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Nationalrat beschloss neue Ärzteausbildung

Berufsausbildung der Ärzte wird umstrukturiert
Berufsausbildung der Ärzte wird umstrukturiert ©APA
Die Ärzteausbildung wird auf neue Beine gestellt. Das hat der Nationalrat Donnerstagmittag mit den Stimmen von Koalition, Grünen und Team Stronach beschlossen. Besonderen Anklang in der Debatte fand, dass künftig Allgemeinmediziner in einer Lehrpraxis quasi üben müssen. Allerdings hagelte es Kritik daran, dass diese Tätigkeit nur ein halbes Jahr ausgeübt werden muss.

Wer künftig Arzt in Österreich werden will, hat folgenden Weg vor sich: Nach dem Studium sind neun Monate Basisausbildung zum Erwerb klinischer Grundkompetenzen in den Bereichen Innere Medizin, Chirurgie und Notfallmedizin vorgesehen. Danach muss sich der angehende Mediziner für eine allgemeinmedizinische oder fachärztliche Ausbildung entscheiden.

Längere Lehrpraxis geplant

Für angehende Allgemeinmediziner gibt es dann 27 Monate Spitalspraxis plus mindestens sechs Monate Lehrpraxis in einer Ordination – in weiteren Ausbauschritten soll die Zeit in der Lehrpraxis auf mindestens zwölf Monate steigen. Für Fachärzte sind mindestens 27 Monate Sonderfach-Grundausbildung (abhängig von der Fachrichtung) plus 27 Monate Schwerpunktausbildung vorgesehen. 25 der 35 Stunden Kernausbildungszeit sind zwischen 7.00 und 16.00 Uhr zu absolvieren.

48-Stunden-Woche

Weiters werden die Dienste von Spitalsärzten kürzer. Der Nationalrat hat mit rund einem Jahrzehnt Verspätung eine entsprechende EU-Vorgabe erfüllt. Gegen die Vorlage stimmten nur die NEOS. Bis Mitte 2021 soll mit dem neuen Gesetz die wöchentliche Durchschnitts-Arbeitszeit von derzeit bis zu 60 auf maximal 48 Stunden reduziert werden.

Bereits ab 2015 dürfen Ärzte im Krankenhaus nur mehr dann länger als 48 Stunden Dienst machen, wenn sie schriftlich ihr Einverständnis erklären. Tun sie das, überlegen es sich aber später wieder, ist ein Widerruf möglich, erklärte Sozialminister Rudolf Hundstorfer in der Plenardebatte.

Verkürzte Wochenenddienste

Bis Ende 2017 sind bei Einwilligung maximal 60 Stunden erlaubt, ab 2018 höchstens 55 Arbeits- und Bereitschaftsstunden, ab Mitte 2021 ist dann die 48-Stunden-Woche Vorschrift. Hundstorfer glaubt, dass sich die Vorgaben früher umsetzen lassen werden. Auf Wunsch zweier Länder habe man aber zur Sicherheit noch etwas mehr Zeit, also bis 2021 gegeben.

Ferner festgelegt wird eine Reduktion der verlängerten Wochenend- und Feiertagsdienste für Ärzte. Anstelle der derzeit erlaubten Wochenenddienste von bis zu 49 Stunden soll es ab 2018 nur mehr 29-Stunden-Dienste und ab 2021 maximal 25-Stunden-Dienste geben. Die Ausgleichsruhezeit muss sofort nach dem Wochenenddienst – und nicht wie bisher innerhalb eines viermonatigen Durchrechnungszeitraums – konsumiert werden.

Bessere Bezahlung

Weiters sieht der Entwurf vor, dass die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit in Österreich nicht mehr an die österreichische Staatsbürgerschaft bzw. an jene eines EU-Mitgliedslands oder einer EWR-Vertragspartei gebunden ist – ein Punkt, der vor allem den Freiheitlichen nicht gefällt.

FP-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein plädiert vielmehr dafür, gegen den Mediziner-Mangel Ärzte besser zu bezahlen, seien doch vor allem junge Allgemeinmediziner dazu verdammt, um Gottes Lohn zu arbeiten. Die Pflicht zur Lehrpraxis an sich befürwortete die Freiheitliche zwar, ärgerte sich aber, dass die Finanzierung dafür nicht gesichert sei. Genau das nahmen auch die NEOS zum Anlass, gegen das Gesetz zu stimmen. Denn für halbe Sachen stehe man nicht zur Verfügung, erklärte Gesundheitssprecher Gerald Loacker.

“Österreichischer Schildbürgerstreich”

Nicht nur ihm geht im Gesundheitsbereich wieder einmal etwas zu langsam weiter. Die Grüne Gesundheitssprecherin Eva Mückstein sprach von einem “österreichischen Schildbürgerstreich”, dass es eine Übergangsfrist von zwölf Jahren gebe, bis die Zeit in der Lehrpraxis von sechs auf zwölf Monate ausgedehnt wird.

Gesundheitspolitik entwickle sich eben in kleinen Schritten: “Die fällt nicht vom Himmel herunter”, meinte dazu ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger und verteidigte die Reform ebenso wie sein roter SPÖ-Kollege Erwin Spindelberger, der eine Modernisierung der Ausbildung feierte. Auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) sieht einen gelungenen Kompromiss.

Kritik von Team Stronach

Marcus Franz, Gesundheitssprecher des Team Stronach, hält die Ausbildungsreform an sich für nicht schlecht, speziell, dass es zu den Lehrpraxen kommt. Aber auch er findet Punkte, die ihm deutlich verbesserungswürdig erscheinen, beispielsweise dass in der neunmonatigen Basisausbildung unmittelbar nach dem Studium vor allem die 15 häufigsten Krankheitsbilder (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Alzheimer/Demenz, Diabetes oder Durchblutungsstörungen des Gehirns) durchgegangen werden sollen: “Das ist, wie wenn der Zahnarzt nur den Oberkiefer aber nicht den Unterkiefer lernen würde.” (APA)

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