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Neuer Labour-Chef Gordon Brown verspricht Briten Neuanfang

London - Der britische Schatzkanzler (Finanzminister) Gordon Brown ist am Sonntag zum neuen Chef der Labour-Partei ernannt worden. Er hat damit das erste Amt von Premierminister Tony Blair übernommen.

Er war der einzige Kandidat; zwei mögliche Konkurrenten hatten in der Partei nicht die nötige Unterstützung erhalten. Am Mittwoch zieht Brown als neuer Regierungschef auch in die Downing Street 10 ein. Auf einem Sonderparteitag in Manchester kündigte der 56-jährige Schotte neue Akzente in der Regierungspolitik an.

So versprach er in seiner ersten Rede als Labour-Vorsitzender tief greifende Reformen zur Eindämmung der Armut, eine verbesserte Gesundheitsversorgung und Bildungsinitiativen. In der Außenpolitik ging er auf vorsichtige Distanz zur bisherigen Irak-Politik und sagte, Extremismus könne nicht allein mit militärischer Gewalt bekämpft werden. „Das ist auch ein Kampf der Ideen und Ideale.“ Aus Fehlern würden Lehren gezogen.

Großbritannien werde aber auch nach Blairs Demission als Premier seine „internationalen Verpflichtungen“ im Irak erfüllen, stellte Brown klar. Es sei zudem im Interesse des Vereinigten Königreichs, gute Beziehungen zu den USA zu unterhalten. Als Schlüssel der Außenpolitik bezeichnete Brown die Bemühungen um eine Friedenslösung für den Nahen Osten.

Innerhalb der Labour-Partei waren zuletzt Stimmen laut geworden, die einen raschen Rückzug der britischen Soldaten aus dem Irak forderten. Vor dem Kongressgebäude in Manchester protestierten mehrere Tausend Menschen gegen den Einsatz. In Sprechchören und auf Plakaten nannten sie Blair einen „gefährlichen Kriegstreiber“.

Ein Signal für einen Kurswechsel in der Irak-Politik könnte auch die Wahl der neuen stellvertretenden Parteichefin Harriet Harman sein. Die Justizministerin hat die Regierung aufgerufen, sich öffentlich für Fehler im Irak-Krieg zu entschuldigen. Harman setzte sich bei der Urwahl der Labour-Mitglieder gegen fünf Mitbewerber durch. Sie löst den scheidenden Vize-Premier John Prescott in dieser Funktion ab.

Blair schüttelte Brown die Hand und sagte, der Partei sei ein „stabiler und geordneter Übergang“ geglückt. Über seinen Nachfolger sagte er: „Er wird ein großartiger Premierminister für dieses Land werden.“ Brown sei „stark“ und „prinzipientreu“. Blair stand 13 Jahre an der Spitze von Labour; knapp mehr als zehn Jahre leitete er die Regierungsgeschäfte.

Er sei bereit „dienen“, sagte Brown. „Diese Woche bringt einen Neuanfang, eine Chance zur Erneuerung.“ Labour müsse eine „Partei des Wechsels“ sein. Blair würdigte er vor allem für dessen Beitrag zum Friedensprozess in Nordirland. Brown wurde bereits Mitte Mai von der Labour-Fraktion im Unterhaus zum Nachfolger Blairs bestimmt. 313 der 353 Abgeordneten sprachen ihm damals ihre Unterstützung aus.

Zur Wahl Browns zum neuen Labour-Chef hat diese in Umfragen zum ersten Mal seit acht Monaten die oppositionellen Konservativen überholt. Die Zustimmung zu Labour liege bei 39 Prozent und zu den Tories bei 36 Prozent, berichtete die Sonntagszeitung „The Observer“. Die nächste Unterhauswahl wird es voraussichtlich 2009 oder 2010 geben. In Großbritannien ist der Chef der Regierungspartei traditionell auch Premierminister. Unterhaus-Neuwahlen sind nicht unmittelbar notwendig, wenn der Parteichef wie in diesem Fall nach der Hälfte der Legislaturperiode wechselt.

Unterdessen sorgt ein Zeitungsbericht für Unruhe: Der „Independent“ berichtete am Sonntag unter Berufung auf ein vertrauliches Dokument, Blair habe Brown nach der Parlamentswahl 2005 entlassen und seine Machtbasis im Finanzministerium zerstören wollen. In dem von Blair-Vertrauten entworfenen Papier sei die schrittweise Neuorganisation des Ministeriums skizziert, außerdem werde ein „neuer Finanzminister“ erwähnt. Der Zeitung zufolge wurde der Plan nie umgesetzt, weil Blair in einem schwierigen Wahlkampf auf Brown angewiesen gewesen sei. Blairs Büro erklärte: „Wir kommentieren durchgesickerte Dokumente nicht.“ Blair und Brown haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass es in der Vergangenheit immer wieder Differenzen zwischen ihnen gab.

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