AA

Nordmazedonien trauert nach Disko-Brand um 59 Tote, 15 Personen festgenommen

Der Schock in Nordmazedonien sitzt tief.
Der Schock in Nordmazedonien sitzt tief. ©AFP
Nach dem verheerenden Brand in einer Diskothek in Nordmazedonien trauert das Land um die vielen jungen Opfer. 59 Menschen kamen ums Leben, 155 wurden verletzt. Außerdem gibt es Ermittlungen wegen Bestechung und Korruption.

"Ich kann immer noch nicht glauben, dass die schreckliche Tragödie in Kocani Realität ist. Mir fehlen die Worte, um den Eltern und Angehörigen der Verstorbenen mein Beileid auszusprechen", sagte sie.

Zahl der Toten könne noch steigen

"Keiner der Verantwortlichen sollte sich dem Gesetz, der Gerechtigkeit und der Strafe entziehen. Lasst uns nicht zulassen, dass noch jemand das Leben unschuldiger Menschen gefährdet." Gesundheitsminister Arben Taravari sagte, die Zahl der Toten könne noch steigen. 20 der Verletzten seien in kritischem Zustand.

Die Opfer erlitten Verbrennungen, Rauchvergiftungen oder wurden niedergetrampelt, als die Menschen in der Nacht zum Sonntag in Panik versuchten, ins Freie zu gelangen. "Wir stehen alle unter Schock, und ich bin selbst schockiert: als Mutter, als Mensch, als Präsidentin", sagte Staatschefin Gordana Davkova Siljanovska am Sonntagabend in einer Rede an die Nation.

Ermittlungen wegen Bestechung und Korruption

Die Behörden untersuchen nach eigenen Angaben Vorwürfe von Bestechung im Zusammenhang mit dem Nachtclub, der bei dem Unglück völlig überfüllt war. Die Regierung ordnete eine dreitägige Inspektion von Veranstaltungsorten im ganzen Land an, die am heutigen Montag beginnen sollte.

Nach dem verheerenden Brand in einer Diskothek in Nordmazedonien mit 59 Todesopfern sind 15 Menschen festgenommen worden. Innenminister Panche Toshkovski sagte am Sonntag, eine vorläufige Überprüfung habe ergeben, dass der Club in der Kleinstadt Kocani keine Betriebsgenehmigung gehabt habe. Offiziell seien die Räume für 250 Menschen ausgelegt, zum Zeitpunkt des Unglücks in der Nacht hätten sich dort aber mindestens doppelt so viele Menschen aufgehalten.

"Wir haben Grund zu der Annahme, dass es in diesem Fall um Bestechung und Korruption geht", sagte der Minister, ohne Details zu nennen. Die Verdächtigen sollten nun vernommen werden. Der Brand in der Diskothek "Club Pulse" brach den Behörden zufolge gegen 2.30 Uhr am Morgen während eines Konzerts aus. Auslöser war wahrscheinlich Pyrotechnik auf der Bühne, die die Deckenverkleidung in Brand setzte. 59 Menschen kamen ums Leben, 155 wurden verletzt. Unter den Opfern waren viele junge Menschen. Manche der Verletzten waren erst 16 Jahre alt, wie die Behörden mitteilten.

Erschütternde Szenen

In der 25.000-Einwohner-Stadt Kocani verfolgten die Menschen erschütternde Szenen: Stundenlang bargen Rettungskräfte die verkohlten Leichen von Clubbesuchern. Das Feuer ließ das Dach des einstöckigen Gebäudes teilweise einstürzen und gab die verkohlten Überreste von Holzbalken und Trümmern frei. Besorgte Eltern versammelten sich vor Krankenhäusern in Kocani und der Hauptstadt Skopje, etwa 115 Kilometer westlich, um sich über den Gesundheitszustand der Verletzten zu informieren. Viele der Schwerverletzten wurden in Griechenland und anderen Nachbarländern behandelt.

Vor dem Krankenhaus in Kocani erfuhr Dragi Stojanov vom Tod seines 21-jährigen Sohnes Tomce. "Er war mein einziges Kind. Ich brauche mein Leben nicht mehr. (...) 150 Familien wurden zerstört", sagte er. "Kinder sind bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Es gibt Leichen, nur Leichen im Club (...). Und die Bosse (Anm.: der organisierten Kriminalität) stecken sich nur das Geld in die Tasche."

