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Nazi-Zug in Polen: Nächtlicher Brand am mutmaßlichen Fundort

Aufregung um Zug aus Nazizeit in Polen: "Irgendwas ist da unter der Erde."
Aufregung um Zug aus Nazizeit in Polen: "Irgendwas ist da unter der Erde." ©EPA
Nahe des mutmaßlichen Fundorts eines deutschen Panzerzugs aus dem Zweiten Weltkrieg in Niederschlesien (Polen) hat es in der Nacht zum Montag ein Feuer gegeben. In dem unzugänglichen Waldgelände, durch das die Bahnstrecke zwischen Walbrzych und Breslau (Wroclaw) verläuft, wurden etwa 200 Quadratmeter Wald zerstört, so Feuerwehr-Einsatzleiter Sylwester Poreba zum Rundfunksender "Radio Wroclaw". Indes herrscht weiter Skepsis und Aufregung um den angeblichen Fund aus der Nazizeit.
Fund von "Nazi-Zug" offiziell bestätigt


In einem unterirdischen Versteck wird zwischen den Kilometerpunkten 60 und 65 wird der angebliche Zug vermutet, über dessen Inhalt in Polen und darüber hinaus heftig spekuliert wird. Der Brand ereignete sich bei Kilometerpunkt 61. Zur Brandursache war zunächst nichts bekannt. Da in der Umgebung seit Tagen Möchtegern-Schatzgräber auftauchen, verstärkte die Polizei am Montag ihre Patrouillen. Auch Zivilstreifen seien im Einsatz, hieß es. Bei der Bezirksverwaltung in Breslau tagte ein Krisenstab, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Goldschatz oder heiße Luft? – Aufregung um Zug aus Nazizeit in Polen

Ein Glücksfund, ein Geständnis auf dem Totenbett oder doch nur heiße Luft? Skepsis und Aufregung um den angeblichen Fund eines Zugs aus dem Zweiten Weltkrieg in Niederschlesien (Polen). Regierungsvertreter glauben: Irgendwas ist da unter der Erde. Seit Tagen parken Wagen mit Kennzeichen von nah und fern entlang der Bahnstrecke zwischen Breslau (Wroclaw) und Walbrzych in Niederschlesien. Polizisten patrouillieren in dem Waldgebiet, um Schatzsucher an Grabungen zu hindern. Wenn gutes Zureden nicht hilft, drohen Bußgelder in Höhe von 500 Zloty (125 Euro) für “Waldzerstörung” oder Überqueren der Bahngleise.

Auf Familienausflügen in den Wald wird gerätselt und spekuliert, was sich hier unter der Erde verbirgt, vermutlich irgendwo zwischen den Kilometerpunkten 60 und 65. “Die Wahrscheinlichkeit, dass da etwas ist, ist groß”, gab die polnische Kulturministerin Malgorzata Omilanowska am Freitag zu. Ihr Stellvertreter Piotr Zuchowski, Leiter der Denkmalschutzbehörde, ist sich sogar “zu 99 Prozent sicher”, dass sich in einem der Tunnel des Bergbaugebietes ein deutscher Panzerzug aus dem Zweiten Weltkrieg in vermutlich 70 Meter Tiefe befindet. In Ortslegenden ist sogar von zwei Zügen die Rede, die seit den letzten Kriegsmonaten in der Region spurlos verschwunden sind.

Ein Zug voller Gold und Diamanten?

Nur – womit ist der Zug beladen? Darüber rätseln nicht nur die Polen seit bald zwei Wochen. Gold und Diamanten etwa, von ermordeten Juden geraubt? Munition und Kriegsmaterial? Oder doch Archivalien und Dokumente, die vor allem für Historiker wertvolles Forschungsmaterial sein dürften? Robert Singer, Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses, nimmt die Berichte über den angeblichen “goldenen Zug” immerhin so ernst, dass er in einer Stellungnahme darauf hinwies, dass die Wertsachen an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben werden müssten, sollte es sich tatsächlich um “Nazigold” handeln, das von ermordeten Juden stammt. Sollten keine Überlebenden gefunden werden, sollten die polnischen Holocaust-Überlebenden damit entschädigt werden. “Wir hoffen, dass Polen die angemessenen Schritte unternimmt”, mahnte er.

Deutscher als “Finder” des mysteriösen Zuges

Ebenso mysteriös wie der Inhalt des Zuges: Wie kommt es, dass die angeblichen Finder erst jetzt, nach mehr als 70 Jahren, auf den verborgenen Zug stießen? Zuchowski vermutet ein “Geständnis auf dem Totenbett” – immerhin handelt es sich bei einem der Finder um einen Deutschen. Dessen Vater oder Großvater könnte also durchaus zu den Männern gehört haben, die einst den Zug versteckten, und schließlich das Geheimnis weitergegeben haben.

