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Neuer Euro-Krisengipfel - Neues Glück?

Einige blicken optimistisch auf Euro-Gipfel, andere bleiben skeptisch
Einige blicken optimistisch auf Euro-Gipfel, andere bleiben skeptisch ©AP
Vor den mit Spannung erwarteten Verhandlungen europäischer Spitzenpolitiker über die Zukunft der Euro-Zone müssen sich Anleger nach Einschätzung von Börsianern auf Kursrückschläge gefasst machen.
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“Der EU-Krisengipfel hat bereits einige ‘Vorschusslorbeeren’ erhalten”, schreiben die Analysten der Landesbank Berlin (LBB) in ihrem Kommentar. Innerhalb von fünf Handelstagen legte der Dax rund elf Prozent zu. Dies ist sein bestes Wochenergebnis seit drei Jahren.

Von Optimismus bis Skepsis

Uneins sind sich Börsianer darüber, was vom Euro-Gipfel am kommenden Freitag zu erwarten ist. “Auf längere Sicht wird Deutschland den Zug in Richtung Fiskalunion nicht aufhalten können”, betont Commerzbank-Analyst Christoph Weil. “Den erhofften Befreiungsschlag wird es wohl auch diesmal nicht geben.”

Ähnlich sieht Aktienstratege Tobias Basse von der NordLB. Das Konflikt-Potenzial, zum Beispiel in der Frage von Anleihe-Käufen der Zentralbank, werde dies voraussichtlich verhindern. Folker Hellmeyer, Chef-Volkswirt der Bremer Landesbank, ist dagegen optimistisch. “Die Situation hat sich derart zugespitzt, dass die Wahrscheinlichkeit halbseidener Beschlüsse geringer geworden ist.

“Die europäische Schuldenkrise wird auch die zweite vom neuen Chef Mario Draghi geleitete Ratssitzung der Europäischen Zentralbank prägen. “Die EZB wird sicher versuchen, der Wirtschaft mit konventionellen Mitteln unter die Arme zu greifen”, sagt Aktienstratege Carsten Klude von MM Warburg. Auch die Bereitstellung langfristiger Refinanzierungsmöglichkeiten für die Finanzbranche würde ihn nicht überraschen. “Das sind aber alles nur begleitende Maßnahmen”, betont er. Die grundlegenden Probleme der Euro-Zone könnten nur von der Politik gelöst werden.

Von Reuters befragte Ökonomen sehen die Chancen für eine erneute Zinssenkung um 25 Basispunkte bei 60 Prozent. Außerdem rechnet die Mehrheit mit der Ankündigung weiterer Liquiditätsspritzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB in den kommenden Monaten dem Vorbild der britischen und der US-amerikanischen Notenbank folgen und mit dem Kauf von Staatsanleihen in großem Umfang beginnen wird, taxieren die Experten auf 40 Prozent.

Auf Unternehmensseite ist der Terminkalender dünn. Am Donnerstag wollen TecDax-Mitglied Carl Zeiss Meditec und der Ingenieur-Dienstleister Bertrandt aus dem SDax Ergebnisse vorlegen. Daneben stehen die Luftfahrt-Werte im Rampenlicht. Für Mittwoch hat der Branchenverband IATA die Veröffentlichung seiner Umsatzprognose angekündigt. Außerdem wollen mehrere Fluggesellschaften wie Air Berlin (Dienstag) oder Lufthansa -Rivale Air France-KLM (Mittwoch) Verkehrszahlen vorlegen. Am Montag tritt außerdem der Arbeitskreis Aktienindizes der Deutschen Börse zu seiner vierteljährlichen Sitzung zusammen. Analysten rechnen nicht mit Veränderungen in Dax, MDax & Co.

Ackermann für verstärkte Integration

Die Antwort auf die Finanzkrise muss nach Ansicht von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann eine verstärkte europäische Integration sein. “Die Notwendigkeit strengerer Gemeinschaftsregeln im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist offensichtlich”, sagte Ackermann bei einer Konferenz der Wochenzeitung “Die Zeit” am Freitag in Hamburg. “Wir werden daher nicht darum herumkommen, die Machtbalance zwischen Nationalstaaten und der europäischen Gemeinschaftsebene zugunsten letzterer zu verschieben und in die Verfassungen der Mitgliedsstaaten einzugreifen.” Dabei gehe es jedoch nicht darum, die Nationalstaaten zu überwinden und einen europäischen Bundesstaat zu schaffen. “Europa ist nicht Amerika”, sagte Ackermann.

Die Staatsschulden seien in vielen Ländern schon vor der Finanzkrise eindeutig zu hoch gewesen, sagte der Chef der Deutschen Bank weiter. Die Banken sollten sich selbstkritisch die Frage stellen, warum es den Krisenländern so lange möglich war, sich immer weiter und so hoch zu verschulden. “Fehlanreize durch falsche Regulierung haben hierbei ebenso eine Rolle gespielt wie mangelhaftes Risikomanagement in Banken und grundlegende Funktionsmängel der Finanzmärkte wie etwa Herdenverhalten.” Nun könnten sich viele Banken am Markt nicht mehr refinanzieren, nachdem sie durch notwendige Abschreibungen auf Staatsanleihen in die Verlustzone geraten seien. Das erschwere die Finanzierung für Staaten, Unternehmen und Privathaushalte und beschwöre zusätzliche Risiken für die Konjunktur herauf.

Der frühere CDU-Politiker Friedrich Merz, der als Vorsitzender des deutsch-amerikanischen Vereins Atlantik-Brücke bei der Konferenz sprach, sieht in der Schuldenkrise neue Chancen für Europa und Amerika. “Das ist ein heilsamer Schock”, sagte er. Die Staaten und Gesellschaften hätten auf beiden Seiten des Atlantiks drei Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt und müssten nun erkennen, dass auch Staaten sich nicht unbegrenzt refinanzieren könnten. Deutschland habe Erfahrungen mit der sozialen Marktwirtschaft gesammelt, die es wert seien, auch auf andere Staaten übertragen zu werden. Dazu zählten die Notwendigkeit einer starken Industrie und verantwortungsvolle Tarifpartner. Deutschland trage wegen seiner Lage in der Mitte Europas eine besondere Verantwortung, ob es wolle oder nicht

(APA/ Reuters)

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