien sie in Österreich und auch Finnland, nicht aber für Deutschland.

Arbeitslosigkeit bleibt hoch

Die Arbeitslosigkeit wird in Österreich im historischen Vergleich gesehen hoch bleiben, sagt die jüngste OeNB-Prognose. Nach 5,6 Prozent 2014 dürfte die Quote laut Eurostat-Definition heuer auf 5,7 Prozent weiter steigen und dort auch 2016 verharren, ehe 2017 ein leichter Rückgang auf 5,5 Prozent möglich scheint. Zur Zeit liege Österreich in der EU noch an zweitbester Stelle, sagte Ritzberger-Grünwald, aber “Österreich wird weiter zurückrutschen”. In der Eurozone lag Österreich zuletzt laut Eurostat im April nur noch an drittbester Stelle.

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Das Beschäftigungswachstum bleibe 2015 zwar weiterhin kräftig – trotz schwacher Konjunktur -, aber es wachse auch das Arbeitsangebot weiter stark an durch prozyklisches Verhalten, steigende Erwerbsquoten älterer Erwerbspersonen und den Zustrom ausländischer Arbeitskräfte, so die OeNB.

(APA)

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