Das ist möglicherweise einer der Gründe für das verheerende Zugunglück in Ryongchon. Für Eingeweihte kam die Katastrophe nicht unerwartet: Es war nur eine Frage der Zeit, bis solch ein Unglück passiert, sagt Kim Yong-Hwa.
Der ehemalige nordkoreanische Eisenbahnarbeiter hat sich inzwischen nach Südkorea abgesetzt, wo er am Freitag von seiner Arbeit im kommunistischen Norden erzählte: Wir hatten jeden Monat zwei oder drei Unfälle.
Kein europäischer Standard
Obwohl die Zugfahrten also keineswegs mit europäischen Standards zu messen sind, ist die Bahn de facto das einzige Transportmittel in dem hermetisch abgeriegelten Land. 90 Prozent des Güterverkehrs laufen über die Schiene, unter anderem deshalb, weil die meisten Lastwagen und Autos inzwischen kaputt sind. Und auch an Zügen und Gleisen fehlt immer mal wieder ein Teil.
Reparaturen sind äußerst schwierig, sie werden fast immer ohne maschinelle Hilfe von Arbeitern per Hand ausgeführt. Diesen fehlt nicht selten die nötige Kraft, weil die Lebensmittelrationen gerade so zum Überleben reichen. Auch die Weichen werden noch per Hand umgelegt, erzählt Kim. Ein Fehler von einem geschwächten und geistig abwesenden Arbeiter kann zu einer großen Katastrophe führen.
Waggons überfüllt
Die Züge in Nordkorea haben in der Regel elf Waggons, einen für Güter, einen für Soldaten und neun für Passagiere. Vor allem letztere sind chronisch überfüllt. Die Menschen hängen von außen an den Türen, klammern sich auf den Dächern fest – und warten manchmal stundenlang auf offener Strecke, bis es weitergeht.
Denn wenn der Strom ausfällt, und das ist in Nordkorea nicht selten, geht gar nichts mehr. So oder so fahren die Züge wegen ihrer Überlast und der geringen Stromspannung äußerst langsam. Verspätungen sind ganz normal, sagt Kim.
Gegend dicht besiedelt
Der ehemalige Bahnarbeiter kennt auch die Gegend um Ryongchon im Nordwesten Nordkoreas, wo am Donnerstag zwei Züge ineinander fuhren und eine Explosion auslösten. In einem Radius von drei Kilometern rund um den Bahnhof ist die Gegend sehr dicht besiedelt, berichtet Kim. Es gebe viele Wohnhäuser und auch einige Armeebaracken. Wenn dort etwas explodiert, sind viele Menschen betroffen.
Zahl der Toten unbekannt
Möglicherweise waren es am Donnerstag so viele Tote und Verletzte, dass es das schwerste Zugunglück in Nordkorea war. Der Vergleich ist schwierig, weil das kommunistische Land Unglücke kaum eingesteht und keine offiziellen Opferzahlen vorlegt.
Fest steht aber, dass Ryongchon nicht die erste große Zugkatastrophe war: Im Januar 2000 sollen nach übereinstimmenden Angaben von Überläufern bei einem Zugunglück im Südwesten des Landes 1.000 Menschen getötet oder verletzt worden sein. Und drei Jahre zuvor stürzte ein Zug in der Provinz Jagang im Norden des Landes in eine Schlucht. Dabei sollen mindestens 2000 Menschen ums Leben gekommen sein.
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