Ob die Bündnis-Orange nach einer eilig einberufenen Klubsitzung zurückkehren, war vorerst unklar. Die FPÖ kehrte nach rund 20 Minuten wieder, um doch an der Debatte über das Bildungsvolksbegehren teilzunehmen.
Euro-Rettung als Ausgangspunkt
Den Ausgang genommen hatte der Wirbel mit einer Einigung von Koalition und Grünen, wie das Parlament in die Entscheidungen des ESM einbezogen wird. Der entsprechende Antrag wurde kurzfristig heute auf die Tagesordnung genommen und wird gegen Ende der Sitzung als letzter Tagesordnungspunkt in so genannter “Erster Lesung” diskutiert, dann in den Verfassungsausschuss wandern und entweder bei der geplanten Sondersitzung zum Transparenzpaket Ende Juni oder in der Juli-Plenarwoche beschlossen werden.
BZÖ-Klubchef Josef Bucher sprach von einer “skandalösen Vorgehensweise”, die nicht zu tolerieren sei – noch dazu, wo einzelne Punkte in den Ausschusssitzungen unter Geheimhaltung fallen sollen. Auch die FPÖ sprach von einer “Nacht&Nebelaktion”. Die Koalition und die Grünen argumentierten dagegen, es sei noch genug Zeit zur Debatte bis zum Beschluss, unter anderem eben heute Abend, und dazu gehe es um eine Materie, die eine Stärkung der parlamentarischen Mitsprache bringe.
BZÖ und Freiheitliche beeindruckte das nicht. Nachdem diverse Anträge, unter anderem auf Vorziehen der Materie in der Tagesordnung, abgelehnt worden waren, marschierten die beiden Fraktionen geschlossen aus dem Plenarsaal. Das BZÖ strich im Anschluss alle Mandatare von der Rednerliste. Bei den Freiheitlichen kehrte zunächst Bildungssprecher Walter Rosenkranz wieder, der Rest der Fraktion folgte kurz darauf.
Regierung nicht paktfähig
Im laufe des Nachmittags kehrten die Freiheitlichen wieder ins Plenum zurück. Weil die Regierung “nicht paktfähig” sei, wie Klubobmann und Parteichef Heinz-Christian Strache in einer Pressekonferenz feststellte, werde man künftig aber nicht mehr beim Transparenzpaket mitverhandeln. Es sei ohnehin schon absehbar, dass dieses mit den Grünen als “Stimmvieh” der Regierung mitbeschlossen werde, prognostizierte er.
Die heutige Vorgehensweise mit dem “überfallartigen” auf die Tagesordnung Setzen der ESM-Gesetzesvorlage bezeichnete er als “von langer Hand geplant”. Sie widerspreche aber jeder parlamentarischen Usance. Zudem attestierte der blaue Parteichef Entwicklungen “weg von der Demokratie hin zu einer autoritären, totalitären Struktur”, bei denen jeder “aufrechte Demokrat” aufschreien müsse. Man werde alle parlamentarischen Mittel ausschöpfen, um dieses Vorgehen zu verhindern.
Das “Durchpeitschen” der Materie ohne breite öffentliche Debatte zeige sich schon an der Weigerung, den Tagesordnungspunkt vorzuziehen, damit er noch während der Live-Fernsehübertragung stattfinde, meinte Strache. Ziel sei wohl, dass “so wenig Menschen wie möglich” davon erfahren, weil der Beschluss des ESM einen “verfassungspolitischen Anschlag” darstellen würde, der nicht nur österreichische, sondern auch europäische Verfassungsgesetze ausheble, die eigentlich einer Volksabstimmung bedürften.
Strache warnt vor “europäischem Bundesstaat”
Der Europäische Rettungsschirm (ESM) ist laut dem freiheitlichen Klubobmann nichts anderes als ein Schritt hin zu einem “europäischen Bundesstaat” und eine Abtretung der Budgethoheit “à la Kopie der Vereinigten Staaten von Amerika”. Ein zentralistisches Europa sei aber ausdrücklich gegen den Wunsch der europäischen Bevölkerung. Werde der ESM ohne Volksabstimmung ratifiziert, wäre das seiner Ansicht nach ein “Skandal immenser Ausprägung”. Die angebliche Stärkung des Parlaments, von der die Regierung spricht, sei in Wahrheit eine “klare Durchbrechung der Gewaltentrennung”, wenn ein Minister beliebig oft Sitzungen eines Unterausschusses einberufen dürfe. Die Vorlage erwecke nur den “Anschein” von mehr Mitsprache, sei aber eigentlich eine “Rampe zum Durchwinken”, attestierte Justizsprecher Peter Fichtenbauer.
“Der Euro ist gescheitert in dieser Form, das muss man sich mal eingestehen”, holte Strache, der sich von den “geheimen” Verhandlungen der Regierung mit den Grünen ausgeschlossen fühlte und Vorbereitungen für eine Dreier-Koalition dieser Parteien sah, weiter aus. Der Beschluss des ESM sei ein Fehler, “mit so einem Schritt wird die Krise potenziert”, mutmaßte er.
(APA)
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