Von Hand geschrieben: „herzlieben kannst du immer“ – mit diesen Worten auf der Südfassade empfängt die „Alte Schule“ als erstes Gebäude des Jagdberg-Areals alle Ankommenden.
Auf einer Anhöhe über Schlins, direkt unter der Burgruine Jagdberg, existierte bereits im späten 19. Jahrhundert eine Erziehungsanstalt, die im Laufe der Jahre schrittweise baulich erweitert wurde. Das Hauptgebäude entstand 1927 nach Plänen des Architekten Willy Braun. In diesem Erweiterungsbau befanden sich damals die Schlafsäle und Aufenthaltsräume sowie eine Kapelle. 1953 wurde ein neues, frei stehendes Schulhaus errichtet – heute „Alte Schule“ genannt. Von der Architektengruppe Heinz/ Mathoi/Streli zusammen mit Norbert Schweitzer geplant, folgte 1980–1984 der Bau eines Wohnheims, welches in Form eines Viertelbogens das Ensemble südseitig abschließt und dadurch einen geschützten Hofbereich schafft. Die meisten Schulklassen sind heute im Hauptgebäude untergebracht. In der sogenannten „Alten Schule“ befinden sich ein Klassenzimmer und drei Spezialräume für den Unterricht in Naturwissenschaften und Werken, sowie eine Fahrradwerkstatt.
Die ehemalige sozialpädagogische Schule wird seit 2013 als „Paedakoop Privatschule“ geführt. Kinder und Jugendliche im Pflichtschulalter, die eine spezifische Begleitung und Förderung benötigen oder in ihrem sozialen Umfeld Schwierigkeiten haben, besuchen hier für eine begrenzte Zeit die Volksschule, Neue Mittelschule oder Allgemeine Sonderschule, leben zum Teil in den Wohngruppen vor Ort und werden dabei umfassend pädagogisch betreut. Angestrebt wird die anschließende Reintegration in ihre Regelschule und ein Neustart mit gestärktem Selbstvertrauen.
Der Unterricht findet, immer von zwei Lehrpersonen begleitet, in Kleingruppen statt. Eine Besonderheit sind die Werkstätten, in denen der Schulalltag mit dem realen Leben verbunden wird: in der Fahrradwerkstatt, Gärtnerei, Café oder Druckwerkstatt lernen die Schülerinnen und Schüler praktische Fertigkeiten und soziale Fähigkeiten durch Teamwork und über den Kundenkontakt.
Baulich befand sich das Gebäude der „Alten Schule“ zwar in gutem Zustand; es war aber aus technischer, baurechtlicher und funktioneller Sicht nicht mehr auf dem Stand der Zeit und entsprach zudem nicht mehr den heutigen pädagogischen Grundsätzen. Die gesamte Außenhülle wurde daher thermisch saniert. Sämtliche haustechnischen Anlagen (Heizung, Sanitär und Elektro) wurden erneuert und eine neue Lüftungsanlage mit kontrollierter Be- und Entlüftung eingebaut. Für die Installationsführung wurden abgehängte Decken mit gelochten Platten eingezogen, wodurch die Raumakustik deutlich verbessert werden konnte. Durch die Installation eines Liftes ist nun das gesamte Gebäude barrierefrei und behindertengerecht erschlossen.
Abgesehen von der thermischen Sanierung wünschte sich die Paedakoop Privatschule ein Gebäude, das funktionell gut nutzbar ist und mit den pädagogischen Grundsätzen der Schule einhergeht. „Der damalige Direktor, OSR Gerd Bernard, hat uns zu Beginn des Projekts einen interessanten Spruch mit auf den Weg gegeben: ‚Mauer und Geist bedingen sich immer.‘ Schließlich war es uns sehr wichtig, dass wir dem Gebäude ein neues Erscheinungsbild geben und ein attraktives Haus der Pädagogik entsteht“, erläutert Architekt Martin Hackl.
