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Neues Kurzarbeitsmodell ab Juli 2021: Die Details

Die Kurzarbeit bekommt eine neue Variante.
Die Kurzarbeit bekommt eine neue Variante. ©APA
Ab 1. Juli 2021 gibt es in Österreich ein zweites Modell der Kurzarbeit. Das Übergangsmodell gilt für jene Branchen, die nicht allzu stark von der Coronapandemie getroffen wurden. Es soll bis Sommer 2022 gelten.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat heute die Einigung mit den Sozialpartnern zur nächsten Kurzarbeitsphase, die ab Juli gelten wird, mitgeteilt. Es werden zwei Modelle nebeneinander mit verschiedenen Bedingungen angeboten: Eine "Corona-Kurzarbeit" für besonders von der Pandemie betroffene Bereiche wie nachtgastronomie, Stadthotellerie und die Luftfahrt, und eine reguläre Kurzarbeits-Form für die anderen Branchen.

Kurzarbeit-Übergangsmodell für manche Branchen

Für die besonders betroffenen Branchen, die weiter unter pandemiebedingten Schließungen oder Lockdown-Maßnahmen fallen und mindestens 50 Prozent Umsatzausfall haben, gelten bis Jahresende im Wesentlichen dieselben Bedingungen wie bisher, das heißt die Arbeitszeit kann bis auf null Prozent sinken und der Lohnausgleich liegt bei 80 bis 90 Prozent des früheren Nettolohns. Gemessen wird der Umsatzrückgang im dritten Quartal 2020 im Vergleich zum dritten Quartal 2019. Damit gebe es für alle Planungssicherheit, die Kurzarbeit könne gleich beantragt werden und niemand könne seinen Umsatz im Herbst 2021 so hintrimmen, dass es rechnerisch einen Rückgang von knapp über 50 Prozent gibt, begründete Kocher die Bemessung am dritten Quartal 2020.

Für die anderen Branchen, die weniger betroffen sind, wird es ein bis Mitte 2022 laufendes Übergangsmodell mit reduzierter Förderhöhe geben: Die Nettoersatzraten für die Arbeitnehmer bleiben gleich, es werden aber eine 50-prozentige Mindestarbeitszeit und ein verpflichtender Urlaubsabbau von einer Woche je angefangener zwei Monate Kurzarbeit gefordert. Weiters gibt es einen Abschlag von 15 Prozent von der bisherigen Beihilfenhöhe, den die Unternehmer tragen müssen. Dieses Modell stehe bis Sommer 2022 zur Verfügung. Zwischen zwei Kurzarbeitsphasen wird es mit Zustimmung der Sozialpartner die Möglichkeit zum Personalabbau geben.

Details zu Kurzarbeit werden noch ausgehandelt

Einige "technische" Fragen müssen noch zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden, dazu gehört die geförderte Weiterbildung in der Kurzarbeit. Die mit 60 Prozent geförderte Weiterbildung werde es weiter geben, sagte Kocher, gesprochen werde über zusätzliche Maßnahmen. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian wies darauf hin, dass die Weiterbildung insbesondere auch mit Blick auf die zu erwartenden Umwälzungen wegen dem Klimawandel und der Digitalisierung wichtig sei. Die Gewerkschaft setze sich sehr für die geförderte Weiterbildung ein, diese solle sich aber "auch für die Unternehmen rechnen".

Große Zufriedenheit gab es nicht nur bei den Ministern, sondern auch bei den Sozialpartnern. AK-Chefin Renate Anderl sagte, die Lösung sei "gelungen, gut und für beide Seiten sehr wichtig". Die Krise sei noch nicht vorbei, niemand wisse, was nach dem Sommer noch passiert. WKÖ-Chef Harald Mahrer sieht darin ein klares Signal, dass einerseits die Wirtschaft am Weg aus der Pandemie heraus sei, andererseits jenen Unternehmen, die es noch brauchen, weiter geholfen werde.

Corona-Kurzarbeit 5.0

Die Neuregelung ist die fünfte Phase der Corona-Kurzarbeit. Wie es danach mit der Kurzarbeit weitergeht, werde anhand einer Evaluierung in einem Jahr entschieden, kündigten Blümel, Kocher und die Sozialpartnerspitzen an. Jedenfalls solle sich die fünfte Phase bei den Abläufen an den bisherigen Corona-Regelungen orientieren, um die Bürokratie gering zu halten, versicherten Sozialpartner und Regierungsmitglieder.

Derzeit sind rund 330.000 Personen zur Kurzarbeit angemeldet. Kocher rechnet damit, dass die Zahl der Kurzarbeitenden bis Ende des Sommers auf 100.000 bis 120.000 fallen wird. Es gebe noch keine Abschätzung, wie viele davon unter die großzügige Corona-Kurzarbeit fallen werden, aber "ich gehe davon aus, dass es die Hälfte ungefähr sein wird", so Kocher. Einen Anstieg bei den Arbeitslosenzahlen wegen der geringeren Kurzarbeitshilfe erwarte er hingegen nicht, denn die wirklich betroffenen Branchen erhalten weiter Hilfe, in den anderen Branchen sollte hingegen die anspringende Konjunktur Menschen, die arbeitslos werden, in einen neuen Job helfen. Bisher hat das Arbeitsmarktservice (AMS) rund 11 Mrd. Euro an Corona-Kurzarbeitshilfen zugesagt und davon über 7,9 Mrd. Euro ausbezahlt.

