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Obdachlose als singende Litfaß-Säulen

"Rent a Homeless", ein provokantes Projekt, bei dem Obdachlose als lebende Litfaß-Säulen durch Linz marschieren und auf Wunsch sogar Werbejingles singen, sorgte in den vergangenen Wochen im Internet für Diskussionen. Hinter der Sache steckt eine Studentin der Linzer Johannes Kepler Universität, die Reaktionen auf dieses "soziale" Angebot unter die Lupe nahm. Das Ergebnis: 35 Prozent konnten der Idee durchaus etwas abgewinnen, einzelne Interessenten wollten auch bereits Obdachlose buchen.

Das Konzept: Obdachlose – und sogar ihre Hunde – werden mit T-Shirts, Pullis, Regenjacken oder Taschen, auf denen eine Werbebotschaft des Kunden prangt, ausstaffiert. So angetan posieren sie entweder an einem vereinbarten Ort oder gehen eine bestimmte Tour durch die Stadt. Auf Wunsch singen sie Werbejingles oder deklamieren Slogans. Überwacht werden sie dabei mittels GPS. Auf einer eigenen Website wird “Rent a Homeless” als “innovative, intelligente und integrative Werbeform” angepriesen, die den lebenden Litfaß-Säulen für ihre Dienste “finanzielle, rechtliche und psychologische Betreuung” bietet.

Seit Mitte Juni sorgt das Projekt für Diskussionen im Web. Nun hat sich die Urheberin gegenüber der APA geoutet: Die Linzer Soziologie- und Medientheorie-Studentin Nadja Pracher hat das Fake-Projekt im Rahmen ihrer Diplomarbeit gestartet, in sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing oder Twitter platziert und die Reaktionen darauf ausgewertet.

Innerhalb von drei Wochen registrierte sie 7.200 Seitenaufrufe, vor allem aus Österreich und Deutschland, aber auch aus anderen europäischen Staaten oder den USA. Rund 100 Kommentare, die per Mail oder auf Internet-Plattformen eintrudelten, wurden ausgewertet: 37 Prozent reagierten ablehnend, 28 Prozent neutral und 35 Prozent positiv. Sechs Interessenten stellten sogar eine konkrete “Buchungsanfrage”. Ein Fünftel vermutet einen Fake.

“Ich war erstaunt über das Gleichgewicht der Reaktionen”, sagte Pracher überrascht. Sie habe vorwiegend negative Äußerungen vermutet. “Sinn des Projektes war es, im Jahr der Armut 2010 ein Tabuthema offenzulegen”, begründet die angehende Frau Magistra ihre Intention. Viele Produkte, die in reichen Ländern konsumiert werden, würden in armen Staaten unter äußerst prekären Arbeitsbedingungen produziert. Ihr Plan, Projekt samt Website nach Auflösung des Rätsels in den kommenden Tagen in “Spend for Homeless” umzubenennen und mit den Seiten von sozialen Organisationen zu verlinken, sei allerdings an deren fehlender Zustimmung gescheitert, bedauert sie.

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