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Naokos Lächeln

Zwischen Liebe und Verlust: Die Adaption von Haruki Murakamis Bestseller hält sich minuziös an die Vorlage.

Japan in den späten 1960er Jahren: Inmitten studentischer Revolten wandelt ein einsamer junger Mann über den Campus, zeigt sich wenig beeindruckt vom Geschehen um ihn herum und verliert sich in Gedanken, Briefen, Büchern. Toru Watanabe ist hin- und hergerissen, zwischen dem Verlust seines besten Freundes Kizuki, der Zuneigung zu dessen ehemaliger Freundin Naoko und der scheinbar leichten Beziehung zur lebenslustigen Midori. Die Verfilmung von Haruki Murakamis Bestseller “Naokos Lächeln”, ab Freitag im Kino, pendelt zwischen diesen Gefühlen und dem vergeblichen Versuch, daraus mehr zu machen als “nur eine Liebesgeschichte”.

Gemäß dem Untertitel der deutschen Ausgabe des Romans steht auch in der filmischen Adaption das Zwischenmenschliche im Fokus der Aufmerksamkeit. Toru, Kizuki und Naoko werden als unbeschwerte Jugendliche gezeigt, beim spielerischen Fechtkampf mit Stiften oder unmotivierten Abhängen. Der nicht näher begründete Selbstmord Kizukis reißt dann ohne Vorwarnung ein Loch in dieses Gefüge, das im Verlauf der folgenden zwei Stunden auf unterschiedliche Weise von Toru und Naoko gestopft werden will. Vergeblich.

Um Distanz zwischen sich und die Ereignisse zu bringen, fliehen Toru (Kenichi Matsuyama) und Naoko (Rinko Kikuchi) unabhängig voneinander nach Tokio, begegnen sich zufällig wieder und entdecken bei langen Spaziergängen ihre Zuneigung für einander. Die erste Liebesnacht bringt es aber an die Oberfläche: Kizukis Tod kann nicht vergessen werden, hängt wie ein unheilvoller Schatten über den Protagonisten und resultiert in Naokos Aufenthalt in einem abgeschiedenen Sanatorium. Während Torus Besuche dort bildgewaltig eingefangen werden und die Natur zum gleichwertigen Interaktionspartner gerät, entwickelt sich sein Leben in Tokio weiter. Die fröhliche Midori (Kiko Mizuhara) versucht zu dem grüblerischen jungen Mann durchzudringen, doch Naokos Präsenz scheint zu gewichtig.

Der vietnamesisch-französische Regisseur Tran Anh Hung hält sich in seiner Verfilmung beinahe minuziös an die literarische Vorlage, spiegelt deren spartanische Grundstimmung mit einfachen, oft eindringlichen Bildern wieder und lässt den Darstellern Zeit und Raum, um sich in stillem Schweigen über ihre Existenz und Gefühle klar zu werden. Nur gelingt es weder Toru, Naoko oder Midori wirklich, Struktur in ihre emotionale Aufgewühltheit zu bringen, noch Hung, die Schwere der Geschichte abzufedern oder mehr als eine Nacherzählung zu inszenieren. Die Darsteller selbst sorgen zumindest für die nötige Erdung, allen voran Kikuchi als ätherische Schönheit mit Hang zum Labilen sowie die aufgedrehte und aufmüpfig agierende Mizuhara überzeugen.

Am stärksten wirkt “Naokos Lächeln”, wenn in der zweiten Hälfte des Films die Musik von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood mehr Gewicht erhält und die Erzählung mit dynamischen Klangkaskaden vorantreibt. Obgleich sich Freude und Niedergeschlagenheit in etwa die Waage halten, sind es bedrückenden Szenen, die als ästhetische Bilder am deutlichsten im Gedächtnis bleiben. An ein Happy End ist kaum zu denken, dafür ist die Situation zu “kompliziert”, wie es Stoiker Toru immer wieder ausdrückt. Am Ende hält er ein Telefon in der Hand, blickt sich etwas verloren um: “Wo ich bin?” Weder er noch der Zuseher wissen die Antwort darauf. Das Drama, das im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen von Venedig erstmals gezeigt wurde, bleibt ein Versuch und als solcher durchaus sehenswert – aber eben “nur eine Liebesgeschichte”. (APA)

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