Vermutete Ursache

Nach den Worten des Ministers brach das Feuer um etwa 2.30 Uhr in der Nacht zum Sonntag aus, als die im Land beliebte Band DNK im "Club Pulse" (mazedonische Schreibweise: "Puls") ein Konzert gab. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen löste eine für die Bühnen-Show eingesetzte Funkenmaschine den Brand aus. Die Funken hätten die aus leicht entflammbarem Material bestehende Deckenkonstruktion entzündet, fügte er hinzu. Mehrere Personen seien im Zusammenhang mit dem Unglück festgenommen worden, für vier Verdächtige wurden Haftbefehle erlassen.

Zum Zeitpunkt der Katastrophe sollen sich 1.500 fast ausschließlich junge Leute in der Diskothek aufgehalten haben. Medien in Nordmazedonien berichteten von dramatischen Szenen. Verzweifelte Eltern würden mit Fotos in sozialen Medien nach ihren Kindern suchen. Bürger halfen mit ihren eigenen Autos aus und folgten den Rettungswagen, um Schwerverletzte in die Krankenhäuser zu bringen.

Opfer im Alter zwischen 14 und 24 Jahren

Das Krankenhaus in der 25.000-Einwohner-Stadt Kocani erwies sich schnell als überfordert. Ambulanzen brachten Verletzte auch in die größere Stadt Stip sowie in die Hauptstadt Skopje. Die Toten, die im Krankenhaus von Kocani identifiziert wurden, seien alle zwischen 14 und 24 Jahre alt gewesen, sagte dessen Direktorin Kristina Serafimova den Medien.

Die Regierung wollte eine siebentägige Staatstrauer anordnen, berichtete die Nachrichtenagentur MIA. "In diesen Momenten tiefer Trauer sind unsere Gedanken bei denen, die ihre Lieben verloren haben", schrieb Ministerpräsident Hristijan Mickoski auf X. Seine Regierung werde alles Nötige tun, um die Folgen der Tragödie zu bewältigen und ihre Ursachen zu ermitteln.

Die Pop-Band DNK ist seit mehr als 20 Jahren fester Bestandteil der Musikszene in Nordmazdonien, das bis 2019 Mazedonien hieß. Mitgründer und Lead-Sänger Vladimir Blazev (45), genannt Panco, liege mit Verletzungen im Krakenhaus in Skopje, teilte das Managementteam der Band mit. Über das Schicksal der anderen Bandmitglieder ist wenig bekannt. Einige hätten mit weniger schweren Verletzungen überlebt und sich in häusliche Pflege begeben, hieß es. Ein Musiker gilt vorerst als vermisst.

Der "Club Pulse" in Kocani besteht seit etwas mehr als zwölf Jahren. Er wird seit seiner Gründung vom selben Besitzer geleitet. Ob dieser festgenommen wurde, wollte Innenminister Toskovski unter Berufung auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. Laut Medienberichten verfügt das Lokal über eine Betriebsgenehmigung, deren Gültigkeit bis zum 24. März reicht.

Reaktionen aus dem Ausland

Auch aus dem Ausland trafen Botschaften des Mitgefühls und der Unterstützung ein. "Menschen, die unbeschwert feiern wollten, wurden brutal aus dem Leben gerissen. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden der Opfer", schrieb Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf X.

Papst Franziskus versicherte, das Gedenken an alle Verstorbenen in seine Gebete aufzunehmen, wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Telegramm an den Bischof von Skopje, Kiro Stojanov schrieb. Parolin, der zweite Mann im Vatikan, reagierte im Namen des katholischen Kirchenoberhaupts, das seit Mitte Februar im Krankenhaus liegt. Das Nachbarland Bulgarien bot an, Verletzte in seinen Krankenhäusern zu behandeln und für den Transport Militärhubschrauber zu schicken.

(dpa)

  • VOL.AT
  • Welt
  • Nordmazedonien trauert nach Disko-Brand um 59 Tote, 15 Personen festgenommen