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Nur die „Seegfrörne“ bleibt aus

"Ich habe schon mit den Bühnentechnikern in Bregenz verhandelt, ob die nicht den Bodensee zufrieren lassen könnten", witzelt Frank Strobel.

Der deutsche Dirigent und Filmfachmann mit Spezialwissen im Bereich der Rekonstruktion von Filmmusik kennt vielleicht das Spektakel nicht, das sich noch vor Jahrzehnten am Bodensee abspielte, als der kalte Winter eine „Seegfrörne“ zuließ, er kennt aber die Hauptsequenz in Sergei Eisensteins Monumental- und Propagandawerk „Alexander Newski“ genau. Und die spielt sich auf dem zugefrorenen Peipussee ab.

Riesiger Aufwand

Fast eine halbe Stunde dauert die Sequenz, in der Eisenstein alle Mechanismen und die volle Bandbreite der Ästhetik der Stummfilmära anwendet. Großes Sieger-Pathos also, dem sich Prokofjew in der Musik im Übrigen „sehr raffiniert“ (Strobel) nicht anschließt. Wer nur die Newski-Kantate kennt, weiß wenig von der Filmmusik, die Strobel in zweijähriger Arbeit mühsam rekonstruiert hat. „Der Film hat einen so schlechten Ton, dass man von der Zusammenarbeit von Eisenstein und Prokofjew kaum etwas mitbekommt. Wir haben lange mit der russischen Regierung verhandelt, um auch das Originalmanuskript zu bekommen.“

Zum Motto passend

Vor wenigen Jahren konnte der Film über den Sieg eines russischen über ein deutsches Heer aus dem Jahr 1938 schließlich wieder mit Live-Orchester in Berlin und Moskau aufgeführt werden. Nachdem der Bregenzer Festspielintendant David Pountney die diesjährige Saison unter das Motto „Macht und Musik“ stellte, landete man bei diesem Werk und bei Frank Strobel, der es durch seine Rekonstruktionsarbeit möglich macht, sich mit der Kunstgattung Film mit Live-Musik auseinanderzusetzen. In Bregenz, wo man Opern vor rund 7000 Zuschauern am See spielt, wird nun auch dieses Projekt groß aufgezogen. Das Symphonieorchester Vorarlberg wurde vor allem im Bläserbereich (gebraucht werden etwa auch Saxofone) ordentlich aufgestockt und der Slowakische Philharmonische Chor liefert die entsprechenden Stimmen. Nur wenn das Wetter nicht mitspielt, muss man sich bescheiden, dann findet die Aufführung auf und vor kleinerer Leinwand im Festspielhaus statt.

Kaum Verstärkung

Rund 95 Prozent der Musik basieren nun auf der Original­partitur von Prokofjew, der Rest musste dazukomponiert werden. Verstärkt wird, so Strobel, nur dort, wo es sein muss. Dass der Komponist einige Musiker weit weg vom Podium postierte, wird berücksichtigt, obwohl man ein von der Ferne hereinklingendes Spiel locker über die Akustikanlage am See erfahrbar machen könnte. Schließlich geht es hier auch um das besondere Hör­erlebnis, das Strobel dem Publikum etwa vermittelte als er den „Rosenkavalier“-Film mit Orchester spielen ließ, das dabei eben nicht im Graben, sondern am Podium saß.

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