Die Kubatur des zweigeschoßigen Schulhauses mit Satteldach blieb unverändert erhalten. Durch das Entfernen der Vordächer und die einheitliche Fassadenhülle aus hellgrauen Faserzementplatten wurde ein homogenes Äußeres geschaffen. An der Südfassade sind die einzelnen Fenster pro Klassenraum optisch zusammengefasst, was das Fassadenbild zusätzlich entspannt. Alle anderen Fenster, die nicht über einen außenliegenden Sonnenschutz verfügen, sind fassadenbündig nach außen versetzt. Insgesamt besitzt das Gebäude nun einen ruhigen, zeitgemäßen Charakter.
Auch im Inneren konnte die Struktur weitestgehend belassen werden. „Das Gebäudeinnere wurde einer sanften Sanierung unterzogen: die Klassenräume erhielten (auch aus akustischen Gründen) neue Holz-Fußböden, lediglich in den Gängen und im Treppenhaus entschieden wir uns dazu, die alten Natursteinböden zu erhalten“, erklärt der Architekt. Die dezente, zurückhaltende Farbgebung schafft eine angenehm entspannte Atmosphäre. „Durch die neue Materialisierung, Akustik und Farbgebung ist alles wesentlich ruhiger, gedämpfter und stressfreier geworden“, beschreibt es Martin Hackl.
Der Spruch und die Idee zum Schriftzug „herzlieben kannst du immer“ stammen vom ehemaligen Direktor Gerd Bernard. Die Worte spiegeln die pädagogische Philosophie der Paedakoop Privatschule wider, regen zum Denken an und überlassen jedem Lesenden die Deutung selbst.
Daten und Fakten
Objekt: Sanierung Alte Schule Jagdberg, Schlins
Eigentümer/Bauherr: Land Vorarlberg
Nutzer: Paedakoop Privatschule
Architektur: architektur.terminal hackl und klammer, Röthis
Statik: Frick & Schöch ZT GmbH, Rankweil
Ingenieure/Fachplaner: Elektroplanung: Ingenieurbüro Brugger, Thüringen; Heizung-Sanitär-Planung: Energieberatung & Haustechnik Müllner, Dornbirn; Lüftungsplanung: Klimaplan, Hohenems; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Brandschutzplanung: K&M Brandschutztechnik, Lochau; örtl. Bauaufsicht: Wolfgang Summer Baubetreuung, Klaus
Planung: 5/2013–9/2014
Ausführung: 5/2014–9/2014
Grundstücksgröße: 81.452 m²
Bebaute Fläche: 342 m²
Nutzfläche: 475 m²
Bauweise: Massiv-Mauerwerk Bestand; vorgehängte und hinterlüftete Fassade mit Faserzementplatten; Dacheindeckung Faserzementplatten, Fenster Holz-Alu; Holzböden & Innentüren: Eiche
Ausführung: Baumeister: Hilti&Jehle, Feldkirch; Zimmerer: Berchtel, Schnifis; Dachdecker: Lins, Düns; Aufzug: Otis, Dornbirn; Fenster: Böhler, Wolfurt; Fassade: Behrens, Weiler; Gerüst: Keckeis, Sulz; Sonnenschutz: Fesal, Koblach; Trockenbau: Juen, Lauterach; Maler: Liepert, Bludenz; Innentüren: Hager, Koblach; Holzböden: Tammer, Feldkirch; Bodenbeschichtungen: Ludovikus, Lustenau; Fliesenleger: Bad2000, Nüziders; Verputzer: Entner, Muntlix; Heizung: Keckeis, Frastanz; Lüftung: Kranz, Weiler; Elektro: Stadtwerke Feldkirch; Schul- und Objektmöbel: Piller, Innsbruck und Mayr, Scharnstein; Schriftzug-Kunst am Bau: Huber, Muntlix; Garten: Öhninger; Satteins und Schule
Energiekennwert: 16,6 kWh/m² im Jahr (Heizwärmebedarf)
Quelle: VN/ Leben & Wohnen
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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