In der Sonntagausgabe der “Tiroler Tageszeitung” meldete sich ein Zeitzeuge zu Wort, der Transporte in Vernichtungslager bis zum Jahr 1944 beobachtet haben will. In Akten des Krankenhauses war bisher von 360 Patienten die Rede, die zwischen 1940 und 1942 ermordet wurden. Später soll es nach Annahme der Historiker keine Transporte mehr in Vernichtungslager gegeben haben.
Der heute 78-jährige Arthur Corazza, der im Herbst 1943 mit seiner Familie nach Hall gezogen war, berichtete von Beobachtungen, nach denen Patienten bis 1944 in Militärlastwagen verladen worden seien. Die Menschen seien in die Lkw hineingezwängt worden und hätten geschrien, weil sie geahnt hätten, dass die Fahrt nicht in ein Erholungsheim gehe, schilderte Corazza.
Bisher nahmen die Historiker an, dass zwischen 1940 bis 1942 insgesamt 360 Menschen von Hall in die NS-Tötungsanstalten Hartheim und Niedernhart (beide bei Linz) gebracht wurden. Laut Verwaltungsbüchern des Psychiatrischen Krankenhauses in Hall ging am 31. August 1942 der letzte Transport von “psychisch Kranken” nach Niedernhart.
Überrascht über die Zeitzeugeninfos zeigte sich Historiker Oliver Seifert, der im Auftrag des Krankenanstaltenerhalters Tilak die nun in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen 220 NS-Gräber untersucht. Es gebe bisher keinen Hinweis darauf, dass es nach 1942 weitere Todestransporte gegeben habe. Das heiße nicht, dass er einen Zeitzeugen infrage stelle, “aber es würde mich einfach sehr verwundern”, wurde er zitiert. Sollten sich die Beobachtungen von Corazza bestätigen lassen, dann hätte man in Hall die sogenannte “Wilde Euthanasie” zugelassen. 1941 wurde das NS-Euthanasieprogramm offiziell eingestellt. Bekannt ist aber, dass in einzelnen Heil- und Pflegeanstalten bis Kriegsende 1945 dezentral weiter gemordet wurde.
Im März soll die Bergung der 220 Leichen aus einem NS-Gräberfeld in Hall im Rahmen eines für zwei Jahre angesetzten Projektes starten. Ein wesentliches Ziel sei dabei die Identifizierung der Leichen und die Klärung Todesursache.
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