Wirtschaft zufrieden, Kritik der Opposition

Die von Regierung und Sozialpartnern ausgehandelte Verlängerung der Kurzarbeit bekommt aus der Wirtschaft überwiegend Zustimmung, von FPÖ und NEOS kommt Kritik. Auch die Agenda Austria hätte sich mehr Anreize zur Verringerung von Kurzarbeit gewünscht. Das Modell sieht bis Jahresende unverändert großzügige Hilfen für weiter von Corona-Schließungen betroffene Unternehmen vor, während für andere Betriebe Kurzarbeit teurer und weniger zugänglich wird.

Freude herrscht bei den WKÖ-Fachverbandsobleuten Robert Seeber (Tourismus), Susanne Kraus-Winkler (Hotellerie) und Mario Pulker (Gastronomie). Die Regelung sei für weiterhin von Corona besonders stark betroffene Branchen überlebenswichtig und helfe in anderen Bereichen, qualifizierte Mitarbeiter zu halten. Auch gebe es nun Planungssicherheit und die Chance auf einen raschen Neustart, wenn Reisen wieder möglich wird.

Die Industriellenvereinigung (IV) weist darauf hin, dass sich die Coronakrise auf einige Branchen weiter massiv auswirke. Die vorgeschlagene Lösung "kann und wird einen Beitrag dazu leisten, Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen gezielt zu unterstützen", schreibt IV-Präsident Georg Knill in einer Aussendung. Wichtig seien klare Rahmenbedingungen für Betriebe und Mitarbeiter. Neben dem Kampf gegen Jobverluste müsse es um Qualifizierung gehen.

Ausstieg aus der Kurzarbeit

Der Handelsverband sieht den Vorschlag als eine Standortsicherungsmaßnahme. "Die heimischen Betriebe erhalten damit mehr Planungssicherheit und die Beschäftigten mehr Arbeitsplatzsicherheit. Das Timing ist richtig, denn trotz positiver Konjunkturentwicklung ist die Einkommenserwartung der Österreicherinnen und Österreicher nach wie vor auf einem Tiefpunkt", schreibt Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung. Der Handelsverband wünscht sich zusätzlich zur Kurzarbeit weitere großzügige Unterstützungen für Unternehmen, die Jobs nach Ende der Kurzarbeit erhalten oder neu schaffen.

Für den wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria ist es wichtig, dass "im Sommer der Ausstieg aus der Kurzarbeit eingeleitet wird". Zwar seien Sonderregelungen für Branchen, die noch erheblich unter der Pandemie leiden, in Ordnung, "insgesamt muss sich das Aufsperren aber wieder auszahlen". Allerdings kritisiert Agenda Austria, dass die Ersatzraten für die Arbeitnehmer gleichbleiben, und es für sie keinen Unterschied mache, ob sie 50 oder 20 Prozent der Arbeitszeit in Kurzarbeit sind. Damit fehle der Anreiz, möglichst wenig in Kurzarbeit zu sein. Auch hätte das Institut ein rascheres Ende für die Kurzarbeit gewünscht.

Kritik von FPÖ und NEOS

Kritik gibt es von FPÖ und NEOS. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch schreibt, "das ist in Wahrheit ein unsoziales Kurzarbeit-Modell, das diese schwarz-grüne Regierung auf den Weg bringen möchte". Denn mit dem Auslaufen der Steuerstundungen werde die Arbeitslosigkeit wieder steigen. "Mit diesen zusätzlichen finanziellen Belastungen werden Ende des heurigen Jahres noch mehr Menschen in die Armutsfalle getrieben", befürchtet Belakowitsch.

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker fordert angesichts des Konjunkturaufschwungs ein schnelleres Ende für die großzügigen Kurzarbeitsregeln. Es gebe viele Bereiche, in denen "händeringend Arbeitskräfte gesucht werden", da sei es zu wenig, zum Status quo vor der Krise zurückzukehren. Nun warte man auf die konkreten Ausgestaltungsvorschläge für das neue Kurzarbeitsgesetz.

SPÖ mit Zustimmung

SPÖ-Sozialsprecher und Baugewerkschaftschef Josef Muchitsch begrüßt die Vorschläge zur Kurzarbeit: "Es ist eine Lösung, die drauf abzielt, möglichst vielen Beschäftigen möglichst lange ihren Arbeitsplatz zu sichern. Und das Ergebnis zeigt: Dort, wo Sozialpartner und Opposition eingebunden sind, gibt es ambitionierte Ziele und gute Ergebnisse für die Menschen."

Zustimmung kommt von den Grünen. Markus Koza, Arbeits- und Sozialsprecher der Grünen, sieht in den Vorschlägen einen "brauchbaren Kompromiss zu einer Weiterentwicklung der Kurzarbeit". Das Übergangsmodell sei "durchaus zukunftsweisend und könnte sich als neuer Kurzarbeits-Standard erweisen".

"Die heute zwischen Bundesregierung und Sozialpartnern vereinbarte Verlängerung der Kurzarbeit ist ein wichtiges Signal für den Tourismus, die Verlängerung für besonders betroffene Branchen und das zusätzliche neue Übergangsmodell bringen Sicherheit für die Betriebe und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", freute sich Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

(APA/red)

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