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Neue Arbeitsplätze

"Unsere Aufgabe war zu allererst: Wie schafft man eine so gute Arbeitsatmos-phäre wie in einer großen Stube." (Richard Winkel, Architekt)
"Unsere Aufgabe war zu allererst: Wie schafft man eine so gute Arbeitsatmos-phäre wie in einer großen Stube." (Richard Winkel, Architekt) ©Christian Grass
Wie das: Ein einziges Bild so groß wie ein Eishockeyfeld, auf Stoff gedruckt, wird zur Außenwand einer ganzen Fabrikhalle?
Ein mitarbeiterfreundlicher Bau

Unmögliches wird wahr, wenn man von einer Mission beseelt ist – oder sollte man sagen: besessen? Überzeugt jedenfalls waren vor 20 Jahren die Unternehmensgründer von ihrer Sache Digitaldruck – was bald zum Großdruck wurde und heute zum Systemanbieter für textilen Leichtbau. System heißt: Das Unternehmen liefert alles, was um die Sache selbst anfällt: Das sind Konzept, Entwurf und Druck der Textilien wie Aufspannung, Tragstruktur und Licht. Heute ist die Firma Marktführer für Membranfassaden.

Das ist nicht der Standard vom Bau. Der Messebau überwiegt, oft Großanlagen, zu 95 Prozent für ausländische Unternehmen. Das hat Konsequenzen in dreierlei Hinsicht: Unerbittlich sind die meist sehr knappen Zeitfenster; Präzision und exakte Abstimmung sind unerlässlich; die Anlagen sind meist Sonderanfertigungen. Das heißt: kurze Wege für Prototypenfertigung, die auf Kreativität und Engagement aller Beteiligten angewiesen ist. So entstehen mit vorwiegend low-level, doch viel Know-how, ausgesprochene Hightech-Produkte.

„Wir machen alles, was Standardhersteller nicht können“, führt Walter Klocker aus, einer der drei Inhaber und für Technik zuständig. Mit dieser Kompetenz ist das Unternehmen gewachsen – und der Bedarf für ein neues Haus. Auch wenn es so aussehen mag: Eine Fabrik ist es nicht, wenigstens nicht im herkömmlichen Sinn, eher: Manufaktur, Büro, Atelier – „eine gute Stube“, kommt dem Architekten Richard Winkel über die Lippen: „Unsere Aufgabe war zu allererst: Wie schafft man eine so gute Arbeitsatmosphäre wie in einer großen Stube.“ Und das mit Lager, Maschinen, Lkw-Befahrbarkeit, …

Zweierlei war entscheidend: Licht und Material. Alle Arbeitsräume sind hell und lichtdurchflutet: Seien es die beiden Bürogeschoße im Kopfbau, sei es die Druckerei im Erdgeschoß, sei es die Konfektionierung, die Schlosserei oder die „Laserboxx“ im Obergeschoß – ein eigenständiges Unternehmen und wichtiger Zulieferer für Hightech-Metallbearbeitung.

Der Materialwahl für das Gebäude gingen umfangreiche Recherchen voraus – mit dem Ergebnis, den Bau bis auf das Sockelgeschoß in Holz auszuführen. Entscheidend, so Geschäftsführer Klocker: „Mitarbeiterfreundlich und nachhaltig musste es werden – wirtschaftlich wird’s dann eh.“ Wo mitunter hohe Flexibilität gefragt ist, gilt: „Was ich von den Mitarbeitern brauche, kann ich ihnen mit dem Gebäude zurückgeben.“ Womit gar nicht zuerst die Kantine mit Terrasse gemeint ist, sondern der Arbeitsplatz selbst. Der große Konfektionsraum hat einen Eichenboden, Wände und Decke sind Fichte; ebenfalls Eiche in den Büros, aus Fichte das kräftige Tragwerk der Glasfassade. Die Decke besteht aus einer im Haus entwickelten Textilspannkonstruktion mit integriertem Licht, wie gerade auch vom Londoner Architekturbüro Foster & Partners bestellt.

