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"Nervös, schlaflos und auch hilflos"

Hans Peter Haselsteiner geht davon aus, „bedauerlicherweise recht zu behalten“: 2012 werde auch in Österreich die Krise in den öff entlichen Kassen beginnen.
Hans Peter Haselsteiner geht davon aus, „bedauerlicherweise recht zu behalten“: 2012 werde auch in Österreich die Krise in den öff entlichen Kassen beginnen. ©APA
Die Wirtschaftliche Zukunft sei ungewiss, sagt Hans Peter Haselsteiner im Interview mit den VN zum Thema Wirtschaftskrise und fordert eine  Umverteilung.

Herr Dr. Haselsteiner, Sie führen einen Baukonzern mit fast 74.000 Mitarbeitern. Haben Sie schlaflose Nächte, wenn Sie an die wirtschaftlichen Entwicklungen denken?

Haselsteiner: Die Situation ist sicher einmalig. Zumindest zu meinen Lebzeiten hat es Vergleichbares noch nicht gegeben: Nämlich die Unsicherheit jedweder Vorhersage. Das ist das, was einen nervös, schlaflos und auch hilflos macht. Ich weiß nicht, womit ich morgen, übermorgen oder nächste Woche konfrontiert sein werde.

Was hat dazu geführt?

Haselsteiner: Auf der einen Seite das Massenverhalten der Menschen mit seiner grundsätzlich profit-orientierten, egoistischen Ausrichtung ohne irgendwelche Markteinschränkungen. Auf der anderen Seite die willfährige Politik, die das nicht nur zugelassen hat, sondern darüber hinaus auch noch Schulden gemacht hat. Nicht nur in Griechenland. Auch bei uns: Mit Kreisky hat das begonnen und seither nicht mehr aufgehört. Die Politik hat die „Hoamat“ verspielt, wie man in Tirol sagt.

Kann man jetzt noch etwas tun,  um Pleiten und Massenarbeitslosigkeit zu verhindern?

Haselsteiner: Man müsste sich endlich einmal auf eine Lösungsmöglichkeit verständigen. Ich bin ja nach wie vor davon überzeugt, dass wir nur ein gigantisches Verteilungsproblem haben. Geld ist genug da: Dollarbeträge in Trillionenhöhe werden auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten hin- und hergeschoben.  

Wie könnte man umverteilen?

Haselsteiner: Bis vor 65 Jahren hätte man einen Krieg angezettelt. In Libyen kam es zuletzt zu einer Revolution; da wurde auf nationaler Ebene umverteilt. Diese Varianten wünschen wir uns nicht. Wir hätten zwar das probate Mittel des Währungsschnitts, dass man also hinten eine Null wegschneidet. Aber darauf werden sich die Euro-Staaten nicht einigen. Bleibt eine Variante über: Geld drucken und dann schauen, dass die Inflation nicht galoppiert, sondern gemäßigt bleibt. Sodass wir das Problem im Laufe von fünf, zehn, 15 Jahren bewältigen können. 

Sind vor diesem Hintergrund die Lohnforderungen der Metaller gerechtfertigt?

Haselsteiner: Das Angebot der Arbeitgeberseite ist vernünftig. Aber die Gewerkschafter weisen auf die Kluft zwischen den höchsten Gagen und den Arbeiterlöhnen hin; das ist leider Gottes ein starkes Argument.

Ist angesichts der drohenden Krise keine Mäßigung nötig?

Haselsteiner: Wir dürfen uns nicht beschweren. Die Gewerkschaften haben sich lange zurückgehalten. Und als die Inflation in den 70er Jahren hoch war, hat es auch entsprechend hohe Abschlüsse gegeben. Daran werden wir uns wieder gewöhnen müssen.

Wird es im Sinne des sozialen Friedens Vermögens- und Reichensteuern geben müssen?

Haselsteiner: Kommissionspräsident Barroso hat wieder vorgeschlagen, Boni zu beschränken. Eine Frechheit! Ein Politiker, der etwas beschränken will, was die Wirtschaft bezahlt; das ist eine Riesenschweinerei. Politiker sollen das machen, was sie können: nämlich eine vernünftige Besteuerung durchzuführen. Und natürlich kann man sagen, Einkünfte über dem Zehnfachen des Durchschnitts einer Unternehmung sind nicht mehr abzugsfähig. Und natürlich kann man sagen, Einkünfte über einer Million Euro werden stärker besteuert. Ich sage: Unvernünftige Einkünfte rechtfertigen vernünftige Steuersätze. Wobei ich es Ihnen überlasse, die Grenzen festzulegen.

Würden Sie auch Grund und Boden stärker besteuern?

Haselsteiner: Grund und Boden ist ein Vermögensbestandteil, der seit vielen Jahren nicht angemessen besteuert wird. Das wird klarerweise repariert werden. Und bei den Umwidmungen muss eine Wertzuwachssteuer her.

Ist es nicht verdächtig, dass wieder nur über Steuererhöhungen diskutiert wird?

Haselsteiner: Das ist das große Ärgernis. Jeder Politiker, der zulässt, dass es in Österreich zehn gesetzgebende Körperschaften gibt, ist nicht legitimiert, über Steuererhöhungen zu reden.

Die Schweiz ist noch föderaler organisiert und effizienter. Das wäre auch ein Weg. Vorarlberg könnte dann zum Beispiel zeigen, dass es günstiger geht.

