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Nokia poliert angekratztes Image auf

Die Beerdigung des Nokia-Standorts Bochum wird für den Handy-Weltmarktführer Nokia zum Luxus-Begräbnis. Bevor sie in Rumänien billiger produzieren können, müssen die Finnen im Ruhrgebiet noch eine dicke Rechnung begleichen: Mit rund 40 Millionen Euro soll Nokia dazu beitragen, neue Investoren und Arbeitsplätze in die Region zu bringen.
Kompromiss für die Region Bochum

Das sieht die am Donnerstag in Düsseldorf vorgestellte Einigung zwischen Land und Unternehmen vor. Rund 200 Millionen Euro hatte Nokia dem Bochumer Betriebsrat bereits im April für einen Sozialplan für die 2300 Beschäftigten zusagen müssen. Den Kompromiss musste Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) zähneknirschend erkaufen: Statt zu den von ihr angestrebten Subventionsrückzahlungen, verpflichtet sich Nokia nun zu einem Investitionsprogramm “Wachstum für Bochum”. Ursprünglich hatte das Land 60 Millionen Euro an Beihilfen zurückgefordert. Nun muss das Land den Nokia-Beitrag für das Bochumer Paket noch mit 20 Millionen Euro kofinanzieren. Auf die Frage, ob dieser Kompromiss ihr schmecke, antwortete sie daher auch mit deutlich gebremster Begeisterung: “Um Geschmack geht es nicht.” Nokia hatte nach Regierungsangaben seit 1989 insgesamt rund 88 Millionen Euro von Bund und Land erhalten. Mit Ausnahme des Steinkohlebergbaus hat niemand in NRW mehr Subventionen erhalten.

Viel teurer und schmerzhafter als die Millionen-Ausgaben für Bochum dürfte für den Handy-Riesen hingegen der erlittene Image- Verlust zu Buche schlagen. Nicht zuletzt die Art, wie das hoch subventionierte Unternehmen Mitte Januar die Schließung des Werks mit dünnen Worten verkündet hatte, sorgte seitdem bundesweit für Empörung und Protest. Politiker aller Parteien ließen ihrem Ärger über die “Subventions-Heuschrecke” und “Lumpereien” im Umgang mit den Arbeitnehmern freien Lauf.

Die meisten Beschäftigten hatten erschüttert aus dem Radio vom Ende ihres Werks erfahren. “Ein Schock”, erinnerte sich Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) am Donnerstag. Immerhin war Nokia nach Opel der wichtigste industrielle Arbeitgeber der Stadt. Zulieferer eingeschlossen sind rund 4000 Arbeitsplätze betroffen.

Einzelne Spitzenpolitiker und ganze Stadtverwaltungen gaben in der Hitze der ersten Aufregung ihre Nokia-Handys zurück und regten Boykott-Aktionen an. Berichte über angeblich zweistellige Umsatzeinbußen in Deutschland sind von dem Unternehmen allerdings nie bestätigt worden. Der Nokia-Slogan “Connecting People” (Menschen verbinden) wurde zum Boomerang und im Ruhrgebiet zum bitteren Spottlied “Verarsching People” umgetextet.

“Der Fall Nokia” löste in Landtag, Bundestag und in den Gremien der Europäischen Union Grundsatz-Diskussionen über Sinn und Unsinn von Subventionen aus. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warf Nokia nach dem Schließungsbeschluss ein “Überfall-Kommando” vor und geißelte einen “Karawanen-Kapitalismus”, der von Land zu Land zieht und Subventionen einsammelt. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sah durch Nokias “Monopoly” sogar “das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft maßgeblich beschädigt”.

Doch Nokia scheint verstanden zu haben. Gleich mehrfach betonte der Aufsichtsratsvorsitzende von Nokia Deutschland, Veli Sundbäck, am Donnerstag die Verantwortung des Unternehmens für seine Beschäftigten und für die Region. “Es ist uns wichtig, uns korrekt zu verhalten.” Nokia bleibt aber dabei, die Subventionen richtig verwendet zu haben. “Wir haben alle Auflagen erfüllt.”

Unterdessen hat NRW bereits umgesetzt, was der Anti-Bürokratie- Beauftragte der EU-Kommission, Edmund Stoiber (CSU), für ganz Europa fordert: Die Subventionsregeln wurden verschärft. Nur noch in Einzelfällen sollen Großunternehmen Fördergelder erhalten. Eine Datenbank soll verhindern, dass Subventionsempfänger gleich bei mehreren Ministerien Geld kassieren. Die Mitarbeiter, die für die Bewilligungsanträge zuständig sind, rotieren künftig auf ihren Arbeitsplätzen. Summen über 50 000 Euro müssen von der Ministerin oder dem Staatssekretär genehmigt werden.

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