Das Sockelgeschoß der Halle ist aus Belastungsgründen Stahlbeton. Darüber entwickelt sich, von einer Reihe eingespannter Stahlbetonstützen abgesehen, eine reine Holzkonstruktion mit eindrucksvollen Leimbindern als Gerberträger und mit einer hoch gedämmten, tragenden Fassade. Ein stützenfreier Raum von 30 m x 60 m entsteht. Eine enge Balkenlage zwischen den Hauptträgern filtert das Oberlicht und trägt Holzdecke, 32 cm Dämmung und Dachbegrünung. Die integriert nicht nur die stattliche Dachfläche in die ländliche Umgebung, sondern ist auch Bestandteil eines schlüssigen Energiekonzepts.

Das entwickelt sich aus Architektur und Baukonstruktion, gleicht Dämmung und Speicherung aus. Der erdgeschoßige Hallenboden hätte ohne Dämmung konstant 17° Celsius. Die befahrbare, 45 cm starke Betondecke darüber speichert und ist Heiz- und Kühlkörper zugleich. Der Energiebedarf besteht zu zwei Dritteln aus Kühllast, die direkt durch einen eigenen Brunnen abgedeckt wird. Das verbleibende Drittel ist Heizung, gespeist durch die an den Brunnen gekoppelte Wärmepumpe. Außerdem wird die Kühllast zu einem Drittel durch Lüftung und Nachtkühlung gedeckt – „Free cooling“ im Fachjargon. Trotz zu zwei Dritteln geschlossener Außenwand sind dank richtiger Lage der Fenster und Sonnenschutz die Arbeitsplätze taghell. Richtige Baugestaltung, maßvoller Einsatz von Technik und Nutzung der Abwärme von Mensch und Gerät halten den energetischen Aufwand unter 40 kW/m2 im Jahr.

Einen Beitrag dazu leistet auch die textile Fassade: Ein Teil der Fenster liegt hinter dieser Hülle, die 80 Prozent des Lichtes durchlässt, jedoch die Wärmeeinstrahlung um 70 Prozent mindert – bei diesem Bauwerk mit hoher Abwärme ein Plus für die Energiebilanz. Es zeigt sich: Gute Architektur geht vom Nutzer aus, schont Ressourcen und wird so wirtschaftlich – in den Worten des Geschäftsführers: „Mitarbeiterfreundlich und nachhaltig.“ Selbstverständlich, wie das Fassadenbild des renommierten Künstlers Michael Craig-Martin, das sich ums Haus zieht – „so einfach wie einleuchtend“, findet der Kurator vom Kunsthaus Bregenz Rudolf Sagmeister.

Daten & Fakten

Objekt: Verwaltungsgebäude mit Produktionsstätte

Bauherr: Typico GmbH&CoKG

Architektur: ARGE Frick + Winkel, DI Bernd Frick, DI Richard Winkel, Reuthe – Mellau

Mitarbeit: Lukas Lässer

Statik, Bauaufsicht: gbd, Dornbirn

Projektsteuerung: DI Markus Beck, DI Bruno Ludescher

Planung Heizung, Sanitär, Lüftung: GMI Ingenieure, Messner Peter, Dornbirn

Bruttogeschoßfläche: 7273 m²

Grundstücksgröße: ca. 8700 m²

Planung: 2011

Ausführung: Juli 2011–Mai 2012

Bauwerkskosten: 5.900.000 Euro

Bauweise:

Holz/Beton, Beton im Hang- und Sockelbereich,
Ingenieurmäßiger Holzbau im Produktionsbereich,
Fassade in Stoffbespannung und teilweise Verschalung in Weißtanne,
Fußböden Eiche massiv geölt,
Grundwasserwärmepumpe kombiniert mit kontrollierter Be- und Entlüftung,
Fenster: Pfosten-Riegelfassade dreifachverglast in Weißtanne

Besonderheiten: Niedrigenergiestandard

Ausführung

Baumeister: ARGE Hinteregger Zimmermann, Bregenz
Holzbau: Dobler Holzbau, Röthis
Glasfassade: Glasteam, Dornbirn
Heizung, Sanitär: Stolz, Bregenz
Lüftung: Gruber, Wolfurt
Elektro: Graf, Dornbirn

(Leben & Wohnen)

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg, Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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