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Nur 32 Sekunden bis zur Ewigkeit

6. Mai 1937 um 19.25 Uhr: Die Hindenburg explodiert. Vermutlich ist eine elektrische Ladung schuld, ausgelöst durch die nassen, abgeworfenen Landetaue.
6. Mai 1937 um 19.25 Uhr: Die Hindenburg explodiert. Vermutlich ist eine elektrische Ladung schuld, ausgelöst durch die nassen, abgeworfenen Landetaue. ©AP
Vor 75 Jahren explodierte die Hindenburg. Der Bregenzer Fritz Deeg überlebte.
Das Hindenburg-Unglück

 

Die letzten Gewitterwolken hatten sich um 18 Uhr über Lakehurst verzogen. An diesem 6. Mai 1937 beendete das Luftschiff Hindenburg die erste Fahrt der Saison. Der silberfarbene Zeppelin hatte 1936 bereits 20 Mal den Atlantik überquert. Fritz Deeg (24) hatte in der Mannschaftsmesse auf dem B-Deck zu Abend gegessen. Jetzt beobachtete er gemeinsam mit einem der 36 Passagiere das Flugzeug einer New Yorker Tageszeitung, das seit gut 15 Minuten den Zeppelin im Landeanflug begleitete. Die Hindenburg fuhr mit 120 km/h in 180 Metern Höhe eine Schleife über dem Landeplatz. Gegen 18.15 Uhr ging Herb Morrison für den Chicagoer Radiosender WLS auf Sendung: „Hier kommt er also, meine Damen und Herren, was für ein Anblick . . . die gewaltigen Dieselmotoren röhren, die Luftschrauben zerschneiden die Luft . . .“ Von einem „schwebenden Palast“ erzählte Morrison seinen staunenden Hörern. Und das war nicht übertrieben. Nicht umsonst hatte Fritz Deeg, Kabinensteward des Luftschiffs Graf Zeppelin, im März 1936 zur neuen Hindenburg gewechselt. Noch Jahrzehnte später sollte er in der Bregenzer Weinstube „Brigantia“, die sein Bruder Georg führte, manchmal Bilder aus dem goldenen Zeitalter der Luftschifffahrt vor den Gästen entstehen lassen.

Im Inneren des Luftschiffs

Die Hindenburg war mit 245 Metern Länge und über 40 Metern Durchmesser das größte jemals gebaute Luftfahrzeug. Die Reederei unternahm alles, um die 65 Stunden Fahrzeit nach Nordamerika angenehm zu gestalten. Der Zeppelin barg in seinem Inneren 25 Zweibettkabinen. Alle waren ausgestattet mit Kleiderschrank, Klapphocker und versenkbarem Waschbecken. So funktionell sich die Kabinen darboten, so luxuriös empfingen die Aufenthaltsräume die Passagiere. Im 15 mal 4,5 Meter großen Speisesaal standen ultraleichte Tische und rot gepolsterte Stühle aus Aluminium. Entlang der Wand erzählten 21 Gemälde von den Fahrten des Luftschiffs Graf Zeppelin nach Südamerika. Ein 180 Kilo schwerer Blüthner-Flügel aus Aluminium, der mit gelbem Schweinsleder bezogen war, sorgte im Gesellschaftsraum für Kurzweil. Das angeschlossene Schreibzimmer war via Rohrpost mit dem Postraum verbunden.

Abgedichteter Rauchsalon

Auf dem B-Deck lag der Rauchsalon. In diesem fast 20 Quadratmeter großen Raum herrschte leichter Überdruck. Dies und eine Luftschleuse als Tür sicherten den Salon gegen das Eindringen von Wasserstoff. Zigarettenraucher verwendeten einen mit einer Kette gesicherten elektrischen Anzünder. Für Zigarren- und Pfeifenraucher entzündete der Barsteward ein Streichholz. Kein Passagier durfte das selbst tun, geschweige denn den Rauchsalon mit Streichhölzern oder Tabak verlassen. Hier also lehnten Passagiere am Tresen und pafften, der Steward mixte Drinks wie den „LZ 129 Rauhreif“, der aus wenig Orangensaft und viel Gin bestand, indessen über ihnen 190.000 Kubikmeter hochexplosiver Wasserstoff in 16 Traggaszellen für Auftrieb sorgten. Die Küche auf dem B-Deck war elektrisch. Fritz Deeg und die anderen sechs Stewards trugen bei Tisch Köstlichkeiten auf wie etwa Seezunge oder Wild, begleitet von französischen Rotweinen oder deutschem Schaumwein. Am 6. Mai 1937 beobachtet Deeg um 18.21 Uhr, wie die Besatzung die Haltetaue herablässt. Passagiere winken an den Fenstern der Wandelgänge Freunden am Boden zu. Das Luftschiff steht in 25 Metern Höhe. Der Minutenzeiger rückt auf 18.25 Uhr vor, da vernimmt Deeg eine Explosion. Er blickt zurück und sieht das Heck in einem Feuerball verschwinden. Ein dumpfes Fauchen geht durch das Schiff. Die Hindenburg steht wie ein Lampion am Himmel. Nach 32 Sekunden ist alles vorbei, und am Boden liegt ein glühendes Gerippe. Fritz Deeg aber rettet die Brüder Walter (10) und Werner Doehner (8). Die Mutter wirft ihm die Kinder zu. Sie überleben. Deeg stirbt erst 1990 in Bregenz. Eine Leica-Kamera, die er an der Unglücksstelle in Lakehurst gefunden hatte, wird auf der WestLicht Photographica Auction im Mai 2003 um 60.000 Euro versteigert.

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