Unterdessen versuchen Touristikplaner in Walbrzych (Waldenburg), den niederschlesischen Goldrausch schon jetzt zu versilbern. Allein die Gerüchte über den Goldzug heizen das Interesse an der Stadt an, in deren Umgebung die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges den unterirdischen Tunnelkomplex “Riese” anlegten. Das Fürstenschloss, unter dem sich laut Ortslegenden unterirdische Tunnel verbergen sollen, rührt seit dem Wochenende die Werbetrommel für eine Sondertour zu den unterirdischen Tunneln der Stadt. Im Logo, wie könnte es anders sein, prangt ein funkelnder Zug.

Nur die Niederschlesische Historische Gesellschaft will bei dem Goldrausch nicht mitmachen. “Unsere langjährige Grabungserfahrung und die Archivmaterialien in unserem Besitz weisen eindeutig darauf hin, dass die Informationen über die Entdeckung des Panzerzuges nicht stimmen”, hieß es in einer vor gut einer Woche veröffentlichten Stellungnahme. Ein wenig pikiert merkten die Ortshistoriker an, der gute Ruf der niederschlesischen Forscher werde aufs Spiel gesetzt. “Der Wunsch nach Medienruhm bringt den gesunden Menschenverstand zum Schweigen”, legten sie nach.

Der ehemalige Bergmann Tadeusz Slowikowski, der 50 Jahre in der Umgebung von Walbrzych nach Funden aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs grub und nach dem verschwundenen Zug suchte, ist aus anderen Gründen skeptisch. “Diejenigen in Deutschland, die Gold und Wertsachen versteckten, waren sich bewusst, dass sich Niederschlesien nach dem Krieg außerhalb der Grenzen des Dritten Reichs befinden könnte”, sagte er der “Gazeta Wyborcza”.

Wozu also Gold und Diamanten beim Abzug zurücklassen? “Wenn der Zug etwas enthält, dann wahrscheinlich Rohstoffe für die Rüstung”, glaubt Slowikowski, der als junger Bergmann in den 1950er Jahren von deutschen Kollegen erstmals Berichte über den unterhalb der Bahnstrecke versteckten Zug hörte.

Wahrheit und Legende: Die Suche nach Schätzen aus der Nazi-Zeit

Aktuell geht es um einen mysteriösen Zug in Niederschlesien – doch es gibt noch viele weitere Schätze oder vermeintliche Schätze aus der Zeit des Nationalsozialismus, um die sich Legenden ranken:

MYTHOS BERNSTEINZIMMER: Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. schenkte die kostbar geschnitzten Wandtäfelungen aus Bernstein 1716 dem russischen Zaren. Deutsche Soldaten brachten den legendären Prunkraum 1942 nach Königsberg, seit 1945 ist er verschollen. Seitdem kursieren viele, oft abenteuerliche Theorien über seinen Verbleib.

DER SCHATZ IM TOPLITZSEE: Waffen, Munition und Falschgeld aus der Nazi-Zeit wurden aus dem kleinen Gewässer im Salzkammergut (Österreich) schon in den 50er Jahren geborgen. Die Nazis hatten dort eine geheime Marineversuchsstation betrieben. Ein US-Taucherteam scheiterte im Juli 2000 jedoch bei der Suche nach Kisten, die Gerüchten zufolge Listen mit Milliardenkonten von Nazibonzen in der Schweiz enthalten sollen.

KEIN SCHATZ IM STOLPSEE: Ohne Erfolg ging im November 2013 die Suche nach einem angeblichen Nazi-Schatz im Stolpsee (Brandenburg) zu Ende. Der Legende nach hatte Reichsmarschall Hermann Göring dort im Frühjahr 1945 Gold und Platin versenken lassen, um die geraubten Reichtümer vor den anrückenden Sowjets zu retten.

GEHEIMNISVOLLE BURG FALKENSTEIN: Seit Jahrzehnten hält sich hartnäckig das Gerücht um einen vergrabenen Nazi-Goldschatz an der geheimnisumwitterten Ruine im Allgäu. Versuche, den Schatz zu finden, blieben aber bis heute erfolglos.

GOLDRAUSCH IM ERZGEBIRGE: Hunderte Journalisten aus aller Welt strömten im Februar 2008 nach Deutschneudorf in Sachsen. Ein Hobby-Schatzsucher hatte im Nachlass seines Vaters Koordinaten für ein angebliches unterirdisches Gold-Depot der Nazis gefunden. Doch die Suche wurde erfolglos abgebrochen.

(APA)

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