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Nigeria: Gewalt und Betrug bei Wahlen

Begleitet von Gewalt und Wahlbetrug haben die Nigerianer am Wochenende über einen neuen Präsidenten abgestimmt: Regierung spricht von Putschversuch - EU-Beobachter "sehr besorgt".

Die Wahl eines Nachfolgers für Staatschef Olusegun Obasanjo war mit großen Hoffnungen verbunden, weil sie nach jahrzehntelanger Militärherrschaft den ersten Übergang von einem gewählten Präsidenten zum nächsten seit der Unabhängigkeit 1960 markierte.

Opposition und Wahlbeobachter kritisierten aber schwere Unregelmäßigkeiten und sagten, von einer freien Abstimmung könne keine Rede sein. Erste Ergebnisse aus dem Teilstaat Sokoto zeigten den Kandidaten der Regierungspartei PNP, Umaru Yar’Adua, in Führung.

Zuverlässige Umfragen gab es im Vorfeld der Wahl am Samstag nicht, und mit eindeutigen Ergebnissen wird frühestens am Montag gerechnet. Allgemein wurde aber ein deutlicher Sieg Yar’Aduas erwartet. Kritiker sehen in dem bis vor kurzem wenig bekannten PNP-Kandidaten eine Marionette Obasanjos, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte. Daneben galt Muhammadu Buhari von der oppositionellen ANPP als aussichtsreichster Kandidat. Für die zweite größere Oppositionspartei AC ging Vize-Präsident Atiku Abubakar ins Rennen – der ärgste Rivale von Obasanjo war vom Obersten Gericht aber erst vor wenigen Tagen als Kandidat zugelassen worden. Unklar war daher, ob sein Name überhaupt in allen Wahllisten auftauchte.

In einigen Gegenden begann die Wahl nur mit erheblicher Verspätung oder überhaupt nicht. In zwei Bezirken des Teilstaates Anambra hatten sich die Bürger schon auf den Heimweg gemacht, als die Wahlunterlagen am Abend ankamen. In zwei anderen Wahllokalen kamen die Papiere einem Reuters-Reporter zufolge überhaupt nicht an. Oppositionsparteien zufolge fehlten insgesamt Millionen Wahlzettel. Im Teilstaat Bayelsa beobachtete eine Reuters-Reporterin, wie Vertreter der Wahlkommission Dutzende ausgefüllte Stimmzettel in die Wahlurnen steckten. Die oppositionelle Partei AC erklärte, ihre Hochburgen seien absichtlich nicht mit genug Wahlzetteln versorgt worden. Maurice Iwo von der Wahlkommission sagte dagegen, insgesamt sei die Wahl gut abgelaufen. „Wir sollten uns beglückwünschen.“

Oppositionsführer Buhari betonte, bei einer Wahl mit so vielen Unregelmäßigkeiten könne niemand den Sieg für sich beanspruchen. Die größte einheimische Beobachtergruppe TMG forderte eine Wiederholung der Abstimmung. „Man kann einen neuen Präsidenten nicht auf der Grundlage von Ergebnissen aus dem halben Land ausrufen“, sagte der TMG-Vorsitzende Innocent Chukwuma am Sonntag. EU-Beobachter Max van den Berg bezweifelte, dass es Verbesserungen im Vergleich zu den Gouverneurswahlen eine Woche zuvor gegeben habe, bei der es zu verbreiteten Manipulationen gekommen war und 50 Menschen ums Leben kamen. „Im Moment bin ich sehr besorgt“, sagte van den Berg.

In Buharis Heimatstadt Daura eröffneten Soldaten das Feuer auf hunderte Jugendliche, die nach Berichten über das Verschwinden tausender Wahlzettel Autos zertrümmerten und Hütten anzündeten. Drei Jugendliche wurden Krankenhauskreisen zufolge getötet und zehn weitere Menschen verletzt. In Kano stahlen mit Macheten und Gewehren bewaffnete Schlägertrupps Wahlurnen. Im Bundesstaat Ondo wurde ein Behördenvertreter entführt. In der Hauptstadt Abuja scheiterte kurz vor Beginn der Abstimmung ein Anschlag mit einem Tanklaster auf den Sitz der Nationalen Wahlkommission. Das Fahrzeug kam an einem Telefonmast zum Stehen und explodierte nicht.

Der scheidende Präsident Obasanjo hat Anschuldigungen über Wahlmanipulationen zurückgewiesen. „Ich möchte den Nigerianern versichern, dass diese Regierung die Gesetze befolgt. Sie hat keinen Grund, Wahlergebnisse zu verfälschen“, sagte er. Mit Blick auf den Attentatsversuch in Abuja sprach die Regierung von einem Putschversuch. Es sei jedoch nicht gelungen, Nigeria als gescheiterten Staat zu brandmarken, sagte Informationsminister Frank Nweke. Ein Regierungssprecher beschuldigte Senatspräsident Ken Nnamani, eine Übergangsregierung einsetzen und Chaos erzeugen zu wollen, was dieser aber zurückwies.

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