Haselsteiner: Vorarlberg mag da vielleicht noch eine Ausnahme sein. Aber wenn ich an Länder wie Kärnten oder Niederösterreich denke, muss ich sagen, dass diese Parallelstrukturen nicht zulässig sind. Wir sind 1995 der EU beigetreten und haben unsere Verfassung nicht geändert. Dass muss man sich einmal geben: Ich kaufe – sagen wir – die „Universale“ und ändere die Strukturen nicht. Da würde man mich fragen: Haben Sie einen Schuss?

Sie haben eingangs auf die Planungsunsicherheiten hingewiesen. Was bedeutet das für Sie als Strabag-Chef?

Haselsteiner: 2011 haben wir im Griff. Auch 2012 werden die Prognosen einigermaßen passen. Aber das ist kein Planungshorizont für uns, wir müssen auf vier Jahre planen können.

Und jetzt geht‘s nur auf ein Jahr?

Haselsteiner: Ungefähr – wir haben etwa ein Jahr Auftragsüberhang.

Die Baubranche hängt ja stark von öffentlichen Aufträgen ab.

Haselsteiner: Insofern habe ich bedauerlicherweise recht behalten: Was die öffentlichen Kassen betrifft, wird die Krise 2012 beginnen. 2010 und 2011 haben stärker als erwartet von der privaten Nachfrage profitiert. Aber auch deren Entwicklung ist konjunkturabhängig.

Wie reagieren Sie im Unternehmen darauf?

Haselsteiner: Wir sind natürlich vorsichtig wie alle anderen, investieren nur das, was notwendig ist bzw. in Bereiche, von denen wir glauben, dass sie jedenfalls überleben werden oder müssen. Ich war gestern zum Beispiel in Paris. Eines der großen Themen war die deutsche Energiepolitik. Bei der Edf (französischer Energiekonzern) fragt man sich, was das heißt. Das Angebot wird knapper, Strom damit teurer. Und alternative Energien müssen ausgebaut werden. Daher ist das ein Investitionsschwerpunkt für uns. Das ist einigermaßen planungssicher.

Und Sie investieren in die „Westbahn“ (Privatbahn).

Haselsteiner: Das Projekt hat mit der Strabag nichts zu tun, das ist Haselsteiners private Spielwiese.

Macht‘s Spaß?

Haselsteiner: Dem Wehinger (Geschäftsführer) muss es Spaß machen, nicht mir.

Wollen Sie mit dem Projekt die ÖBB herausfordern?

Haselsteiner: Ich bin nicht dazu da, irgendjemanden herauszufordern. Ich möchte Geld verdienen. Und das ist ein vernünftiges Projekt, bei dem Wehinger mit ungeheurem Herzblut dabei ist.

Bemerkenswert ist aus Vorarlberger Sicht, dass die „Westbahn“ mit ihren Zügen von Wien bis Salzburg und nicht bis Bregenz fährt.

Haselsteiner: Lassen Sie uns einmal erfolgreich bis Salzburg fahren, dann wir der Herr Wehinger schon auch den Arlberg angehen. Doch eins nach dem anderen.

Sie unterstützen auch das Sozialprojekt „Concordia“ von Pater Georg Sporschill. Was treibt Sie an?

Haselsteiner: Mein Freund Georg treibt mich an, er hat mich im wahrsten Sinne des Wortes umgarnt. Außerdem glaube ich, dass es wichtig ist, nicht nur zu schauen, wie ich Geld verdienen kann; sondern sich auch zu fragen, was ich tun kann, um die Gesellschaft zu verbessern. Daher unterstützen die Strabag und meine Stiftung soziale, künstlerische und kulturelle Projekte.

Jetzt sind Sie aber sogar Vorstand der „Concordia“ geworden.

Haselsteiner: Damit habe ich einem dringenden Wunsch von Georg entsprochen, sehe mich aber nur als Statthalter: Mit der Wahl diese Papstes bin ich zwar aus der Kirche ausgetreten, möchte aber, dass „Concordia“ ein jesuitisches Werk bleibt. Daher soll meine Aufgabe Statthalter sein, bis ein geeigneter, charismatischer, junger Jesuit das übernehmen kann.

 

Konzernchef führt Sozialprojekt

Haselsteiner wird nicht müde, sich auch außerhalb seiner Firma zu engagieren. Hans Peter Haselsteiner ist einer der bedeutendsten Unternehmer der Republik: 1944 in Wörgl geboren, formte er ab 1970 einen Baukonzern, der heute mit 73.600 Mitarbeitern und 12,38 Milliarden Euro Umsatz (2010) zu den größten Europas zählt.
Den Anfang machte der Dr. der Handelswissenschaften als Vorstandsvorsitzender der Ilbau AG. Durch Zukäufe und Zusammenschlüsse formte er daraus die heutige Strabag.
Die Konzernzentrale befi ndet sich in Villach, das wichtigste Verwaltungsgebäude jedoch in Wien-Donaustadt. Haselsteiner sieht sich nicht nur als Konzernchef. In den 9oer Jahren engagierte er sich in der Politik, unterstützte das Liberale Forum und war bis 1998 für diese Partei auch im Nationalrat.
Immer wieder macht er auch heute mit „politischen“ Aussagen von sich reden. So etwa mit seinem Ruf nach einer Reichensteuer. Dabei gehört Haselsteiner selbst zu den reichsten Österreichern; sein Vermögen wird auf deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Zuletzt übernahm Haselsteiner auch die Führung des Sozialprojekts „Concordia“ von Russ- Preisträger Georg Sporschill. Allerdings nur vorübergehend, wie er betont. In den letzten Jahren ermöglichte Haselsteiner bereits den Bau von „Concordia“-Sozialzentren in Moldawien.

(VN)

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