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Neues Kirchengesetz führt Meldepflicht von sexuellem Missbrauch durch Geistliche ein

©APA
Alle katholischen Priester und Ordensschwestern weltweit müssen künftig sexuellen Missbrauch durch Geistliche an die Kirchenbehörden melden. Das verfügte Papst Franziskus in einem neuen Kirchengesetz am Donnerstag und versprach den kircheninternen "Whistleblowern" umfassenden Schutz.
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In dem fundamental neuen Ansatz werden Diözesen in aller Welt verpflichtet, ein vertrauliches Meldesystem einzurichten. Damit soll Vertuschung in der Kirchenhierarchie entgegengewirkt werden, die bei den Missbrauchsskandalen eine systematische Rolle gespielt hat.

Mit dem Gesetz reagiert Franziskus auf eine Serie weltweiter Skandale um sexuellen Missbrauch von Geistlichen, die das Vertrauen in die katholische Hierarchie und ihn selbst erschüttert hat. Es macht die 415 000 katholischen Priester und 660 000 Ordensschwestern nun verpflichtend zu Meldern von sexuellem Missbrauch. Sie müssen die kirchlichen Behörden informieren, wenn sie wissen oder begründet vermuten, dass ein Geistlicher oder eine Nonne am sexuellen Missbrauch eines Minderjährigen beteiligt war, sich sexuell falsch gegenüber einem Erwachsenen verhalten hat oder Kinderpornografie besitzt – oder wenn ein Geistlicher ein solches Verbrechen vertuscht hat.

“Die Menschen müssen wissen, dass Bischöfe im Dienst der Menschen stehen”, sagte Erzbischof Charles Scicluna, der langjährige Strafverfolger des Vatikans für Sexualverbrechen. “Sie stehen nicht über dem Gesetz und wenn sie sich falsch verhalten, müssen sie gemeldet werden.”

An die Polizei müssen sich die Kirchenvertreter aber nicht verpflichtend wenden

Anders als von Opfergruppen verlangt sieht das Kirchengesetz allerdings nicht vor, dass sich die Priester und Ordensschwestern an die Polizei wenden müssen. Dies könne die Kirche möglicherweise in Ländern in Gefahr bringen, wo Katholiken eine verfolgte religiöse Minderheit sind, hat der Vatikan schon lange argumentiert. Davon unabhängig steht aber die Meldepflicht an die Kirche.

Keine Strafe bei Nicht-Meldung

Bislang gab es keine derartige Pflicht, sondern es wurde den Priestern und Nonnen als Gewissensentscheidung überlassen. In dem Kirchengesetz sind keine Strafmaßnahmen vorgesehen, wenn sie keine Meldung machen. Auch für die Diözesen sind bei Nicht-Erfüllung der Vorgaben keine Sanktionen geplant. Bischöfe und andere katholische Obere dürften sich aber Vorwürfen der Vertuschung und Nachlässigkeit ausgesetzt sehen, wenn sie die Richtlinien nicht umsetzen – oder aussagende Priester und Nonnen bestrafen.

Fälle können auch rückwirkend gemeldet werden

Mit dem Inkrafttreten droht dem Vatikan in den kommenden Jahren eine Welle von Missbrauchsberichten und Berichten über Vertuschung. Fälle können rückwirkend gemeldet werden – das heißt auch Übergriffe aus der Vergangenheit dürften angeführt werden.

In einem weiteren kirchenrechtlichen Novum hat der Papst zudem verfügt, dass die Kirche Opfer, die ihren Missbrauch melden, willkommen heißen müssen. Er ordnet an, dass den Opfern zugehört und sie von der Hierarchie unterstützt werden müssen – ihnen steht demnach außerdem geistliche, psychologische und medizinische Betreuung zu. Finanzielle Entschädigung wurde dagegen nicht verfügt.

Opfer können nicht mehr zum Stillschweigen gezwungen werden

Das Gesetz gibt vor, dass Opfer nicht zum Stillschweigen gezwungen werden können, auch wenn die Ermittlung selbst noch den kirchlichen Geheimhaltungsregeln unterliegt. Außerdem neu: Wenn die Opfer es einfordern, müssen sie über das Ermittlungsergebnis nach ihren Vorwürfen informiert werden. Damit reagiert der Vatikan auf die seit langem bestehende Anschuldigung, Opfer würden darüber im Unklaren gelassen, wie mit ihren Vorwürfen umgegangen wurde.

Das Gesetz wird ab dem 1. Juni vorerst für drei Jahre wirksam. Die Diözesen müssen ein Meldesystem erarbeiten und es bis zum 1. Juni 2020 bei den jeweiligen vatikanischen Botschaften ihres Landes als in Kraft bestätigen.

(APA)

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