Der Blick scheint nicht ganz eindeutig: Ist es dezente Überraschung, ein kritisches Analysieren oder doch Resignation? Bei Ron Muecks “Man in a Boat” bleibt viel dem Betrachter überlassen: Diese Skulptur eines nackten Mannes im mittleren Alter, der ein bisschen verloren in seinem Holzboot sitzt, bietet viele Anknüpfungspunkte.
Ausstellung im Theseustempel
Dort bietet das Kunsthistorische Museum (KHM) seit auf den Tag genau fünf Jahren eine zeitgenössische Ausstellungsreihe. “Und seit damals, als wir Ugo Rondinones Olivenbaum gezeigt haben, wollte ich wieder zum Figurativen zurückkehren”, betonte Kurator Jasper Sharp. Mit Mueck (Jahrgang 1958) ist dies nun eindrucksvoll gelungen. “Ich habe lange überlegt, welche seiner Arbeiten passen würde.” Der “Man in a Boat” sei schon aus formalen Gründen geeignet, “durch seine Beziehung zum Raum”. Andererseits strahle er, wie alle Arbeiten Muecks, eine “extreme Vieldeutigkeit” aus.
Kunst aus Australien
Der australische Künstler mit deutschen Wurzeln, der sich vor einiger Zeit in Großbritannien niederließ, hat sich mit hochrealistischen, meist aus Silikon und Fiberglasverbindungen bestehenden Skulpturen einen Namen gemacht. Nachdem er zunächst für Fernsehen und Film (darunter Jim Hensons “Labyrinth”) Modelle schuf, sorgte sein “Dead Dad”, eine Darstellung seines verstorbenen Vaters, 1997 als Teil einer Schau in der Royal Academy in London für Aufsehen. Aber der “sehr private Künstler” (Sharp) konfrontierte sein Publikum auch mit Masken seines eigenen Gesichts, überdimensionalen Neugeborenen oder einem hockenden, mehrere Meter großen Buben, den er bei der 49. Kunstbiennale in Venedig zeigte.
Publikum wird einiges abverlangt
Wie diese Arbeiten verlangt auch der Mann im Boot dem Betrachter einiges ab: Mit unglaublicher Detailtreue hat Mueck diese Figur, die etwas mehr als die halbe Lebensgröße besitzt, in das vordere Drittel des sichtlich gezeichneten Bootes gesetzt. Eine Metapher für die Geburt, eine für den Tod? Vieles scheint möglich, wie auch Sharp meinte. Nicht zuletzt die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer hätten sich in jüngster Zeit als zusätzliche Bedeutungsebene über das Werk gelegt. “Ist das also ein Statement darüber, was gerade in der Welt passiert? Jedenfalls war es so nicht geplant”, verwies der Kurator auf die Entstehungszeit zwischen 2000 und 2002. “Es sind unsere Zuschreibungen, Gedanken und Sorgen.”
Muecks Arbeit bis September in Wien
Zu sehen ist Muecks Arbeit bis Anfang September, wobei man erstmals bei einer Präsentation im Theseustempel auch zwei künstliche Lichtquellen installiert hat. “Allerdings nur für Tage mit bedecktem Himmel, man wird das kaum bemerken”, erläuterte Sharp. Bei der Presseführung wurde auch ein 14-minütiger Film vorgeführt, der Mueck in seinem Studio bei der Arbeit zeigt. “Er imitiert nicht die Realität, er beschwört sie”, so Sharp, der das insgesamt nur 43 Arbeiten umfassende Oeuvre Muecks als “das Gegenteil von sensationsheischend” bezeichnete. “Auch dieses Werk ist sehr privat und ruhig.”
- Ron Mueck: “Man in a Boat” von 20. April bis 6. September im Theseustempel, täglich von 11 bis 18 Uhr.
(APA)
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